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20.04.2019 Verjährung von Ansprüchen des Insolvenzverwalters: Beginn, Hemmung, Kenntnis und Kennenmüssen
Information I.  Verjährung von Ansprüchen von Insolvenzverwaltern ua.

1. Gesetzestext (§ 199 BGB -Beginn der regelmäßigen Verjährungsfrist)
(1) Die regelmäßige Verjährungsfrist beginnt, soweit nicht ein anderer Verjährungsbeginn bestimmt ist, mit dem Schluss des Jahres, in dem
1.der Anspruch entstanden ist und
2.der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste.
Verjährungsbeginn 

Die dreijährige Verjährungsfrist des § 195 BGB beginnt also,  soweit nicht ein anderer Verjährungsbeginn bestimmt ist, gemäß § 199 Abs. 1 BGB mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Anspruchsteller Kenntnis von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners hat oder diese Kenntnis infolge grober Fahrlässigkeit nicht hat.

2. Verjährung von Ansprüchen des Insolvenzverwalters
Bei Ansprüchen des Insolvenzverwalters, die sich auf die Insolvenzanfechtung stützen, beginnt die Verjährung am Jahresende von der Insolvenzeröffnung zu laufen.Bei anderen Ansprüchen - so zum Beispiel normale Ansprüche aus Lieferungen und Leistungen oder auch Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung gibt es einen anderen Verjährungsbeginn, der teilweise viel früher als die Insolvenzeröffnung liegen kann.Derartige Ansprüche des Inssolvenzverwalters sind verjährt. 

Eine Ansicht vertritt folgende Auffassung:
Für die Dauer des Insolvenzverfahrens ist auf die Kenntnis des Insolvenzverwalters abzustellen. Dies wird in der Rechtsprechung zum Teil damit begründet, dass § 166 Abs. 1 BGB auch auf gesetzliche Amtswalter Anwendung findet (RG WarnR 1918 Nr. 224, Staudinger, BGB, § 166 Rn. 3 ff. ), zum Teil damit, dass der gesetzliche Verwalter für die Dauer seiner Bestellung selbst als Vertragspartei auftritt (BGH BB 1984, 564, 565).
Hierzu Auszug aus dem Urteil des LG Heidelberg: Urteil vom 01.08.2014 - 1 O 29/14

(3) Selbst wenn man jedoch auf die Kenntnis des Klägers selbst abstellt, ist das Gericht davon überzeugt, § 286 ZPO, dass der Kläger diese Kenntnis über seinen damaligen Rechtsanwalt im Januar 2010 hatte. Im Schreiben des Rechtsanwalts Dr. H. vom 12.01.2010 (unnummerierte Anlage des Klägers) an den damaligen Rechtsanwalt des Klägers werden die hier streitgegenständlichen Ansprüche erläutert mit dem Hinweis, dass der zugrundeliegende Sachverhalt dem Kläger und seinem Rechtsanwalt bekannt sei. Anhaltspunkte, die darauf schließen lassen, dass diese Aussage unzutreffend ist, sind dem Gericht nicht ersichtlich. Allein der Einwand, dass der Kläger wegen der Komplexität des Insolvenzverfahrens und der Erbschaftsangelegenheit dieses nicht haben überblicken können, genügen nicht, um den Inhalt des Schreibens zu entkräften. Vielmehr ist zu berücksichtigen, dass der Kläger - wohl gerade wegen der Komplexität der Verhältnisse - anwaltlich beraten und vertreten war. Die Kenntnis seines Rechtsanwalts muss er sich aber ebenfalls gem. § 166 Abs. 2 BGB zurechnen lassen.

 

Maßgeblich ist jedoch nachfolgende Entscheidung des Bundesgerichtshof, BGH, Urteil vom 8. Mai 2014 – I ZR 217/12 mit folgenden Leitsätzen und Erläuterungen: 

Kenntnis im Sinne von § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB liegt vor, wenn dem Gläubiger die Erhebung einer Klage, sei es auch nur in Form einer Feststellungsklage, wenn auch nicht risikolos, möglich ist.

Es ist weder erforderlich, dass der Gläubiger alle Einzelumstände kennt, die für die Beurteilung möglicherweise Bedeutung haben, noch muss er bereits hinreichend sichere Beweismittel in der Hand haben, um einen Rechtsstreit im Wesentlichen risikolos führen zu können. Auf eine zutreffende rechtliche Würdigung kommt es dabei grundsätzlich nicht an.

Grob fahrlässige Unkenntnis ist gegeben, wenn dem Gläubiger die Kenntnis fehlt, weil er die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich grobem Maße verletzt und auch ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt oder nicht beachtet hat, die jedem hätten einleuchten müssen. Der Gläubiger muss es versäumt haben, eine gleichsam auf der Hand liegende Erkenntnismöglichkeit wahrzunehmen.
Sind für den Gläubiger konkrete Anhaltspunkte für das Bestehen eines Anspruchs ersichtlich und drängt sich ihm der Verdacht einer möglichen Schädigung auf, so ist er, um eine grob fahrlässige Unkenntnis auszuschließen, zu Ermittlungen gehalten, wenn deren Unterlassen aus der Sicht eines verständigen und auf seine Interessen bedachten Geschädigten unverständlich erscheint.

Maßgeblich sind grundsätzlich die Kenntnisse der anspruchsberechtigten Person, seines gesetzlichen Vertreters oder des zur Verfügung über den Anspruch Befugten. 

