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28.12.2018 Insolvenzanfechtung
Information

1. Insolvenzanfechtungstatbestände / An­fech­tungs­grün­de
Es gibt vier grundsätzlich unterschiedliche Anfechtungstatbestände, die innerhalb eines Insolvenzverfahrens geltend gemacht werden können:

  • Rechtshandlungen im Zeitpunkt der Krise, §§ 130, 131 In­sO
  • vor­sätz­li­che Benachteiligungen, § 133 In­sO
  • unentgeltliche Rechtshandlungen, § 134 In­sO
  • Minderung von Gesellschaftskapital, § 135 In­sO

Als allgemeine Insolvenzanfechtungsgründe gelten §§ 130, 134 InsO, da diese gleichlautend auch nach dem Anfechtungsgesetz - also außerhalb eines Insolvenzverfahrens - angefochten werden können. Die anderen Insolvenzanfechtungsgründe sind insolvenzspezifisch, können also nur innerhalb eines Insolvenzverfahrens geltend ge­macht werden.

2. Ziele der In­sol­ven­zan­fech­tung

  • Massemehrung
  • alten Zustand wieder herstellen, vor der Handlung
  • Masseschmälerung rückgängig machen
  • Befriedigungsvorteile einzelner Gläubiger rückgängig machen
  • gleichmäßige Befriedigung aller Gläubiger (par condicio creditorum)

3. Entstehung und Inhalt des An­fech­tungs­an­spruches

  • Entstehung mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens
  • Insolvenzverwalter ficht an "oder" klagt
  • Anspruch auf Rückgewähr des vom Schuldner weggegebenen Vermögensgegenstandes

4. In­sol­ven­zan­fech­tungs­vo­raus­set­zun­gen
4.1. Allgemeine Vo­raus­set­zun­gen

  • Rechts­hand­lun­gen
  • Wil­lens­er­klä­run­gen
  • Rechtsgeschäftliche Hand­lun­gen
  • Realakte (Verbindung, Vermischung, Verarbeitung)
  • Pro­zess­hand­lun­gen
  • Unterlassung einer Irrtumsanfechtung gemäß § 142 BGB
  • Nicht­un­ter­bre­chung der Ver­jäh­rung
  • Unterlassen des Widerspruchs gegen Mahnbescheid oder VB
  • Unterlassene Einwendungen oder Einreden
  • Objektive Gläu­bi­ger­be­nach­tei­li­gung
    (Befriedigung der Gläubiger wird beeinträchtigt, d.h. vermindert, vereitelt, erschwert oder verzögert. Die Befriedigungsaussichten wären ohne die Rechtshandlung besser ge­we­sen - Ab­gren­zung: z.B. Leistung aus dem unpfändbaren Vermögen)

4.2. Besondere Voraussetzungen in §§ 130-135 In­sO

  • Anfechtung kongruenter Rechtshandlungen, § 130
  • Anfechtung inkongruenter Rechtshandlungen, § 131
  • unmittelbar nachteilige Rechtshandlungen, § 132
  • unentgeltliche Leis­tun­gen, § 134
  • Verträge mit nahestehenden Per­so­nen
  • Vorsatzanfechtung, § 133

Die besonderen Anfechtungsvoraussetzungen unterscheiden sich je nach Art der Rechtshandlung und der zeitlichen Distanz zum Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Voraussetzung für die Anfechtung ist das Vorhandensein einer Zahlungsfähigkeit oder drohenden Zahlungsunfähigkeit des Schuld­ners bzw. Ri­si­ko ei­ner Zah­lungss­tö­rung (bei § 133 In­sO).
Zah­lungs­un­fä­hig ist gemäß § 17 InsO, wer nicht in der Lage ist seine fälligen Verbindlichkeiten zu erfüllen. Dies ist in der Regel anzunehmen, wenn der Schuldner seine Zahlungen eingestellt hat.
Die Zahlungseinstellung ist das nach außen dokumentierte Verhalten des Schuldners, dass er wegen eines voraussichtlich dauernden Mangels an Zahlungsmitteln seine fälligen und ernsthaft eingeforderten  Verbindlichkeiten nicht mehr erfüllen kann (BGH, Ur­teil vom 17.02.2004 - IX ZR 318/01).

