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17.04.2020 < Schutzschirmverfahren zur Rettung von Unternehmen in Eigenregie/ Sanierung in drei Monaten
Information

I. Galeria Karstadt Kaufhof kämpft in der Corona-Krise ums Überleben. Jede Woche hat Karstadt Kaufhof 80 Millionen Euro weniger Umsatz, aber weiter erhebliche, laufende Kosten, die Karstadt Kaufhof jetzt nicht vollständig stoppen oder abwälzen kann. Am 1.4.2020 hat Karstadt Kaufhof ein Schutzschirmverfahren in Eigenverwaltung beantragt, vgl. Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 3.4.2020 S. 22.

Das Schutzschirmverfahren (§ 270b InsO) ist eine besondere Verfahrensart im deutschen Insolvenzrecht - es ist ein vorläufiges Insolvenzverfahren. Es soll überlebensfähigen Unternehmen die Chance auf Sanierung verbessern und Unternehmenswerte erhalten. Die Abwicklung und Zerschlagung soll vermieden werden. Es verbindet die vorläufige Eigenverwaltung mit dem Ziel der frühzeitigen Vorlage eines Insolvenzplans, um hierdurch eine Sanierung des Unternehmens zu erleichtern. Das Verfahren ist auf höchsten drei Monate angelegt. 

Ein großer Vorteil des Verfahrens ist es, dass das Unternehmen in Eigenregie saniert werden und das Heft des Handelns in der Hand behalten kann. Es wird nicht vom Insolvenzgericht ein unbekannter Insolvenzverwalter bestellt und der bisherige Geschäftsführer/Vorstand faktisch "entmachtet".

Das Schutzverfahren hat Werkzeuge der Sanierung: 

  1. Zeit gewinnen
  2. Agentur für Arbeit zahlt Löhne und Gehälter
  3. Vollstreckungsschutz
  4. Keine Zahlung auf ungünstige Leasingverträge, Mieten oder Pachten
  5. teilweiser Personalabbau innerhalb von drei Monaten möglich- falls das notwendig ist 
  6. Gläubiger können noch nicht voll bezahlte Maschinen nicht zurückholen
  7. Anpassung der Produktion an veränderte Bedingungen und Marktlage.
  8. Sparen von Steuern.

Dieses Verfahren eignet sich nicht, wenn bereits die Zahlungsunfähigkeit eingetreten ist oder die Sanierung keine hinreichenden Erfolgsaussichten verspricht. 

Das Schutzschirmverfahren wurde zum 1. März 2012 durch das ESUG in die InsO aufgenommen, wobei das Gesetz zum Teil auf einer EU-Verordnung aus dem Jahre 2000 basiert. Die Eigenverwaltung hat in 2019 nur in 260 Fällen (von 19.400 Unternehmensinsolvenzen) eine Rolle gespielt. In Zeiten der Corona-Krise kann das Schutzschirmverfahren jetzt zur Rettung vieler Unternehmen werden. 

Um das Schutzschirmverfahren in Anspruch nehmen zu können, bedarf es einer frühzeitigen Antragsstellung und fundierten Begründung durch das Unternehmen. Hauptkriterien sind die Liquidität des Unternehmens und die grundsätzliche Aussicht auf eine erfolgreiche Sanierung.

Als wesentlicher Unterschied zum regulären Insolvenzverfahren oder zur normalen Eigenverwaltung ist der Sachwalter im Schutzschirmverfahren vom Unternehmen weitgehend frei wählbar.
Eine Ablehnung durch das Gericht kann nur aufgrund einer mangelnden Eignung erfolgen, beispielsweise bei fehlender Unabhängigkeit oder völlig fehlender Erfahrung.

II. Vorbereitungsphase

Vorbereitung - vor Einleitung des Schutzschirmverfahrens- dauert je nach Größe des Unternehmens Wochen oder Monate. 