Der Anspruchsberechtigte muss sich nach dem Rechtsgedanken des § 166 BGB aber auch das Wissen derjenigen Personen zurechnen lassen, die von ihm mit der Tatsachenermittlung gerade zur Durchsetzung desjenigen Anspruchs beauftragt worden sind, um dessen Verjährung es geht6. Denn derjenige, der einen anderen mit der Erledigung bestimmter Angelegenheiten in eigener Verantwortung betraut, hat sich unabhängig von einem Vertretungsverhältnis das in diesem Rahmen erlangte Wissen des anderen zurechnen zu lassen. Diese Rechtsprechung gilt auch für die dem § 852 Abs. 1 BGB aF nachgebildete Bestimmung des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB8.

Während der Dauer des Insolvenzverfahrens sind Verfügungen des Schuldners über einen Gegenstand der Insolvenzmasse nach Insolvenzeröffnung gemäß § 81 InsO grundsätzlich unwirksam.

Während der Zugehörigkeit der Forderung zur Insolvenzmasse ist ausschließlich der Insolvenzverwalter zur Verfolgung etwaiger Ansprüche der Insolvenzschuldnerin gegen deren Schuldnerin befugt.

Für den Beginn der Verjährungsfrist sind daher grundsätzlich allein seine Kenntnisse von den maßgeblichen Umständen von Bedeutung, während es für den Zeitraum vor Insolvenzeröffnung auf die Kenntnis der Gläubigerin (=Insolvenzschuldnerin) ankommt.

Den Beginn des Laufs der Verjährungsfrist vor Insolvenzeröffnung muss sich der Insolvenzverwalter entgegenhalten lassen, vgl. zum Gläubigerwechsel durch Abtretung oder gesetzlichen Forderungsübergang BGH, Urteil vom 02.03.1982 – VI ZR 245/79, NJW 1982, 1761, 1762; Urteil vom 10.04.1990 – VI ZR 288/89, NJW 1990, 2808, 2809; Urteil vom 08.05.2001 – VI ZR 208/00, NJW-RR 2001, 1168, 1169; Staudinger/Peters/Jacoby aaO § 199 Rn. 72

Die Zurechnung der Kenntnisse des ursprünglichen Anspruchsberechtigten rechtfertigt sich aus dem Umstand, dass sich der Forderungsinhalt durch einen Forderungsübergang nicht zum Nachteil des Schuldners verändern darf (§ 398 Satz 2, § 404 BGB). Der Rechtsnachfolger muss sich bereits verstrichene Verjährungszeiten daher anrechnen lassen, vgl. BGH, NJW 1982, 1761, 1762 .

Eine vergleichbare Interessenlage ist auch beim Übergang der Verfügungsbefugnis vom Insolvenzschuldner auf den Insolvenzverwalter gegeben.

II. Bedeutung Verjährung und Hemmung
 

1. Verjährung
Im Zivilrecht bedeutet Verjährung, der Zeitablauf der für den Schuldner das Recht begründet, die Leistung zu verweigern. Die Verjährung führt nicht zum Erlöschen des Anspruchs, sondern zur Begründung eines Leistungsverweigerungsrechts des Schuldners.

2. Hemmung
Die Verjährung kann gehemmt werden durch Klageerhebung. Die Wirkung des § 204 BGB tritt ein, wenn die Zustellung demnächst erfolgt § 167 ZPO. Wenn man den Namen falsch schreibt und es erfolgt keine Zustellung deswegen, und das wird nicht schnell korrigiert, tritt die Hemmung nicht ein, vgl. BGH NJW 71, 891.

3. Demnächste Zustellung der Klage
a) Rechtzeitige Einzahlung der Gerichtskosten

Die Zustellung der Klage unterbricht den Lauf der Verjährung nicht, wenn sie nicht mehr "demnächst" im Sinne des § 270 Abs. 3 ZPO erfolgt. Eine "Zustellung demnächst" nach Einreichung einer Klage bedeute eine Zustellung innerhalb einer den Umständen nach angemessenen Frist, wenn die Partei oder ihr Bevollmächtigter unter Berücksichtigung der Gesamtsituation alles Zumutbare für die alsbaldige Zustellung getan hätten. Das ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht der Fall, wenn die Partei, der die Fristwahrung obliege, durch nachlässiges - auch nur leicht fahrlässiges - Verhalten zu einer bloß geringfügigen Zustellungsverzögerung beigetragen habe.

Dabei hat der Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung Verzögerungen bis zu 14 Tagen als geringfügig erachtet, selbst wenn sie auf einem nachlässigen Verhalten des Gläubigers beruhten, und als unschädlich angesehen (Bezugnahme unter anderem auf BGH, NJW 1993, S. 2811 <2812>).

Im Fall, der auch Gegenstand einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts war,  betrug die Frist zwischen dem Ablauf der Verjährungsfrist und der Einzahlung des Kostenvorschusses 21 Tage. Bei der Bemessung dieser Frist sei der Senat entsprechend der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs davon ausgegangen, dass der Beschwerdeführer berechtigt gewesen sei, die Frist bis zuletzt auszuschöpfen und die Klage erst am letzten Tag des Fristablaufs zu erheben.

Von einer nicht geringfügigen Verzögerung, die die Wohltat des § 270 Abs. 3 ZPO nicht mehr eintreten lasse, sei auszugehen bei einer Verzögerung von mehr als zwei Wochen (Bezugnahme unter anderem auf BGH, NJW 1986, S. 1347 und NJW 1972, S. 1948).
Verzögerungen durch die Zuordnung des Kostenvorschusses, weil ein Aktenzeichen nicht habe angegeben werden können, wären typischerweise solche gewesen, die im Rahmen des § 270 Abs. 3 ZPO zu seinen Lasten nicht hätten berücksichtigt werden können.