  • Liquiditätslücke größer 10%:
    Grun­dsatz: Zahlungsunfähigkeit (BGH, Urteil vom 24.05.2005 - IX ZR 123/04).
    Ausnahme: Die Lücke lässt sich in absehbarer Zeit schließen und das Warten ist für die Gläubiger nicht unzumutbar.
  • Li­qui­di­täts­lü­cke unter 10
    Grund­satz: Keine Zah­lungs­un­fä­hig­keit.
    Ausnahme: Die Vergrößerung der Lücke ist ab­seh­bar.
    Liquiditätslücken bis zu 3 Wochen
    : kei­ne Zah­lungs­un­fä­hig­keit, son­dern Zah­lungs­sto­ckung

4.2.1. Kongruente und inkongruente Deckung, §§ 130-132 In­sO
Wenn der Gläubiger einen Anspruch gerade auf die vom Schuldner erfolgte Leistung (Sicherung oder Befriedigung) hatte, liegt eine kongruente, bei Verneinung eine inkongruente Rechtshandlung vor.
Kongruente Deckung § 130

  • Ver­trags­ge­mä­ße Leis­tung
  • Kennt­nis des Gläu­bigers von der Zah­lungs­un­fä­hig­keit, § 130 Abs. 1 oder
  • Kennt­nis von Umständen, die zwingend auf Zahlungsunfähigkeit schlie­ßen lassen, § 130 Abs. 2, Kenntnis auch bei grober Fahrlässigkeit
  • Be­weis­last: In­sol­venz­verwalter
  • Aus­nah­me von Beweislast: Leistung an nahe stehende Person (§ 130, Abs. 3 i.V.m. § 138);       Kenntnis wird vermutet. Die nahestehende Person muss ihre Unkenntnis be­wei­sen
  • re­le­van­ter Zeitraum: ab drei Monate vor Insolvenzantrag oder nach An­tragss­tel­lung
  • Aus­nah­me von der Anfechtbarkeit: Bar­ge­schäft gemäß § 142 InsO (un­mit­tel­ba­rer - also en­ger – zeitlicher Zusammenhang; Parteivereinbarung; Gleichwertigkeit; keine vorsätzliche Be­nach­tei­li­gung. Beispiel: Barkauf im Laden oder Barzahlung Vergütung an Steuerberater oder Rechtsanwalt).

Inkongruente Deckung, § 131 (Anfechtung weitreichender als bei § 130)

  • Rechts­hand­lung
  • Rechts­hand­lung gewährt oder ermöglich einem Insolvenzgläubiger Sicherung oder Be­frie­di­gung
  • Der Gläubiger konnte die Sicherung oder Befriedigung nicht beanspruchen
  • nicht der Art nach oder nicht zu der Zeit
  • re­le­van­ter Zeitraum: ab drei Monate vor Antrag und nach An­tragss­tel­lung

Vo­raus­set­zun­gen:

  • Nr. 1: wenn Handlung innerhalb des letzten Monats vor Insolvenzantrag: Kei­ne.
  • Nr. 2: wenn die Handlung innerhalb des 2. und 3. Monats vor dem Antrag vorgenommen wurde: objektive Zahlungsunfähgkeit oder
  • Nr. 3: wenn die Handlung innerhalb des 2.oder 3. Monats vor Antrag vorgenommen wurde und dem Gläubiger bekannt war, dass die Handlung die Gläubiger be­nach­tei­ligt.

·    Be­weis­er­leich­te­rung für den Insolvenzverwalter Abs. 2;
     Verwalter muss keine Kenntnis des Gläubigers von bestimmten
     Umständen be­wei­sen.
·    Aus­nah­me von Anfechtbarkeit: Bargeschäft, § 142 In­sO

Die angreifbaren Rechtshandlungen erfolgen zu ei­ner Zeit, als es schon Vorboten der Insolvenz gab: Zahlungsunfähigkeit oder ein Insolvenzantrag.

