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20.02.2013 Steuererstattungsansprüche in Insolvenzbeschlag
Information

Leitsatz des BFH vom 28. Feb. 2012
Nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens entstandene, aber bereits während seiner Dauer begründete Steuererstattungsansprüche des Insolvenzschuldners unterliegen weiterhin dem Insolvenzbeschlag, falls mit der Aufhebung des Insolvenzverfahrens ihre Nachtragsverteilung vorbehalten worden ist
Sachverhalt:

  • Eröffnung des Insolvenzverfahrens: Nov. 2003
  • Aufhebung des Insolvenzverfahrens: 31.Juli 2006 (die Nachtragsverteilung vor und während der Dauer des Insolvenzverfahrens begründeter Ansprüche auf Steuererstattungen blieb vorbehalten; Insolvenzgericht hat aber die Nachtragsverteilung während der Dauer des Insolvenzverfahrens begründeter Steuererstattungsansprüche nicht angeordnet)
  • Aus der Einkommenssteuerveranlagung 2006 ergaben sich Steuererstattungen, mit der die spätere Beklagte (Finanzamt) aufrechnete.
  • Die Klägerin (ehemalige Insolvenzverwalterin) beansprucht die Zugehörigkeit dieser Ansprüche zur Insolvenzmasse im Wege der Nachtragsverteilung und die Zahlung des entsprechenden Betrags an die Insolvenzmasse, weil sie --anders als das FA-- die Ansprüche nicht als im Wege der Aufrechnung erloschen ansieht.
  • Die Klägerin klagt auf Zahlung von 7/12 der Erstattungsansprüche für das Jahr 2006 und die Erteilung eines Abrechnungsbescheids. Sie war allerdings nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens nicht mehr am Steuerfestsetzungs- bzw. Steuererhebungsverfahren beteiligt.
  • Mit Urteil des Finanzgerichts wurde ein Anspruch des Klägers auf anteilige Erstattung der Einkommensteuer 2006 festgestellt. Das Finanzamt bekämpfte des Entscheidung mit der Revision mit folgenden Gründen:
    **mit der Aufhebung des Insolvenzverfahrens verliert der Insolvenzverwalter seine Rechtsstellung als Insolvenzverwalter der Insolvenzmasse.
    ** mit der Aufhebung des Insolvenzverfahrens erlangt der ehemalige Insolvenzschuldner wieder die Befugnis,  sein Vermögen zu verwalten und über es zu verfügen,
    ** ausgenommen sind nur Vermögensgegenstände/Forderungen für die das Insolvenzgericht eine Nachtragsverteilung angeordnet hat.
    **der in dem Beschluss des Insolvenzgerichts vom 31. Juli 2006 nur vorbehaltenen Nachtragsverteilung kommt nicht die Wirkung ihrer Anordnung zu.

Entscheidung des BFH:
Die Revision des FA wurde zurückgewiesen.
Die Klägerin hat einen Anspruch auf Erteilung eines die Steuererstattungsansprüche 2006 des Schuldners betreffenden Abrechnungsbescheids. 
Anders als das FA meint, ist die Klägerin auch nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens weiterhin am Steuererhebungsverfahren beteiligt, soweit die Zugehörigkeit nachträglich entstandener Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis zur Insolvenzmasse im Streit ist.
Das Finanzgericht  hat zu Recht entschieden, dass das Recht des Schuldners, über die Steuererstattungsansprüche 2006 zu verfügen, nicht mit der Aufhebung des Insolvenzverfahrens auf diesen übergegangen ist, sondern die Insolvenzbeschlagnahme insoweit fortbesteht.