Bundesverfassungsgericht Entscheidung vom 19. Dezember 2000,  1 BvR 1684/99 -

b) Gewissenhafte Prozessführung

Der Partei sind Verzögerungen zuzurechnen, die sie oder ihr Prozessbevollmächtigter (§ 85 Abs. 2 ZPO) bei gewissenhafter Prozessführung hätte vermeiden können. '
Eine Zustellung "demnächst" nach der Einreichung oder Anbringung des zuzustellenden Antrags oder der zuzustellenden Erklärung bedeutet daher eine Zustellung innerhalb einer nach den Umständen angemessenen, selbst längeren Frist, wenn die Partei oder ihr Prozessbevollmächtigter unter Berücksichtigung der Gesamtsituation alles Zumutbare für die alsbaldige Zustellung getan hat. Die Zustellung ist dagegen nicht mehr "demnächst" erfolgt, wenn die Partei, der die Fristwahrung obliegt, oder ihr Prozessbevollmächtigter durch nachlässiges - auch leicht fahrlässiges - Verhalten zu einer nicht bloß geringfügigen Zustellungsverzögerung beigetragen hat (vgl. Senatsurteil vom 7. April 1983 - III ZR 140/ 81 - VersR 1983, 661, 662; Senatsbeschluss vom 2. November 1989 - III ZR 181/ 88 - BGHR ZPO § 270 Abs. 3 demnächst 4; siehe auch BGHZ 145, 358, 362 m. w. N.).

c) Fahrlässigkeiten

Die Fahrlässigkeit wird an der hypothetischen Figur eines optimal befähigten und handelnden Anwalts gemessen (KLEINE-C0SACK, BRAO, 1997, vor § 51b Rn. 28) und bezogen auf die Idealfigur eines juristischen "Supermannes" (VersR 1986, 317). 
Bei unbekanntem Verzug des Beklagten und daraus folgender Anrufung des örtlich unzuständigen Gerichts, muss der Kläger nach einer hierzu einschlägigen Gerichtsentscheidung darlegen, was er zur Vermeidung der Verzögerung getan hat, d.h. welche Maßnahmen er zur Ermittlung des tatsächlichen Wohnortes des Beklagten getan hat vgl. OLG Dresden, 8 U 1272/06  (Vorinstanz:7 O 163/06 LG Leipzig) verkündet am 04.10.2006 (OLG Dresden, WM 2007, 297).

d) Verzögerung der Klagezustellung

aa) Richtiger Vertreter recherchieren
Dem Prozessbevollmächtigten ist vorzuwerfen, dass er sich bei sorgfältiger Prozessführung selbständig aus den maßgeblichen amtlichen Mitteilungsblättern über die richtige Vertretungsbehörde der Beklagten für den Fall eines gerichtlichen Verfahrens über die Enteignungsentschädigung hätte informieren müssen (Senatsbeschluss vom 19. Dezember 1986 aaO). Im vorliegenden Fall wurde die  Klage statt am 15. April 2003 erst am 12. Mai 2003 (wirksam) zugestellt worden durch eine von den Klägern zu vertretende Verzögerung.

bb) Keine Schreibfehler

Bei Schreibfehlern kommt es aber, wie die Rechtsprechung hervorhebt (BGH, Urt. v. 10. November 1998, VI ZR 243/ 97, LM ZPO § 174 Nr. 8), entscheidend darauf an, ob der Mangel geeignet ist, zu Verwechslungen zu führen. Ist dies der Fall, hat der Zustellende nicht das Erforderliche dafür getan, daß der Zustellungsempfänger das Schriftstück auf dem nach § 175 ZPO zulässigen normalen Postwege ohne Verzögerung erhält. Anderenfalls ist die Zustellung trotz des Mangels wirksam.

cc) Weniger als 14 Tage  Verzögerung

Die Zustellung einer Klage ist dann noch demnächst erfolgt, wenn die durch den Kläger zu vertretende Verzögerung der Zustellung den Zeitraum von 14 Tagen nicht überschreitet. Bei der Berechnung der Zeitdauer der Verzögerung ist auf die Zeitspanne abzustellen, um die sich der ohnehin erforderliche Zeitraum für die Zustellung der Klage als Folge der Nachlässigkeit des Klägers verzögert (Bestätigung von BGH, Urteil vom 20. April 2000 - VII ZR 116/99, BauR 2000, 1225 = ZfBR 2000, 466), BGH, Urteil vom 10. Februar 2011 - VII ZR 185/07 - KG Berlin.

III. Beginn bei Verjährung von zweifelhaften Finanzanlagen, Kunstfehlern, Notarsfehlern

Ab wann der Gläubiger Kenntnis hatte oder Kenntnis hätte erlangen müssen ist gerade bei zweifelhafen Fällen von Bedeutung.

Nur bei unsicherer und zweifelhafter Rechtslage kann der Beginn der Verjährungsfrist ausnahmsweise wegen Rechtsunkenntnis des Gläubigers hinausgeschoben sein (BGHZ 160, 216, 231 f; BGB NJW-RR 10, 1574 [BGH 15.06.2010 - XI ZR 309/09] Rz 12 ff; NJW-RR 09, 547 [BGH 23.09.2008 - XI ZR 262/07] Rz 15 mwN).
Die Verjährung beginnt dann – unabhängig von Kenntnis oder grob fahrlässiger Unkenntnis – mit der objektiven Klärung der Rechtslage (BGH NJW-RR 09, 547, 548 [BGH 23.09.2008 - XI ZR 262/07] Rz 19.

Im Einzelnen:
1. Immobilienfonds
Zum Beginn der Verjährungsfrist für einen Bereicherungsanspruch aus der Rückabwicklung eines zur Finanzierung eines Immobilienfondsbeitritts gewährten Darlehens liegt eine Entscheidung des BGH vom 15.06.2010 (AZ XI ZR 309/09) vor.