Beispiele für inkongruente Leistungen
:
Nachbesicherung, Rückführung Kontokorrent für Fälligkeit, Vollstreckungsmaßnahmen, Zahlung vor Fälligkeit, nicht vertragsgemäße Leistung: Erfüllung verjährter Forderungen; Zahlungen infolge eines angedrohten oder gestellten Insolvenzantrages - Druckzahlungen (vgl. BGH, Urteil vom 25.10.2012 - IX ZR 117/11; Urteil vom 18.12.2003 - IX ZR 199/02).

4.2.2. Schenkungsanfechtung oder unentgeltliche Leistung § 134 In­sO
·    Angefochtene Rechtshandlung: Vereinbarung einer unentgeltlichen Leistungen jeglicher Art 

·    Anfechtungszeitraum: 4 Jahre vor Insolvenzantrag

·    Ausnahmen von Anfechtbarkeit: Gelegenheitsgeschenke von geringen Wert

Die angefochtene Zuwendung wurde unentgeltlich erbracht, wenn der Leistung nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts keine Gegenleistung gegenüber steht, dem Verfügenden also keine dem von ihm aufgegebenen Vermögenswert entsprechende Gegenleistung zufließen soll.

4.2.3. Vor­sat­zan­fech­tung / Vorsätzliche Benachteiligung § 133 InsO / Auf­bau

·    Rechtshandlung: Handlung Schuldner § 129 InsO
·    Gläubigerbenachteiligung (mittelbar genügt)
·    relevanter An­fech­tungs­zei­traum:
     in­ner­­halb der letzten 10 Jahre vor Antrag, § 139
·    subjektiver Tatbestand Schuld­ner:
     Vor­satz der Gläubigerbenachteiligung, d.h. bedingter Vorsatz
     (billigend in Kauf nehmen oder für möglich halten),
     beim Schuldner aber keine Absicht erforderlich
·    subjektiver Tatbestand des Anfechtungsgegners:
     po­si­ti­ve Kenntnis vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz
·    Be­weis­last: trägt Insolvenzverwalter für objektive und subjektive
     Merkmale aber Beweiserleichterung nach § 133 Abs. 1 S. 2 InsO
     bei Inkongruenz oder Kenntnis der drohenden Zahlungsunfähigkeit.
     Es wird vermutet, dass der andere Teil den Gläubiger-
     benachteiligungsvorsatz kannte, wenn dieser eine drohende
     Zahlungsunfähigkeit des Schuldners kannte und wusste,
     dass die Gläubiger durch die Rechtshandlung benachteiligt wer­den.
·    Sonderregelung für nahestehende Personen:
     Beweiserleichterung in § 133 Abs. 2 In­sO

Eine Vorsatzanfechtung liegt vor, wenn der Schuldner mit dem Vorsatz handelte, seine übrigen Gläubiger zu benachteiligen. Dem Schuldner muss es auf die Bevorzugung des einen oder die Benachteiligung der anderen Gläubiger ankommen.
Zudem muss der Anfechtungsgegner vom Vorsatz des Schuldners positive Kenntnis haben. Im Gegensatz zur Deckungsanfechtung setzt die Anfechtung einer mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz vorgenommenen Rechtshandlung des Schuldners nicht die Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung voraus. Das ernsthafte Risiko einer bevorstehenden Zahlungsstörung ist ausreichend. Zahlt der Schuldner in der Kenntnis, nicht sämtliche Gläubiger befriedigen zu können, liegt eine Bevorzugung des jeweiligen Gläubigers und damit der Vorsatz des Schuldners vor. Bei Vorliegen einer inkongruenten Rechtshandlung des Schuldners liegt ein wesentliches Beweisanzeichen für den Vorsatz des Schuldners vor. Indizien für den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners lassen sich vom Schuldner nur dann entkräften, wenn der Schuldner auf Grund konkreter Umstände mit alsbaldiger Überwindung der Krise rechnen kann; BGH, Ur­teil vom 22.11.2012 - IX ZR 62/10, WM 2013, 88.
Im Banken-Prolongations-Fall des Bundesgerichtshofs vom 22.11.2012 (IX ZR 62/10) wusste die Bank bei der Prolongierung des Darlehns um (lediglich) drei Monate, dass der Schuldner aus eigenen Mitteln den Kredit nicht zurückführen kann. Der Schuldner war auf eine Umschuldung angewiesen. Die Bank hatte daher Kenntnis von der drohenden Zahlungsunfähigkeit und von der Gläubigerbenachteiligung.
Die Teilrückzahlung war daher anfechtbar gemäß § 133 InsO.
Die nach § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO begründete rechtliche Vermutung, kann nur durch vollen Gegenbeweis beseitigt wer­den; BGH, Ur­teil vom 22.11.2012 - IX ZR 62/10.
Dies glückt sehr selten.