  • 1. Erfassung der Ursachen der Krise 
  • 2. Prüfung der Sanierungsfähigkeit und -würdigkeit des Unternehmens. Dazu Erstellung eines Sanierungskonzepts: Definition der Maßnahmen, die geeignet sind, diese Krisenursachen zu beseitigen. 
  • 3. Prüfung der Chancen, Vorteile und Risiken eines Schutzschirm- / Insolvenzplanverfahrens 
  • 4. Prüfung der Finanzbarkeit und der Finanzierungsmöglichkeiten unter Berücksichtigung der Gefahr der Kündigung der Kreditlinie durch die Hausbank wegen Verschlechterung der Bonität.
  • 5. Suche nach einem insolvenzrechtlich erfahrenen Sanierungsgeschäftsführer (CRO), der neben dem bisherigen Geschäftsführer sich um die insolvenzrechtlichen Besonderheiten kümmert.
  • 6. Start mit Ausarbeitung des Insolvenzplanes 
  • 7. Suche und Auswahl eines geeigneten Sachwalters
  • 8. Erstellung der Bescheinigung durch insolvenzrechtlich versierten Fachmann über Grundvoraussetzungen eines Schutzschirmverfahrens nach § 270b(1)S.3 InsO: Es liegt nur eine drohende Zahlungsunfähigkeit vor. 

III. Einzelheiten für besonders Interessierte: 

1. Ziele des Schutzschirmverfahrens
Das Ziel ist es, dass das Insolvenzrecht noch stärker als Chance zur Sanierung eines Unternehmens begriffen wird. Dazu brauchte Deutschland einen Mentalitätswandel; es brauchte eine andere Insolvenzkultur. Daher wurde das Insolvenzrecht überarbeitet und auch das Schutzschirmverfahren eingeführt. 

1.1. Verbesserung der Sanierungsmöglichkeiten
Man soll nicht mehr warten, bis es "brennt oder gar schon verbrannt" ist, sondern soll den Antrag so rechtzeitig stellen, dass es noch gute Chancen der Forführung und Sanierung gibt. Die Insolvenzgeldvorfinanzierung ist Bestandteil der Sanierungsmaßnahmen im Schutzschirmverfahren.

1.2. Vollstreckungsschutz unter Aufsicht
Ziel des Schutzschirmverfahrens ist es rechtzeitig in der Krise qualifiziert reagieren zu können mit Vollstreckungsschutz und unter Aufsicht.  Mit der Entscheidung über die Anordnung des Schutzschirmverfahrens bestimmt das Insolvenzgericht einen vorläufigen Sachwalter gemäß § 270 b Abs.2 Satz 1, 270a Abs.1 Satz 2 InsO. Er prüft vorrangig die wirtschaftliche Lage des Schuldners und muss die Geschäftsführung sowie die Ausgaben der Lebensführung des Schuldners überwachen, §§ 270 b Abs.2 Satz 1, 274 Abs.2 Satz 1 InsO.

1.3. Kein vorläufiger Insolvenzverwalter
Es wird im Schutzschirmverfahren keine vorläufige Insolvenzverwaltung angeordnet und kein unbekannter vorläufiger Insolvenzverwalter eingesetzt. Dies hat früher viele Geschäftsführer von einem rechtzeitigen Antrag abgehalten. Der Insolvenzschuldner kann eine Person seines Vertrauens als Sachwalter benennen. Von diesem Vorschlag darf das Gericht nur abweichen, wenn er aus Sicht des Gerichts offensichtlich ungeeignet ist, § 270 b Abs.2 Satz 2 InsO.

1.4. Keine Zerschlagung sondern Vorbereitung der Sanierung
Im Schutzschirmverfahren soll die Sanierung mittels Insolvenzplan vorbereitet werden.
Die Angst vieler Unternehmer vor der vorschnellen Zerschlagung ihres Unternehmens ist nicht mehr berechtigt. 

1.5. Rücknahme des Antrages jederzeit möglich
Das Gericht gibt dem Insolvenzschuldner die Gelegenheit seinen Insolvenzantrag zurückzuziehen, falls es die Bewilligung der vorläufigen Eigenverwaltung als nicht gegeben hält.

1.6. Einschränkung der Blockademöglichkeiten von Gläubigern
Gläubiger können die Durchführung des Schutzschirmverfahrens nur in Ausnahmefällen blockieren, § 270b Abs. 4 Nr. 3 InsO.

1.7. Begründung von Masseverbindlichkeiten
Der Schuldner hat die Befugnis Masseverbindlichkeiten zu begründen.
Das Insolvenzgericht hat gemäß § 270 b Abs.3 InsO auf Antrag des Schuldners diesem eine unbeschränkte Masseverbindlichkeits-Begründungskompetenz einzuräumen, vgl. Frind, ZInsO 2011, 2249 und Buchalik in ZInsO 9/2012 S. 349 ff. Beachte auch: BGH B. v. 7.2.2013.