2. Immobilieninvestments
Die Kenntnis des Gläubigers, dass die ihm zugesagte Miete von Beginn an nicht erzielt wurde, rechtfertigt nicht den Schluss auf eine Kenntnis von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners im Sinne des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB
, vgl. BGH, Urteil vom 3. 6. 2008 - XI ZR 319/ 06; OLG Celle

3. Mehrere Beratungsfehler
Lässt sich ein Schadensersatzanspruch auf mehrere Beratungsfehler stützen, beginnt die kenntnisabhängige Verjährungsfrist für jeden Beratungsfehler gesondert zu laufen, vgl. BGH, 09.11.2007 - V ZR 25/07

4. Verjährungsbeginn bei Bürgschaften
Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 23.09.2008, Az. XI ZR 395/07, Folgendes entschieden:
Eine Bank als Bürgschaftsgläubigerin trifft nach Fälligkeit der Bürgschaftsforderung die Obliegenheit, die ihr bei Abschluss des Bürgschaftsvertrages angegebene Anschrift des Bürgen zeitnah auf ihre Richtigkeit zu überprüfen.

5. Verjährungsbeginn bei Steuerberaterfehlern
Zum Verjährungsbeginn von Schadensersatzansprüchen gegen Steuerberater, vgl. BGH, Urteil vom 18.06.1979 - VII ZR 257/78, NJW 1979 2211

6. Verjährungsbeginn bei Fehlern eines Notars
Zum Verjährungsbeginn bei Schadensersatzanspruch gegen Notar, vgl. BGH Urteil vom 03.03.2005 - III ZR 353/04 in NJW RR 2005 1148

7. Verjährungsbeginn bei Rechtsanwaltsfehler
 a) § 51 b BRAO ist am 15.12. 2004 aufgehoben worden. Die Hinweispflicht des Rechtsanwalts auf mögliche Regressansprüche gegen sich selbst, sowie der Sekundäranspruch des Mandanten im Fall des Unterlassens des Hinweises, gelten nur für Altfälle. Es besteht eine regelmäßige dreijährige Verjährungsfrist gemäß §§ 195, 199 BGB. Diese ist von der Kenntnis abhängig.

b) Verletzt ein Rechtsanwalt seine Pflicht, eine mit Ablauf des 31. Dezember verjährende Forderung gerichtlich geltend zu machen, entsteht der Schaden des Mandanten mit Beginn des 01. Januar; die Verjährungsfrist des Schadensersatzanspruchs gegen den Rechtsanwalt beginnt mit dem Schluss dieses Jahres. BGH, Urteil vom 15.12.2011 – IX ZR 85/10 – OLG Stuttgart, LG Ellwangen“

8. Verjährungsbeginn bei Anspruch auf Schlusszahlung
Die Prüfbarkeit der Schlußrechnung ist grundsätzlich Voraussetzung für die Fälligkeit der Schlußzahlung nach § 16 Nr. 3 Abs. 1 VOB/B (Bestätigung von BGHZ 83, 382, 384), BGH, Urteil vom 22.04.1982 - VII ZR 191/81, NJW 1982, 1815; BGH, Entscheidung vom 10. Mai 1990 - VII ZR 257/89

9. Beginn der Verjährung in Arzthaftungsfällen
Im Arzthaftungsrecht beginnt die Verjährung der Schadensersatzansprüche zu laufen, wenn der Patient als medizinischer Laie Kenntnis von Tatsachen erlangt hat, aus denen sich ein Abweichen des Arztes vom ärztlichen Standard ergibt. Grundsätzlich erlangt der geschädigte Patient, der medizinische Laie ist, erst durch ein medizinisches Gutachten Kenntnis von denjenigen Tatsachen auf denen sich ein medizinisches Anweichen des Arztes vom ärztlichen Standard ergibt (vgl. BGH NJW 1991, 2350).

10. Außergewöhliche Schwierigkeiten der Sachverhaltsfeststellung

Bei außergewöhnlichen Schwierigkeiten der Sachverhaltsfeststellung, die den Strafrichter veranlassen, die Hauptverhandlung auszusetzen und weitere Ermittlungen anzuordnen, erlangt der gesetzliche Vertreter der durch eine unerlaubte Handlung geschädigten Minderjährigen die Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners nicht ohne weiteres durch die Anklageschrift und den Inhalt der Ermittlungsakten.

BGH, Urteil vom 23. 9. 2004 - IX ZR 421/00

11. Verjährungsbeginn bei unterschiedlichen Handlungen

Der BGH entschied, dass im Falle von Aufklärungs- und Beratungsfehlern die Verjährungsvoraussetzungen getrennt für jede einzelne Pflichtverletzung zu prüfen seien. Sofern ein Schadensersatzanspruch auf mehrere Fehler gestützt würde, so begänne die Verjährung daher nicht einheitlich, wenn bezüglich eines Fehlers Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis vorläge und dem Anleger insoweit eine Klage zumutbar sei. Dem Gläubiger (Anleger) müsse es in einem solchen Fall unbenommen bleiben, eine ihm bekannt gewordene Pflichtverletzung - selbst wenn eine darauf gestützte Klage auf Rückabwicklung des Vertrages erfolgsversprechend sei - hinzunehmen, ohne Gefahr zu laufen, dass deshalb Ansprüche aus weiteren, ihm zunächst aber noch unbekannten Pflichtverletzungen zu verjähren begännen.

12. Hemmung von bereicherungsrechtlichen Ansprüchen bei Geltendmachung von Insolvenzanfechtungsansprüchen gemäß 129 ff InsO

BGH, 29.10.2015 - IX ZR 222/13Amtlicher Leitsatz:

BGB § 204 Abs. 1 Nr. 1, § 812 Abs. 1; AnfG § 4 Abs. 1

Die auf Gläubigeranfechtung gestützte Zahlungsklage hemmt die Verjährung auch bezüglich eines alternativ gegebenen, auf Zahlung gerichteten Bereicherungsanspruchs, wenn dessen Voraussetzungen mit dem Sachvortrag der Klage dargelegt sind.