4.2.4. Kapitalerhaltende Anfechtung, §§ 135-136 In­sO
Gemäß § 135 InsO kann eine Rechtshandlung, die für die Forderung eines Gesellschafters auf Rückgewähr eines Darlehens eine Sicherung oder Befriedigung gewährt hat, angefochten werden.

5. Nachweis der Zahlungsunfähigkeit und Beseitigung der Zah­lungs­ein­stel­lung
5.1. Nachweis der Zahlungsunfähigkeit oder Zah­lungs­ein­stel­lung
Mit Urteil des BGH vom 29.03.2012 - IX ZR 40/10 bestätigte der BGH für den Bereich der Insolvenzanfechtung den einfachen Weg des Insolvenzverwalters, das Vorliegen von Zahlungsunfähigkeit bzw. einer Zahlungseinstellung anhand von zum fraglichen Zeitpunkt bereits fälligen, bis zur Insolvenzeröffnung nicht ausgeglichenen Forderungen nachzuweisen, wie sie sich üblicherweise leicht aus der Insolvenztabelle ersehen lassen.
Die Voraussetzungen der Zahlungseinstellung gelten nach den Grundsätzen der Beweisvereitelung als bewiesen, wenn der Geschäftsführer einer GmbH, der wegen Insolvenzverschleppung in Anspruch genommen wird, seine Pflicht zur Führung und Aufbewahrung von Büchern und Belegen verletzt hat und dem Gläubiger deshalt die Darlegung näherer Einzelheiten nicht möglich ist; BGH, Ur­teil vom 24.01.20112 - II ZR 119/10, ZIP 2012, 723.
Der BGH hatte am 12.10.2006 entschieden, dass zur Feststellung der Zahlungsunfähigkeit eine Liquiditätsbilanz nur dann notwendig sei, wenn eine Prognose erforderlich sei, wie etwa im Rahmen der Prüfung, ob ein Insolvenzantrag zu stellen sei. Ansonsten und somit insbesondere auch im Bereich der Insolvenzanfechtung könne die Zahlungsunfähigkeit auch einfacher festgestellt werden. Hätten zum fraglichen Zeitpunkt fällige Verbindlichkeiten bestanden, die bis zur Verfahrenseröffnung nicht beglichen worden seien, sei regelmäßig von Zahlungsunfähigkeit zu diesem Zeitpunkt auszugehen.
Die Entscheidung aus 2012 erhält Insolvenzverwaltern den relativ einfachen Weg, die Zahlungsunfähigkeit auch ohne Erstellung aufwendiger Liquiditätsbilanzen zu belegen. Ob die Folgerung von bis zur Insolvenzeröffnung nicht ausgeglichenen Forderungen auf Zahlungsunfähigkeit ab dem Zeitpunkt der Fälligkeit der jeweiligen Forderung auch dann zulässig ist, wenn es sich um ganz geringfügige Forderungen handelte, ist allerdings offen.

5.2. Beseitigung der Zah­lungs­ein­stel­lung
Um die Zahlungseinstellung zu widerlegen, müssen die Zahlungen im Allgemeinen wieder aufgenommen sein, d.h. es müssen Zahlungen an alle Gläubiger erfolgen. Die Beweislast trägt derjenige, der die Beseitigung behauptet. Es liegt keine Wiederherstellung der Zahlungsunfähigkeit vor, wenn dem Schuldner durch die Befriedigung der gegenwärtigen Gläubiger die Mittel zur Begleichung alsbald fälliger Verbindlichkeiten feh­len; BGH, Ur­teil vom 06.12.2012 - IX ZR 3/12, WM 2013, 180, Rn. 33.

