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01.03.2013 Vermutung der Zahlungsunfähigkeit nach § 17 Abs.2 Satz 2 InsO
Information BGH, Urteil vom 15.3.2012 - IX ZR 239/09 durch vors Richter am BGH Prof. Dr. Kayser, Richter Vill, Richterin Lohmann und die Richter Dr. Fischer und Dr. Pape:

Der Insolvenzverwalter macht gegen das beklagte Land im Wege der Insolvenzanfechtung Rückgewähransprüche wegen Steuerzahlungen gemäß § 133 geltend.
1. Vermutung der Kenntnis vom Benachteiligungsvorsatz
Die Kenntnis vom Benachteiligungsvorsatz des Schuldners wird nach § 133 Abs.1 Satz 2 InsO vermutet wird, wenn der andere Teil wusste, dass die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners drohte und dass die Handlung die Gläubiger benachteiligte.
a) Vermutung der Zahlungsunfähigkeit
Die Zahlungsunfähigkeit wird gemäß § 17 Abs. 2 Satz 2 InsO vermutet, wenn der Schuldner seine Zahlungen eingestellt hat. Diese Vermutung gilt auch im Rahmen des § 133 Abs.1 Satz 2 InsO. Zahlungseinstellung ist dasjenige nach außen hervortretende Verhalten des Schuldners, in dem sich typischerweise ausdrückt, dass er nicht in der Lage ist, seine fälligen Zahlungsverpflichtungen zu erfüllen (BGH, Urteil vom 20. November 2001 - IX ZR 48/01).
Es muss sich mindestens für die beteiligten Verkehrskreise der berechtigte Eindruck aufdrängen, dass der Schuldner außerstande ist, seinen fälligen Zahlungsverpflichtungen zu genügen.
Die tatsächliche Nichtzahlung eines erheblichen Teils der fälligen Verbindlichkeiten reicht für eine Zahlungseinstellung aus.  Eine Darlegung und Feststellung der genannten Höhe der gegen den Schuldner bestehenden Verbindlichkeiten oder gar einer Unterdeckung von mindestens 10 v. H. bedarf es nicht (BGH, Urteil vom 30. Juni 2011, Rn. 13).
Prüfschritt 1:
Das Gericht muss feststellen, ob die Gemeinschuldnerin bei der angefochtenen Rechtshandlung ihre Zahlungen bereits eingestellt hat
Folge 1
: Eine eingetretene Zahlungseinstellung kann nur wieder beseitigt werden, indem der Schuldner alle Zahlungen wieder aufnimmt. Dies hat derjenige zu beweisen, der sich darauf beruft (BGH, Urteil vom 21. Juni 2007, Rn. 32 .
Prüfschritt 2:
Einstellung muss dauerhaft gewesen sein.
Folge 2: Liegt eine fortdauernde Zahlungseinstellung vor, begründet dies die gesetzliche Vermutung der Zahlungsunfähigkeit. Dies muss vom Beklagten widerlegt werden (BGH, Urteil vom 12. Oktober 2006 - IX ZR 228/03, ZIP 2006, 2222 Rdz. 12 und BGH vom 21.06.2007 Rdz. 27.)
b) Gläubigerbenachteiligung
Der Beklagte muss von der Existenz anderer Gläubiger gewusst haben.
Dann weiss der Beklagte auch von der Gläubigerbenachteiligung (vgl. BGH, Urteil vom 27. Mai 2003 - IX ZR 169/02; HK-InsO/Kreft, 6. Aufl., § 133 Rn. 22). 