IV. Kommentierung des § 199 BGB:

1. Richtige rechtliche Würdigung

Die für den Beginn der Verjährung gemäß § 199 Abs.1 Nr.2 BGB erforderliche Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis des Gläubigers von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners setzt grundsätzlich keine zutreffende rechtliche Würdigung des Sachverhalts voraus.

Das gilt auch für Bereicherungsansprüche nach den §§ 812 ff. BGB, zum Beispiel Rückforderung der vertraglichen Vergütung wegen Verstoßes gegen das Rechtsberatungsgesetz wegen unerlaubter Rechtsberatung und in Folge eintretender Nichtigkeit der Verträge gemäß Art. 1 § 1 RBerG, § 134 BGB.

2. Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis

In Überleitungsfällen nach Art. 229 § 6 Abs.4 S.1 EGBGB müssen für den Fristbeginn am 01.01.2002 auch die subjektiven Voraussetzungen des § 199 Abs.1 Nr.2 BGB - Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis – vorliegen.

§ 199 Abs.1 BGB ist wie § 195 BGB dem früheren § 852 Abs.1 BGB nachgebildet.
Für die Auslegung dieser Vorschriften kann daher weitgehend auf den Norminhalt des § 852 Abs. 1 BGB a.F. und die dazu ergangene Rechtsprechung zurückgegriffen werden. Insofern ist anerkannt, dass für die erforderliche Kenntnis des Verletzten vom Schaden und der Person des Ersatzpflichtigen die Kenntnis der den Ersatzanspruch begründenden tatsächlichen Umstände genügt.
Anders kann es nur dann zu beurteilen sein, wenn es sich um eine unübersichtliche oder zweifelhafte Rechtslage handelt, so dass sie selbst ein rechtskundiger Dritter nicht zuverlässig einzuschätzen vermag.

Kennt ein Bereicherungsgläubiger die der Vermögensverschiebung zugrunde liegenden Umstände nicht, beginnt die Verjährung nicht zu laufen.

Im Fall des BGH vom 19.03.2008, III ZR 220/07 verfügte der Zedent bereits vor dem 01.01.2002 über eine hinreichende Kenntnis derjenigen Tatsachen, die einen Verstoß des Beklagten gegen das Rechtsberatungsgesetz und einen auf § 812 Abs.1 S.1 BGB gestützten Anspruch auf Rückforderung des Geleisteten begründen konnte.

V. Rechtsprechung zur Unkenntnis in Folge grober Fahrlässigkeit

1. Definition
Grob fahrlässig handelt der Gläubiger eines solchen Anspruchs dann, wenn seine Unkenntnis auf einer besonders schweren Vernachlässigung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt beruht.

2. Umstände müssen sich aufdrängen
Grobe Fahrlässigkeit ist danach zu bejahen, wenn sich dem Gläubiger die den Anspruch begründenden Umstände förmlich aufdrängen und er leicht zugängliche Informationsquelle nicht nutzt. Damit ist durch den Verweis auf die allgemeinen Regelungen der §§ 195 ff. BGB eine Haftungsverschärfung eingetreten.

3. Nachforschungspflichten
Nachforschungspflichten eines Anspruchsinhabers sollen daher zunächst nicht bestehen.

4. Anhaltspunkte für schuldhaftes Verhalten
Die zutreffende rechtliche Würdigung der anspruchsbegründenden Tatsachen durch den Geschädigten ist nicht erforderlich. Sind dem Geschädigten wichtige Anhaltspunkte für ein schuldhaftes Verhalten bekannt und unterlässt er trotzdem eine sich aufdrängende Nachfrage, so ist er so zu behandeln, als habe er Kenntnis von der Schadensersatzpflicht gehabt, OLG Düsseldorf NJW-RR 1991, 1130 f.

 
5. Grob fahrlässige Unkenntnis bei einer Kapitalanlage

a) Unkenntnis muss auf grober Fahrlässigkeit beruhen
Der Gläubiger muss von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt haben oder seine diesbezügliche Unkenntnis auf grober Fahrlässigkeit beruhen (BGHZ 171, 1, 7 ff Rn. 19 ff; 179, 260, 276 Rn. 46; BGH, Urteil vom 9. November 2007 - V ZR 25/07 .

b) Wer trägt Beweislast für grobfährlässige Unkenntnis
Für eine dahingehende Kenntnis oder grobfahrlässige Unkenntnis des Klägers trägt der Beklagte als Schuldner die Darlegungs- und Beweislast (BGHZ 171, 1, 11 Rn. 32; BGH, Urteil vom 3. Juni 2008 - XI ZR 319/06 - NJW 2008, 2576, 2578 Rn. 25).  

c) Unterlassen einen Prospekt zu lesen
Die Würdigung des Berufungsgerichts, eine grob fahrlässige Unkenntnis des Klägers von den Anspruchsvoraussetzungen ergebe sich nicht schon daraus, dass dieser es unterlassen hat, den ihm übergebenen Emissionsprospekt durchzulesen und hierbei auf durchgreifende Hinweise auf die fehlende Eignung der Kapitalanlage für seine Anlageziele zu stoßen, hält den Angriffen der Revision stand.  

d) subjektiv nicht entschuldbarer Verstoß
Grobe Fahrlässigkeit setzt einen objektiv schwerwiegenden und subjektiv nicht entschuldbaren Verstoß gegen die Anforderungen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt voraus.