6. Nahestehende Personen, § 138 In­sO

-    Ju­ris­ti­sche Per­so­nen
·    Mit­glie­der des Vertretungs- oder Auf­sichts­or­gans
·    Per­so­nen mit vergleichbarer Stellung (auch dienstvertraglich)
·    Ehe­gat­ten von Personen zu Mitgliedern des Vertretungs-
     oder Auf­sichts­or­gans
·    Schwes­ter­ge­sell­schaf­ten (streitig)

-    na­tür­li­che Per­so­nen
·    Ehe­gat­ten
·    Ver­wand­te
Für nahestehende Personen werden die Anfechtungsvorschriften verschärft - d.h. es gibt Ver­mu­tun­gen, z.B. Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit oder eine Umkehr der Be­weis­last, z.B. betreffend die Kenntnis vom Benachteiligungsvorsatz. Der freiberufliche Buchhalter einer juristischen Person gilt dann als nahestehend, wenn er durch die Tätigkeit innerhalb des Schuldnerunternehmens besondere Informationsmöglichkeiten über dessen wirtschaftliche Verhältnisse be­sitzt; BGH, Ur­teil vom 15.11.2012 - IX ZR 205/11, WM 2012, 2343.

Sonderregelungen bei Anfechtungen mit nahestehenden Personen

·    § 130 Abs. 3 In­sO:
    Vermutung der Kenntnis von Zahlungsunfähgkeit oder Er­öff­nungs­an­trag
·    § 131 Abs. 2 S. 2 In­sO:
    Vermutung der Kenntnis der Gläubigerbenachteiligung
·    § 133 Abs. 2 In­sO:
    Bei Verträgen, die die Gläubiger unmittelbar benachteiligt haben:
    Um­kehr der Beweislast betreffende Kenntnis vom
    Benachteiligungsvorsatz des Schuld­ners.

7. Anfechtung im Drei­ecks­ver­hält­nis
Die Insolvenzanfechtung kommt auch bei Einschaltung Dritter - also im Dreiecksverhältnis - in Betracht. Hier ist die Anfechtung gegenüber dem Leis­tungs­emp­fän­ger, als auch gegenüber der Mittelsperson mög­lich, vgl. BGH, Urteil vom 29.11.2007 - IX ZR 121/06.

8. Anfechtungszeiträume und Verjährung der An­fech­tungs­an­sprü­che
Die Anfechtungszeiträume betragen von einem Monat über drei Monaten, 2 Jahren, 4 Jahren, bis zu 10 Jahre vor dem Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens. Der Anspruch verjährt gemäß § 146 Abs. 1 InsO, § 195 BGB in drei Jahren. Die Frist beginnt gemäß § 199 Abs. 1 BGB zum Ende des Jah­res, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von dem den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt hat. Der Anspruch entsteht frühestens mit Verfahrenseröffnung.

9. Abtretbarkeit von An­fech­tungs­an­sprü­chen
Der aus Insolvenzanfechtung folgende Rückgewährsanspruch kann abgetreten werden, vgl. BGH, Urteil vom 17.02.2011 - IX ZR 91/10, ZIP 23/2011, S. 1114 ff. Eine Abtretung, die dem Insolvenzzweck offensichtlich zuwider läuft, ist nichtig: Streiten sich zwei Insolvenzverwalter, zu welcher Masse ein Insolvenzanfechtungsanspruch gehört, ist eine Abtretung gegen Erlösbeteiligung wirk­sam; BGH, Ur­teil vom 10.01.2013 - IX ZR 172/11, WM 2013, 471.

10. Auszug der Recht­spre­chung
10.1. Gläu­bi­ger­be­nach­tei­li­gung

·    Zahlung einer Ge­sell­schaf­ter­schuld / Anweisung auf Kre­dit:
     Keine Gläu­bi­ger­be­nach­tei­li­gung; BGH, Ur­teil vom 21.06.2012 - IX ZR 59/11
·    Echter und unechter Kon­to­kor­rent:
     Insolvenzanfechtung ist beschränkt auf Rückzahlung des höchsten
     im Anfechtungszeitraum gewährten Kre­dits;
     BGH, Ur­teil vom 07.03.2013 - IX ZR 7/12.