Die Steuerzahlpflicht ist im Eröffnungsverfahren der Eigenverwaltung nach dem Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung suspendiert, weil die Massesicherungspflicht Vorrang hat, vgl.  Dr. jur. Kahlert in ZIP 43/2012 S. 2089 ff. Einige Experten empfehlen eine verbindliche Auskunft  gemäß 89 AO beim zuständigen Finanzamt einzuholen.    

1.8. Öffentlichkeitswirkung
Es besteht nach herrschender Auffassung in der Literatur keine Pflicht, das Schutzschirmverfahren öffentlich bekannt zu machen. Im Interesse eines erfolgreichen, schnellen Planverfahrens ist jedoch die offene Kommunikation mit den Gläubigern zwingend erforderlich. Auch mit anderen Verfahrensbeteiligten sollte offen kommuniziert werden.

2. Voraussetzungen und Dauer das Schutzschirmverfahrens
Der Schuldner muss mach § 270 b Abs.1 S.1 InsO einen Eröffnungsantrag wegen drohender Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung gestellt haben.
Soweit bereits Zahlungsunfähigkeit eingetreten ist, ist ein Schutzschirmverfahren unzulässig.

2.1. Es sind drei Anträge erforderlich
2.1.1. Eröffnungsantrag wegen drohender Zahlungsunfähigkeit
2.1.2. Antrag auf Eigenverwaltung
2.1.3. Antrag auf Bestimmung einer Frist zur Vorlage eines Insolvenzplanes

2.2. Bescheinigung
2.2.1. Anforderungen an die bescheinigende Person
Der Schuldner kann das Schutzschirmverfahren nur dann nutzen, wenn er dem Gericht zusammen mit dem Eröffnungsantrag eine Bescheinigung des Wirtschaftsprüfers oder eines anderen Sachverständigen vorlegt, aus dem hervorgeht, dass das Unternehmen überschuldet ist oder Zahlungsunfähigkeit droht, diese aber noch nicht eingetreten ist, und dass die Sanierung nicht offensichtlich aussichtslos ist.

2.2.2. Inhalt der Bescheinigung
Aus dem Gesetz geht nicht hervor, welche Anforderungen an die Bescheinigung zu stellen sind. Das IDW veröffentlichte als Hilfestellung für Wirtschaftsprüfer den Entwurf eines IDW Standards:
Die alte Rechtsprechung des BGH zum Sanierungsprivileg nach § 32 a Abs. 3 S.3 GmbHG a.F. (39 Abs.3 Satz 2 n.F,) ist nach herrschender Auffassung anwendbar.
Bescheinigung nach § 270b InsO (IDW S 9).
Mit dem Entwurf werden die Anforderungen an den mit der Bescheinigung Beauftragten an den Umfang der durchzuführenden Tätigkeiten sowie an den Inhalt der Bescheinigung erläutert.

2.3. Maximale Dauer des Schutzschirmverfahrens
Der Unternehmer kann bei drohender Zahlungsunfähigkeit oder bei Überschuldung maximal drei Monate unter einen Schutzschirm. Innerhalb dieser Frist ist der Insolvenzplan vorzulegen, § 270 b Abs.1 Satz 1 und 2 InsO. Soweit der Insolvenzplan fertiggestellt ist, wird in der Regel die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beantragt. Der Zeit wird oft bestimmt durch die abgedeckte Höchstfrist des Insolvenzgeldzeitraum.