e) Fehlende Überlegungen, Aufdrängen und leicht zugängliche Informationsquellen
Grob fahrlässige Unkenntnis im Sinne von § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB liegt vor, wenn dem Gläubiger die Kenntnis deshalb fehlt, weil er ganz nahe liegende Überlegungen nicht angestellt oder das nicht beachtet hat, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen, wie etwa dann, wenn sich dem Gläubiger die den Anspruch begründenden Umstände förmlich aufgedrängt haben und er leicht zugängliche Informationsquellen nicht genutzt hat (s. BGH, Urteile vom 23. September 2008 aaO Rn. 16 und vom 10. November 2009 aaO Rn. 13 m. w. N.; Gesetzentwurf der Fraktionen der SPD und Bündnis 90/Die Grünen zum Schuldrechtsmodernisierungsgesetz, BT-Drucks. 14/6040, S. 108 unter anderem mit Hinweis auf BGHZ 10, 14, 16 und 89, 153, 161; Palandt/Ellenberger, BGB, 69. Aufl., § 199 Rn. 36; MünchKommBGB/Grothe, 5. Aufl., § 199 Rn. 28; Henrich/Spindler, in: Bamberger/Roth, BGB, 2. Aufl., § 199 Rn. 19 f).

f) Schwerer Verstoß in eigener Sache
Dem Gläubiger muss persönlich ein schwerer Obliegenheitsverstoß in seiner eigenen Angelegenheit der Anspruchsverfolgung, eine schwere Form von "Verschulden gegen sich selbst", vorgeworfen werden können (BGH, Urteil vom 10. November 2009 aaO m. w. N.; Grothe aaO). Ihn trifft generell keine Obliegenheit, im Interesse des Schuldners an einem möglichst frühzeitigen Beginn der Verjährungsfrist Nachforschungen zu betreiben;
vielmehr muss das Unterlassen von Ermittlungen nach Lage des Falles als geradezu unverständlich erscheinen, um ein grob fahrlässiges Verschulden des Gläubigers bejahen zu können (s. BGH, Urteil vom 10. November 2009 aaO S. 216 Rn. 15 f m. w. N.; s. auch Grothe aaO).  
Nach diesen Maßgaben ist die Auffassung des Berufungsgerichts, der Umstand, dass der Anlageinteressent den ihm überlassenen Emissionsprospekt nicht durchgelesen hat, genüge für sich allein noch nicht, um die grob fahrlässige Unkenntnis von einem Beratungsfehler zu begründen, nicht zu beanstanden.  

g) Unterbliebene Kontrolle als grobe Fahrlässigkeit
Eine unterbliebene "Kontrolle" dieser Beratung durch Lektüre des Prospekts darf nicht ohne weiteres als grobe Fahrlässigkeit vorgehalten werden dürfe (s. OLG München, Urteil vom 6. September 2006 - 20 U 2694/06 - ; OLG Hamm, Urteile vom 20. November 2007 - 4 U 98/07 -  und vom 26. November 2009 - I-4 U 224/08 - ).  Der Anleger, der bei seiner Anlageentscheidung die besonderen Erfahrungen und Kenntnisse eines Anlageberaters oder Anlagevermittlers in Anspruch nimmt, misst den Ratschlägen, Auskünften und Mitteilungen des Anlageberaters oder -vermittlers, die dieser ihm in einem persönlichen Gespräch unterbreitet, besonderes Gewicht bei.

h) Vertrauen auf den Rat

Vertraut der Anleger auf den Rat und die Angaben "seines" Beraters oder Vermittlers und sieht er deshalb davon ab, den ihm übergebenen Anlageprospekt durchzusehen und auszuwerten, so ist darin im Allgemeinen kein in subjektiver und objektiver Hinsicht "grobes Verschulden gegen sich selbst" zu sehen. Unterlässt der Anleger eine "Kontrolle" des Beraters oder Vermittlers durch Lektüre des Anlageprospekts, so weist dies auf das bestehende Vertrauensverhältnis zurück und ist daher für sich allein genommen nicht schlechthin "unverständlich" oder "unentschuldbar".

 i) Schadensersatz würde ansonsten ins Leere laufen

Eine andere Betrachtungsweise stünde zum einen in einem Wertungswiderspruch zur Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Frage des anspruchsmindernden Mitverschuldens.

Zum anderen würde sie den Anleger unangemessen benachteiligen und seinen Schadensersatzanspruch oftmals leer laufen lassen.

Denn die Risiken und Nachteile einer Kapitalanlage wirken sich vielfach erst einige Jahre nach dem Erwerb finanziell spürbar aus (Reduzierung oder gar Wegfall von Ausschüttungen etc.).

Fiele dem Anleger bereits die unterbliebene Lektüre des Anlageprospekts als grob fahrlässige Unkenntnis im Sinne von § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB zur Last, so wäre sein Schadensersatzanspruch häufig schon verjährt, bevor sich die Risiken oder Nachteile der Kapitalanlage für ihn "bemerkbar" machen und er sich daher veranlasst sieht, die Richtigkeit der ihm von einem Anlageberater oder -vermittler gegebenen Empfehlungen und Auskünfte zu hinterfragen.

 Die tatrichterliche Würdigung des Berufungsgerichts, auch nach der Zeichnung der Anlage habe sich in der Zeit bis zum 1. Januar 2004 kein dringender, den Vorwurf der grob fahrlässigen Unkenntnis rechtfertigender Anlass für die Lektüre des Emissionsprospekts ergeben, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, vgl zu V. BGH, Urteil vom 8. 7. 2010 - III ZR 249/09; OLG Köln.