10.2. Kongruente und inkongruente De­ckung
Anfechtung einer Glo­bal­zes­si­on; BGH, Ur­teil vom 29.11.2007 - IX ZR 30/07

Glo­bal­zes­sions­ver­trä­ge sind auch hinsichtlich der zukünftig entstehenden Forderungen grundsätzlich nur als kongruente Deckung anfechtbar. Das Werthaltigmachen zukünftiger Forderungen aus Globalzessionen ist als selbständige Rechtshandlung anfechtbar, wenn es dem Vertragschluss zeitlich nachfolgt; insoweit handelt es sich ebenfalls um eine kongruente Deckung, wenn dies für das Entstehen der Forderung zu­trifft.

Werhaltigmachen einer For­de­rung; BGH, Urteil vom 26.06.2008 - IX ZR 144/05
Macht die künftige Insolvenzschuldnerin die global an ihre Bank abgetretenen (künftigen) Forderungen gegen ihre Auftraggeber dadurch werthaltig, dass sie die geschuldeten Arbeitsleistungen durch ihre Arbeitnehmer erbringen lässt, ist die Werthaltigmachung der abgetretenen Forderungen als kongruente Deckung an­fecht­bar.

Verrechnung im Kon­to­kor­rent; BGH, Urteil vom 11.10.2007 - IX ZR 195/04
Verrechnungen im Kontokorrent zur Erfüllung eigener Ansprüche der Bank sind nicht als Bardeckung unanfechtbar. Ein Kredit zur Ablösung von Verbindlichkeiten des Schuldners, für welche die Bank sich verbürgt hat, stellt keine gleichwertige Gegenleistung für die Verrechnung von Zahlungseingängen dar, wenn und soweit die Bank endgültig von ihrer Bürgschaftsverbindlichkeit frei geworden ist.

Verrechnung der Bank mit Zah­lungs­ein­gän­gen; BGH, Urteil vom 11.2.2010 - IX ZR 42/08
Verrechnet eine Bank für den Kunden eingehende Zahlungen mit ihrem noch nicht fälligen Anspruch auf Darlehensrückzahlung, ist die dadurch erlangte Befriedigung nicht inkongruent, wenn die Verrechnung mit dem Kunden vereinbart war.

Zahlung von SV- Beiträgen durch Drit­ten; BGH, Urteil vom 09.01.2003 - IX ZR 85/02
Vereinbart der Schuldner mit einem Dritten dieser solle die geschuldete Zahlung an den Sozialversicherungsträger des Schuldners zur Tilgung einer fälligen Beitragsforderung vornehmen, bewirkt die Zahlung in der Regel eine inkongruente Deckung.

Zahlung wegen Zwangs­voll­stre­ckiung; BGH, Urteil vom 11.04.2002 - IX ZR 211/01
Eine Leistung, die der Schuldner dem Gläubiger auf eine fällige Forderung zur Vermeidung einer unmittelbar bevorstehenden Zwangsvollstreckung gewährt hat, stellt eine inkongruente Deckung dar.

Leistung zur Abwendung der Zwangs­voll­stre­ckung; BGH, Urteil vom 13.05.2003 - IX ZR 194/02
Die Leistung zur Abwendung der Zwangsvollstreckung ist eine inkongruente Deckung, wenn der Schuldner zur Zeit seiner Leistung damit rechnen muß, dass oh­ne sie der Gläubiger nach dem kurz bevorstehenden Ablauf einer letzten Zahlungsfrist mit der ohne weiteres zulässigen Zwangsvollstreckung beginnt.

Leistung zur Abwendung der Zwangs­voll­stre­ckung; BGH, Urteil vom 20.01.2011 - IX ZR 8/10
Die Leistung zur Abwendung der Zwangsvollstreckung kann auch dann als inkongruente Deckung anfechtbar sein, wenn der Gläubiger unter Ankündigung der Zwangsvollstreckung zur umgehenden Leistung auffordert, ohne eine letzte konkrete Frist zu setzen.

Leistung wegen In­sol­venz­an­trag; BGH, Urteil vom 18.12.2003 - IX ZR 199/02
Leistet der Schuldner zur Abwendung eines angekündigten Insolvenzantrags, den der Gläubiger zur Durchsetzung seiner Forderung angedroht hat, bewirkt dies eine inkongruente Deckung.