  • Zur Insolvenzmasse, über die der Insolvenzschuldner gemäß § 80 der Insolvenzordnung (InsO) kein Verwaltungs- und Verfügungsrecht hat, gehört nach § 35 Abs. 1 InsO das gesamte Vermögen, das dem Schuldner zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gehört und das er während des Verfahrens erlangt.
  • Nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats sowie des Bundesgerichtshofs (BGH) kommt es hinsichtlich der Zugehörigkeit von Ansprüchen zur Insolvenzmasse nicht auf den Zeitpunkt der Vollrechtsentstehung an, sondern auf den Zeitpunkt, in dem nach insolvenzrechtlichen Grundsätzen der Rechtsgrund für den Anspruch gelegt worden ist. 
  • Ein Anspruch auf Erstattung von Einkommensteuerzahlungen gehört zur Insolvenzmasse, wenn der die Erstattungsforderung begründende Sachverhalt vor oder während des Insolvenzverfahrens verwirklicht worden ist (Senatsurteil vom 6. Februar 1996 VII R 116/94, BFHE 179, 547, BStBl II 1996, 557; Senatsbeschlüsse vom 7. Juni 2006 VII B 329/05, BFHE 212, 436, BStBl II 2006, 641, und vom 4. September 2008 VII B 239/07, BFH/NV 2009, 6; BGH-Beschluss vom 12. Januar 2006 IX ZB 239/04, Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 2006, 1127). 
  • Der Rechtsgrund für eine Erstattung von Einkommensteuer wird bereits mit der Leistung der entsprechenden Vorauszahlungen gelegt, denn bereits in diesem Zeitpunkt erlangt der Steuerpflichtige einen Anspruch auf Erstattung der Vorauszahlungen unter der aufschiebenden Bedingung, dass am Jahresende die geschuldete Einkommensteuer geringer ist als die Summe der Vorauszahlungen (Senatsurteil in BFHE 179, 547, BStBl II 1996, 557; Senatsbeschluss in BFHE 212, 436, BStBl II 2006, 641). Nach diesem insolvenzrechtlichen Grundsatz wurde der Rechtsgrund für die Erstattungs-ansprüche 2006 des Schuldners bereits während des Insolvenzverfahrens gelegt, soweit die Erstattungsansprüche auf vor Aufhebung des Insolvenzverfahrens geleisteten Vorauszahlungen --hier im Wege des Steuerabzugs vom Lohn-- beruhen. 
  • Werden erst nach der Aufhebung des Insolvenzverfahrens Ansprüche des Schuldners ermittelt, die vor oder während des Insolvenzverfahrens in insolvenzrechtlicher Hinsicht "begründet" wurden und somit zur Insolvenzmasse gehörten, können sie Gegenstand einer Nachtragsverteilung gemäß § 203 Abs. 1 Nr. 3 InsO sein. 
  • Wird die Nachtragsverteilung angeordnet, so besteht die Insolvenzbeschlagnahme i.S. des § 80 Abs. 1 InsO fort mit der Folge, dass insoweit die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis weiterhin beim (früheren) Insolvenzverwalter liegt. 
  • Dieselbe Rechtsfolge tritt ein, wenn im Schlusstermin die Nachtragsverteilung bestimmter Vermögensgegenstände vorbehalten wird. Nach allgemeiner im insolvenzrechtlichen Schrifttum vertretener Auffassung kann das Insolvenzgericht die Nachtragsverteilung bestimmter Gegenstände schon im Schlusstermin vorbehalten. In diesem Fall bedarf zwar die nachträgliche Verteilung dieser Gegenstände noch einer weiteren Anordnung des Insolvenzgerichts; gleichwohl besteht hinsichtlich dieser Vermögensgegenstände bereits durch den Vorbehalt ihrer Nachtragsverteilung der Insolvenzbeschlag unverändert fort (MünchKommInsO/Hintzen, 2. Aufl., § 203 Rz 19, 20, 22, 23; Meller-Hannich in Jäger, Insolvenzordnung, § 203 Rz 10, 11; Kießner in Braun, Insolvenzordnung, 4. Aufl., § 203 Rz 9; FK-InsO/Kießner, 6. Aufl., § 203 Rz 4, 14; Hess, Insolvenzrecht, Großkommentar, § 203 InsO Rz 26; Westphal in Nerlich/ Römermann, Insolvenzordnung, § 203 Rz 12; ebenso: BGH-Beschluss vom 26. Januar 2012 IX ZB 111/10 , Zeitschrift für Wirtschaftsrecht und Insolvenzpraxis --ZIP-- 2012, 437; sowie zur Konkursordnung: BGH-Urteil vom 22. Februar 1973 VI ZR 165/71, NJW 1973, 1198; zum Gesamtvollstreckungsverfahren: BGH-Beschluss vom 17. Februar 2011, IX ZB 268/08, Zeitschrift für das gesamte Insolvenzrecht 2011, 632, ZIP 2011, 625). 
  • Mit dem vom Insolvenzgericht im Zusammenhang mit der Aufhebung des Insolvenzverfahrens ausgesprochenen Vorbehalt der Nachtragsverteilung bestimmter Vermögensgegenstände der Insolvenzmasse, die zwar bereits bekannt sind, die aber noch nicht verwertet werden können, wird erreicht, dass der Insolvenzschuldner trotz der Verfahrensbeendigung die Verfügungs-befugnis über diese Gegenstände nicht wiedererlangt, wodurch die Befriedigung der Insolvenzgläubiger aus diesen Vermögensgegenständen gesichert wird. 
  • Es widerspräche diesem Sinn und Zweck einer vorbehaltenen Nachtragsverteilung, wenn man --wie das FA meint-- auch in diesem Fall den Insolvenzbeschlag von der Anordnung der Nachtragsverteilung durch das Insolvenzgericht abhängig machen wollte. 
  • Soweit der erkennende Senat mit Beschluss in BFH/NV 2009, 6, auf den das FA sich beruft, ausgeführt hat, nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens trete die erneute Insolvenzbeschlagnahme der Nachtragsverteilung unterliegender Forderungen erst mit dem Beschluss über die Anordnung der Nachtragsverteilung ein, lag diesem Beschluss ein Fall zugrunde, in welchem die Nachtragsverteilung nicht vorbehalten war. 
  • Soweit danach die während der Dauer des Insolvenzverfahrens begründeten Steuererstattungsansprüche 2006 des Schuldners weiterhin dem Insolvenzbeschlag unterliegen, gelten hinsichtlich der Frage, ob das FA gegen diese Ansprüche mit Insolvenzforderungen aufrechnen kann, die Aufrechnungsverbote des § 96 InsO. 
  • Die vom FA erklärte Aufrechnung gegen die Erstattungsansprüche 2006 ist daher gemäß § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO insoweit unzulässig, als diese Ansprüche während der Dauer des Insolvenzverfahrens begründet worden sind. Das FG ist bei seiner Entscheidung davon ausgegangen, die Steuererstattungsansprüche 2006 des Schuldners seien in Höhe von 7/12 durch Steuervorauszahlungen während der Dauer des Insolvenzverfahrens begründet worden. An diese Feststellung war der Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO gebunden, da zulässige und begründete Revisionsgründe insoweit nicht vorgebracht sind.

Stichworte und Probleme:
Fortdauernder Insolvenzbeschlag für Steuererstattungsansprüche bei vorbehaltener Nachtragsverteilung - Zugehörigkeit des Anspruchs auf Erstattung von Einkommensteuer zur Insolvenzmasse - Gegenstand des Abrechnungsbescheids - Beteiligung des Insolvenzverwalters nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens am Steuererhebungsverfahren
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Verfasser: Hermann Kulzer MBA Fachanwalt für Insolvenzrecht
 
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