VI. Würdigung durch das Gericht

Die Beantwortung der Frage/ Kenntnis oder nicht"  erfordert eine Würdigung des Sachverhalts, die dem Tatrichter vorbehalten ist und vom Revisionsgericht nur eingeschränkt überprüft werden kann (BGH, Urteil vom 23. Juni 2009 - XI ZR 171/08, BKR 2009, 372 Rn. 13; Urteil vom 23. September 2008 - XI ZR 262/07, ZIP 2008, 2164 Rn. 17).

Die tatrichterliche Beurteilung, ob einer Partei der Vorwurf grober Fahrlässigkeit zu machen ist, unterliegt der Nachprüfung durch das Revisionsgericht nur dahin, ob der Tatrichter

a) den Begriff der groben Fahrlässigkeit verkannt,
b) bei der Beurteilung des Verschuldensgrades wesentliche Umstände außer Betracht gelassen oder
c) gegen Denkgesetze
d) Erfahrungssätze oder
e) Verfahrensvorschriften verstoßen hat 


(st. Rspr.; BGHZ 10, 14, 16 f; 10, 69, 74; 145, 337, 340; 163, 351, 353; BGH, Urteile vom 23. September 2008 - XI ZR 262/07 -und vom 10. November 2009 - VI ZR 247/08 -).BGH, Urteil des II. Zivilsenats vom 5.7.2011 - II ZR 188/09 -

VII. Eine Entscheidung des BGH zur Kenntnis oder grob fahrlässigen Unkenntnis,
BGH, Urteil vom 20. Oktober 2011 - III ZR 252/10 - OLG Hamm,  LG Münster

Auszug aus der Entscheidung:
Ob die fehlende Kenntnis der Regressabteilung darauf beruht, dass sie seitens der Leistungsabteilung nicht die entsprechenden Informationen erhalten hat, ist grundsätzlich unerheblich.
Die von der Rechtsprechung zu § 166 BGB für den Bereich rechtsgeschäftlichen Handelns entwickelten Grundsätze zur Wissenszurechnung sind auf § 852 Abs. 1 BGB a.F. nicht anwendbar (vgl. z.B. BGH, Urteile vom 25. Juni 1996 - VI ZR 117/95, aaO, S. 139; vom 28. No-vember 2006 - VI ZR 196/05, aaO und vom 27. März 2001 - VI ZR 12/00).

bb) Im Streitfall hat das Berufungsgericht unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ohne Rechtsfehler auf den Zeitpunkt der Kenntnisnahme durch die bei der Klägerin eingerichtete Regressabteilung im Jahr 2005 abgestellt. Auch die Revision räumt ein, dass ausweislich einer Dienstanweisung aus dem Jahre 1988 bei der KIägerin bereits zum Zeitpunkt der Bearbeitung des Rentenan-trags und weiterer Eingaben der Geschädigten eine Trennung zwischen Leistungs- und Regressabteilung bestanden hat.

Die außerdem vorgelegten, die Zeit nach 1990 betreffenden Dienstanweisungen bestätigen eine entsprechende Aufteilung der Zuständigkeiten in den jeweiligen Abteilungen. Innerhalb der daraus ersichtlichen behördeninternen Organisation stehen der Leistungsabtei-lung aber keine Entscheidungsbefugnisse hinsichtlich der Geltendmachung von Regressansprüchen zu.

Entgegen der Auffassung der Revision ist der Inhalt der in dem Rentenantrag zu Ziffer 5.7 und 5.8 enthaltenen Fragen, ob die Erwerbsunfähigkeit ganz oder teilweise durch Unfall oder durch andere Personen herbeigeführt worden ist und Schadensersatzansprüche geltend gemacht worden sind, nicht geeignet, eine vorgelagerte, eigenverantwortlichen Prüfung der Re-gressmöglichkeiten durch die Leistungsabteilung zu begründen.

Vielmehr sollte ausweislich der Dienstanweisung bereits aus dem Jahre 1988 ein Vorgang schon dann an das Regressdezernat weitergeleitet werden, wenn aus der Akte zu erkennen gewesen ist, dass es sich um einen Unfall oder sonst durch andere Personen verursachten Schadensfall handelte. Die eigentliche Prüfung der Angelegenheit sollte danach erkennbar der Regressabteilung vorbehalten sein. Zwar hat die Klägerin darauf hingewiesen, dass gewissermaßen ein automatisiertes Verfahren mit Übersendung eines Unfallfragebogens vorgesehen sei, wenn aus den Antworten auf die genannten Fragen auf ein durch Dritte verur-sachtes Schadensereignis zu schließen sei. Daraus ergab sich jedoch keine eigenverantwortliche Bearbeitung von möglichen Regressansprüchen und keine Verpflichtung der Leistungsabteilung, etwa allgemein weitere Erkundigungen einzuholen. Allenfalls war damit eine für die Annahme einer Wissensvertretung unerhebliche Vorprüfung und Arbeitsvereinfachung verbunden. Auch die Beklagte hat nicht behauptet, die Mitarbeiter der Leistungsabteilung hätten diesen Fragebogen nach Eingang auswerten und eigenständig bearbeiten sollen.