10.3. Vorsatzanfechtung / Gläu­bi­ger­be­nach­tei­li­gungs­vor­satz

Angst vor Insolvenzantrag; BGH, Urteil vom 27.05.2003 - IX ZR 169/02
Ei­nem Schuldner, der weiß, dass er nicht alle seine Gläubiger befriedigen kann, und der Forderungen eines einzelnen Gläubigers vorwiegend deshalb erfüllt, um diesen von der Stellung eines Insolvenzantrages abzuhalten, kommt es nicht in erster Linie auf die Erfüllung seiner gesetzlichen oder vertraglichen Pflichten, sondern auf die Bevorzugung dieses einzelnen Gläubigers an; damit nimmt er die Benachteiligung der Gläubiger im allgemeinen in Kauf. Gewährt der Schuldner dem Gläubiger auf eine fällige Forderung eine Leistung früher als drei Monate vor dem Eröffnungsantrag, so stellt sie sich nicht bereits deshalb als inkongruente Deckung dar, weil sie zur Vermeidung einer unmittelbar bevorstehenden Zwangsvollstreckung erfolgt.

Befriedigung einzelner Gläubiger; BGH, Urteil vom 17.07.2003 - IX ZR 272/02
Der Gläubigerbenachteiligungsvorsatz nach § 133 Abs. 1 InsO setzt kein unlauteres Zusammenwirken von Schuldner und Gläubiger voraus. Ein Schuldner, der in Kenntnis seiner Zahlungsunfähigkeit im Allgemeinen noch einzelne Gläubiger befriedigt, rechnet zwangsläufig mit der dadurch eintretenden Benachteiligung der anderen Gläubiger, für die damit weniger übrig bleibt.

Widerlegung der Ver­mu­tung; BGH, Urteil vom 24.05.2007 - IX ZR 97/06
Zur Widerlegung der Vermutung des § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO muss der Anfechtungsgegner konkrete Umstände darlegen und beweisen, die es naheliegend erscheinen lassen, dass ihm der Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners nicht bekannt war.

Kenntnis der Bank von weiteren Gläu­bi­gern; BGH, Urteil vom 20.12.2007 - IX ZR 93/06
Nimmt eine Bank Ratenzahlungen des Schuldners entgegen, die sie mit diesem in einem Stillhalteabkommen vereinbart hat, so ist zu vermuten, dass sie die Absicht des Schuldners kennt, die Gläubiger zu benachteiligen, wenn sie weiß, dass der Schuldner noch weitere Gläubiger hat, die erfolglos zu vollstrecken versucht haben, und die Raten auch nur unregelmäßig gezahlt werden.

Zeitpunkt des Be­nach­tei­li­gungs­vor­sat­zes; BGH, Urteil vom 10.1.2008 - IX ZR 33/07
Han­delt der Schuldner im Zeitpunkt der Eingehung einer Verpflichtung mit Benachteiligungsvorsatz, so stellt dies regelmäßig ein wesentliches Beweisanzeichen dafür dar, dass der Vorsatz auch im Zeitpunkt der Erfüllung noch besteht. Der Benachteiligungsvorsatz des Schuldners muss sich nicht auf den Umstand beziehen, aus dem die Gläubigerbenachteiligung folgt.

Einstellung eines Strafverfahrens gegen Auf­la­ge; BGH, Urteil vom 06.06.2008 - IX ZR 17/07
Die Einstellung eines Strafverfahrens darf nicht von der Zahlung einer Geldauflage an die Staatskasse abhängig gemacht werden, wenn der Angeschuldigte durch die Erfüllung der Auflage seine Gläubiger benachteiligt.

Die vom Schuldner an die Staatskasse geleisteten Zahlungen können vom Insolvenzverwalter zurückverlangt werden, wenn der Schuldner die hierdurch bewirkte Benachteiligung seiner Gläubiger billigend in Kauf genommen hat, um durch Erfüllung einer entsprechenden Auflage die Einstellung eines gegen ihn laufenden Strafverfahrens zu erreichen, während die Staatsanwaltschaft wusste, dass die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners zumindest drohte und die geleisteten Zahlungen seine Gläubiger be­nach­tei­lig­ten.