3. Kontrolleure und Anordnung vorläufiger Maßnahmen
3.1. Kontrolle der Bescheinigung
Die Bescheinigung muss nach überwiegender Auffassung in der Literatur vom Insolvenzgericht sowohl formell als auch materiell geprüft werden.
3.2. Kontrolle des Insolvenzschuldners
Das Insolvenzgericht soll einen vom Schuldner vorgeschlagenen Rechtsanwalt als vorläufigen Sachwalter einsetzen. Der Schuldner behält die volle Verfügungsbefugnis über sein Vermögen.
Zur Kontrolle vgl. Ausführungen unter 1.2. 
3.3. Vorläufiger Gläubigerausschuss
Ein vorläufiger Gläubigerausschuss kann auch im Schutzschirmverfahren eingesetzt werden.
Hier macht er besonders Sinn. Es ist förderlich, dem Insolvenzgericht die Zusammensetzung des vorläufigen Gläubigerausschusses vorzuschlagen und mit diesem den vorläufigen Sachwalter abzustimmen.
3.4. Vorläufige Maßnahmen
Regelmäßíg wird mit dem Eröffnungsantrag auch ein Antrag auf Anordnung vorläufiger Sicherungsmaßnahmen gemäß § 270 b Abs. 2 Satz 3, 21 Abs.1 und 2 Satz 1 Nr. 1a, 3 bis 5 InsO gestellt. Dies kann das Gericht auch im Schutzschirmverfahren veranlassen, nur darf es keinen vorläufigen Insolvenzverwalter bestellen - weder einen starken, noch einen schwachen.

4.  Gesetzliche Regelung des Schutzschirmverfahrens
§ 270b Abs. 1 bis Abs. 3 E-InsO
(1) Hat der Schuldner den Eröffnungsantrag bei drohender Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung gestellt und die Eigenverwaltung beantragt und ist die angestrebte Sanierung nicht offensichtlich aussichtslos, so bestimmt das Insolvenzgericht auf Antrag des Schuldners eine Frist zur Vorlage eines Insolvenzplans. Die Frist darf höchstens drei Monate betragen.
Der Schuldner hat mit dem Antrag eine mit Gründen versehene Bescheinigung eines in Insolvenzsachen erfahrenen Steuerberaters, Wirtschaftsprüfers oder Rechtsanwalts oder einer Person mit vergleichbarer Qualifikation vorzulegen, aus der sich ergibt, dass drohende Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung, aber keine Zahlungsunfähigkeit vorliegt und die angestrebte Sanierung nicht offensichtlich aussichtslos ist.

5. Planinitiative und Planersteller
5.1. Kann Aussteller der Bescheinigung auch Planersteller sein?
Die Einleitung eines Schutzschirmverfahrens setzt eine Bescheinigung der drohenden Zahlungsunfähigkeit und der Sanierungsfähigkeit voraus.
Der Aussteller dieser Bescheinigung kann auch später als Insolvenzplanersteller tätig sein.
Dies ist nicht durch § 56 InsO blockiert.
5.2. Wer kann die Erstellung des Insolvenzplans im Schutzschirmverfahren initiieren?
Der Insolvenzschuldner
5.3. Wer trägt die Kosten der Planerstellung?
Nach § 275 Abs.1 InsO soll der Schuldner, Verbindlichkeiten, die nicht zum gewöhnlichen Geschäftsbetrieb gehören, nur mit Zustimmung des Sachwalters eingehen.
Die Erstellung des Insolvenzplans ist Kardinalspflicht des Insolvenzschuldners im eingeleiteten Restrukturierungsverfahren und gehört daher zum gewöhnlichen Geschäftsbetrieb im Sinne des § 275 Abs.1 InsO. Die Kosten für die Mandatierung eines Beraters zur Erstellung des Insolvenzplans dürfen daher der vorläufigen Insolvenzmasse in Rechnung gestellt werden.
Der vorläufiger Sachwalter darf dieser Maßnahme nur widerprechen, wenn die Kosten unangemessen hoch oder in der mit dem Antrag vorgelegten Liquidationsplanung nicht oder nicht in ausreichender Höhe angegeben sind. 
Die Sanierung mittels Insolvenzplan bedarf der Unterstützung ausgebildeter Spezialisten mit vielfältigen Kenntnissen und Fähigkeiten.

Ich stehe Ihnen in Schutzschirmverfahren gerne als Berater, Sachwalter, Co-Geschäftsführer oder Koordinator und Moderator zur Verfügung.

  • Kulzer Hermann
  • Rechtsanwalt (Studium: Uni Augsburg)
  • Fachanwalt für Insolvenzrecht (RWS Berlin)
  • Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht (Arber Dresden)
  • Master of Business Adminstration (EHS Dresden)
  • Wirtschaftsmediator (Dresden International University)
  • pkl Rechtsanwälte
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Verfasser: Hermann Kulzer MBA Fachanwalt für Insolvenzrecht, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht
 
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