Fehl gehen die in diesem Zusammenhang erhobenen Rügen der Re-vision, das (Fehl-)Verhalten der Leistungsabteilung, die weder auf die Nichtbe-antwortung der Fragen in 5.7 und 5.8 im Rentenantrag noch auf die in dem Fragebogen vom 29. Januar 2000 enthaltene Angabe, die Beklagte habe als "Unfallverursacher" bereits ein ärztliches Gutachten eingeholt, irgendeine Reaktion gezeigt habe, sei positiver Kenntnis gleichzusetzen. Soweit die Revision auf die Rechtsprechung Bezug nimmt, wonach § 852 Abs. 1 BGB a.F. auch dann ausnahmsweise anzuwenden ist, wenn die Möglichkeit bestand, sich die erforderlichen Kenntnisse in zumutbarer Weise ohne nennenswerte Mühe zu beschaffen, ist zu betonen, dass dies nur für Fälle gilt, in denen es der Geschä-digte versäumt, eine gleichsam auf der Hand liegende Erkenntnismöglichkeit wahrzunehmen (vgl. z. B. BGH, Urteil vom 9. Juli 1996 - VI ZR 5/95, BGHZ 133, 192, 198 f, und vom 28. November 2006 - VI ZR 196/05, aaO). Ob nach diesem Maßstab die angeführte Rechtsprechung vorliegend überhaupt herangezogen werden könnte - das Berufungsgericht hat dies in Bezug auf den Rentenantrag verneint und hinsichtlich des Fragebogens dahinstehen lassen - kann offenbleiben. Denn es kommt - wie ausgeführt und auch vom Berufungsgericht zutref-fend ebenso gesehen - vorliegend allein auf den Kenntnisstand und das Verhal-ten der Mitglieder der Regressabteilung an.

Eine andere Beurteilung ergibt sich nicht mit Blick auf die zum 1. Januar 2002 in Kraft getretene Schuldrechtsmodernisierung und die damit verbundenen Änderungen des Verjährungsrechts. Gemäß Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 4 Satz 1 EGBGB gilt seit diesem Zeitpunkt für bis dahin - wie hier - nicht verjährte Schadensersatzansprüche die dreijährige Regelverjährung des § 195 BGB n.F. Dabei setzt der Beginn der Frist das Vorliegen der subjektiven Voraussetzungen des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB n.F. voraus, der Gläubiger muss also von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt haben oder seine diesbezügliche Unkenntnis muss auf grober Fahrlässigkeit beruhen.

Im Hinblick darauf, dass der Gesetzgeber in dieser Vorschrift im Vergleich zur Regelung in § 852 Abs. 1 BGB a.F. nunmehr das subjektive Merkmal der grob fahrlässigen Unkenntnis hinzugefügt hat, haben sich in Literatur und Rechtsprechung zu den Auswirkungen der Gesetzesänderung auf die vorliegende Fallkonstellation unterschiedliche Auffassungen gebildet. Dabei wird vielfach die Meinung vertreten, dass sich die bisherige Rechtsprechung zu § 852 Abs. 1 BGB a.F. unter Geltung des neuen Rechts in ihrer Allgemeinheit nicht mehr halten lasse (so z.B. MünchKommBGB/Grothe, 5. Aufl., § 199, Rn. 31, 34, Staudinger/Peters/Jacoby, BGB, Neubearbeitung 2009, § 199, Rn. 59; dahin tendierend auch Palandt/Ellenberger, BGB, 70. Aufl., § 199, Rn. 49; Erman/ Schmidt-Ränsch, BGB, 13. Aufl., § 199, Rn. 14;  für die Beibehaltung der Rechtsprechungsgrundsätze sprechen sich dagegen Henrich/Spindler in BeckOK/BGB, Stand 1. März 2011, § 199, Rn. 35 f und Lakkis, in jurisPK-BGB, 5. Aufl., § 199 Rn. 69 f aus). In diesem Zusammenhang wird vor allem hervorgehoben, dass im Unterschied zur bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung (BGH, Urteile vom 22. April 1986 - VI ZR 133/85, NJW 1986, 2315, 2316 und vom 11. Februar 1992 - VI ZR 133/91, aaO) die Verjährung auch dann beginnt, wenn die fehlende Kenntnis der zuständigen Abteilung auf einem - den Vorwurf der groben Fahrlässigkeit rechtfertigenden - Organisationsmangel beruht (vgl. auch Krämer, ZGS 2003, 379, 381; OLG Saarbrücken, Urteil vom 31. August 2010 - 4 U 550/09, juris, Rn. 46 f; weitergehend OLG Hamm, RuS 2011, 225, Rn. 48 f).
bb) Mit der Einführung des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB ist keine so maßgebliche Änderung der Rechtslage eingetreten.

VIII. Zum Schluß:

1. Einrede der Verjährung

Die Verjährung ist als Einrede ausgestaltet (§ 214 Abs. 1). Es steht dem Schuldner daher frei, den Anspruch auch nach Ablauf der Verjahrungsfrist zu erfullen. Die Verjahrung ist daher im Prozess nicht von Amts wegen zu berucksichtigen.
Ob ein richterlicher Hinweis auf die mogliche Verjahrung zulassig oder sogar geboten ist, ist umstritten.

2. Kann man die Einrede der Verjährung verwirken?

Nachdem die Rechtsprechung die Verjährungsregelung des § 51 b BRAO durch die Konstruktion des Sekundäranspruchs unterlaufen hat, läßt sich nicht ausschließen, daß ein anderer Ansatz gefunden wird, um die Verjährung von Haftungsansprüchen gegen den Anwalt zu verlängern.

§ 242 BGB (auf den ursprünglich die Konstruktion des Sekundäranspruchs letztlich zurückging)  in direkter Anwendung, in Form der Unzulässigkeit der Berufung auf die Einrede der Verjährung.

Mit dieser Vorschrift läßt sich jede gesetzliche Wertung umgestalten (vgl. BGH WM 1988, 128; PALANDT/HEINRICHS, 64. Aufl., Vor § 194 BGB, Rn. 16). Dies ist dann denkbar, wenn der Rechtsanwalt den Mandanten über bevorstehende Verjährung getäuscht und gezielt von verjährungshemmenden Maßnahmen abgehalten hat.


Quellen: am angegebenen Ort und Braun, Insolvenzordnung, 4. Auflage 2010 Rn 2-3;  BGH NZI 2006,169 ff 

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Verfasser: Hermann Kulzer Rechtsanwalt, Fachanwalt für InsR, HR, GR; Master of business and administration
 
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