2. Widerlegung der Vermutung durch den Beklagten
a) Die Vermutung des § 133 Abs.1 Satz 2 InsO bewirkt eine Umkehr der Beweislast.
Ist der Vermutungstatbestand des § 133 Abs.1 Satz 2 InsO gegeben, obliegt dem Anfechtungsgegner der Gegenbeweis.
Dieser hat sich auf die Vermutungsfolge zu beziehen, also die Kenntnis des Anfechtungsgegners vom Benachteiligungsvorsatz des Schuldners im Zeitpunkt der Vornahme der angefochtenen Rechtshandlung. Der Anfechtungsgegner muss deshalb darlegen und beweisen, dass entweder die Gemeinschuldnerin nicht mit Benachteiligungsvorsatz handelte oder dass er, der Anfechtungsgegner, nichts von dem Anfechtungsvorsatz wusste.
Ist der Schuldner zum Zeitpunkt der Vornahme der Rechtshandlung zahlungsunfähig, handelt er nur dann nicht mit dem Vorsatz, die Gesamtheit der Gläubiger zu benachteiligen, wenn er aufgrund konkreter Umstände mit einer baldigen Überwindung der Krise rechnen kann (BGH, Urteil vom 24. Mai 2007, Rn. 8).
b) Der Kenntnis der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit steht im Rahmen des § 133 Abs. 1 InsO die Kenntnis von Umständen gleich, die zwingend auf die drohende oder bereits eingetretene Zahlungsunfähigkeit schließen lassen (BGH, Urteil vom 8. Oktober 2009  - IX ZR 173/07 in ZIP 2009, 2253 Rdnr. 10.
c) Liegt eine Zahlungseinstellung vor, wird gemäß § 17 Abs. 2 Satz 2 InsO gesetzlich vermutet, dass nicht lediglich Zahlungsunwilligkeit, sondern Zahlungsunfähigkeit vorliegt.
Die Zahlungsunfähigkeit kann vom Prozessgegner widerlegt werden z.B. durch Einholung eines Sachverständigengutachtens oder durch Vernehmung von Zeugen, dass eine Liquiditätsbilanz im maßgebenden Zeitraum für den Schuldner eine Deckungslücke von weniger als 10 v. H. auswies (BGH, Urteil vom 24. Mai 2005 - IX ZR 123/04, BGHZ 163, 134, 144 ff; vom 30. Juni 2011, Rn. 20). Prüfschritt 3
Diesen Beweis muss der Beklagte antreten. Wenn dieser Beweis angetreten wird, muss er vom Gericht erhoben werden.
d) Eigene Erklärungen
Eigene Erklärungen des Schuldners, fällige Verbindlichkeiten nicht begleichen zu können, deuten auf eine Zahlungseinstellung hin, auch wenn sie mit einer Stundungsbitte versehen sind (BGH, Urteil vom 12. Oktober 2006 - IX ZR 228/03, ZIP 2006, 2222 Rdnr. 15).
(Bemerkung: Im entschiedenen Fall wurden mehrfache derartige Erklärungen gegenüber dem Finanzamt abgegeben).

Auszug aus der Entscheidung (BGH, Urteil vom 12. 10. 2006 - IX ZR 228/03; OLG Hamburg):
Zahlungseinstellung ist dasjenige äußere Verhalten des Schuldners, in dem sich typischerweise eine Zahlungsunfähigkeit ausdrückt. Es muss sich also mindestens für die beteiligten Verkehrskreise der berechtigte Eindruck aufdrängen, dass der Schuldner nicht in der Lage ist, seine fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen ( BGH, Urt. v. 9. Januar 2003 - IX ZR 175/02; HK-InsO/Kirchhof, aaO § 17 Rn. 25).
Eigene Erklärungen des Schuldners, eine fällige Verbindlichkeit nicht begleichen zu können, deuten auf eine Zahlungseinstellung hin, auch wenn sie mit einer Stundungsbitte versehen sind (vgl. BGH, Urt. v. 4. Oktober 2001 - IX ZR 81/99, ZIP 2001, 2097, 2098; HK-InsO/Kirchhof, aaO § 17 Rn. 30).  Eine solche Erklärung kommt in den Schreiben der Schuldnerin vom 12. April 2000 an die Sozialversicherungsträger zum Ausdruck. In den Schreiben ist zwar ausgeführt, dass die Schuldnerin auf Zahlungseingänge warte. Es wird aber auch klar zum Ausdruck gebracht, dass die Eingänge jedenfalls nicht bis zur Fälligkeit der Sozialversicherungsbeiträge am 15. April 2000 zu erwarten seien, eine Zahlung bei Fälligkeit also keinesfalls erfolgen könne, sondern nur drei monatliche Raten jeweils zum Monatsende angeboten werden könnten. Die Schuldnerin war demzufolge gerade nicht in der Lage, ihren Verpflichtungen zur Zahlung der Sozialversicherungsbeiträge binnen drei Wochen nachzukommen.

Das Urteil hatte daher keinen Bestand und war aufzuheben.
Das Gericht wird zu prüfen haben, ob dem Beklagten mit den von ihm angebotenen Beweismitteln der Gegenbeweis zu der gesetzlichen Vermutung des § 133  Abs. 1 Satz 2 InsO gelingt. Sofern dies nicht der Fall ist, sind die übrigen Anfechtungsvoraussetzungen zu prüfen.



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Verfasser: Hermann Kulzer MBA Fachanwalt für Insolvenzrecht, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht
 
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