Kenntnis des Gläu­bi­gers; BGH, Urteil vom 20.11.2008 - IX ZR 188/07
Weiß der Gläubiger, dass der Schuldner nicht in der Lage ist oder voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, die bestehenden Zahlungspflichten im Zeitpunkt der Fälligkeit im wesentlichen zu erfüllen, so weiß er in der Regel auch, dass dessen Rechtshandlung die Gläubiger benachteiligt.

Indiz für Kennt­nis bei Be­las­tung Haus; BGH, Urteil vom 18.12.2008 - IX ZR 79/07
Hat der Käufer für ein mit einer Zwangshypothek belastetes Betriebsgrundstück auch unter Berücksichtigung der Übernahme dieser dinglichen Belastung eine nicht annähernd dem Verkehrswert entsprechende Zahlung zu erbringen und räumt er hinsichtlich der Differenz zwischen seiner Zahlungspflicht und dem Verkehrswert dem Verkäufer ein entgeltliches, auf den dem Verkehrswert entsprechenden Kaufpreis angerechnetes Nutzungsrecht höchstpersönlicher, unübertragbarer Art ein, kann die einen dringenden Liquiditätsbedarf des Verkäufers nahe liegende, zu Lasten seiner Gläubiger wirkende Vertragsgestaltung ein Indiz für eine Kenntnis des Käufers sowohl von der drohenden Zahlungsunfähigkeit des Verkäufers und als auch der Gläubigerbenachteiligung bilden.

Unerlaubte Hand­lung; BGH, Urteil vom 18.03.2010 - IX ZR 57/09
Das Beweisanzeichen der Inkongruenz ist gegeben, wenn der Schuldner nach Vornahme einer unerlaubten Handlung dem Gläubiger für die dadurch begründete Schadensersatzforderung eine Sicherung gewährt.

11. Zwei Spe­zi­al­fäl­le
11.1. Die Haftung des Steuerberaters bei der gescheiterten Sa­nie­rung

Der Gesellschafter und der Geschäftsführer können in den Schutzbereich eines zwischen der GmbH und einem Steuerberater geschlossenen Vertrages einbezogen sein, welcher die Prüfung einer möglchen Insolvenzreife der GmbH zum Gegenstand hat, vgl. BGH, Ur­teil vom 14.06.2012 - IX ZR 145/11, ZIP 2012, 1353.
Das steuerberatende Dau­er­man­dat von einer GmbH begründet bei üblichem Zuschnitt keine Pflicht, die Mandantin bei einer Unterdeckung in der Handelsbilanz auf die Pflicht ihres Geschäftsführers hinzuweisen, eine Über­prü­fung in Auftrag zu geben, ob eine Insolvenzreife be­steht, vgl. BGH, Ur­teil vom 07.03.2013 - IX ZR 64/12, ZIP 2013, 829.
Erklärt der lediglich mit der Erstellung der Steuerbilanz betraute Steuerberater, dass eine insolvenzrechtliche Überschuldung nicht vorliege, haftet der Gesellschaft wegen der Folgen der dadurch bedingten verspäteten In­sol­ven­zan­trags­tel­lung, vgl. BGH, Ur­teil vom 06.06.2013 - IX ZR 204/12, ZIP 2013, 1332.

11.2. Gesellschafter stellt private Sicherheit und haf­tet
Die Gesellschaftersicherheit muss - entgegen der internen Vereinbarung - vor der Gesellschaftssicherheit verwertet werden.

Der Verzicht auf die persönliche Sicherheit kommt wirtschaftlich einer Rückzahlung des Darlehens gleich und ist nach § 135 Abs. 1 Nr. 2 an­fech­tbar; OLG Schles­wig vom 13.02.2012 GmbHR 2012, 1130.

Ausblick
Verbände ( z.B. Bundesverband der Deutschen Industrie, Zentralverband des Deutschen Handwerks), Parteien und Rechtsexperten fordern ausufernde Anfechungsmöglikchkeiten einzudämmen, um gerade mittelständische Unternehmen besser zu schützen, vgl z,B. Beitrag in Frankfurter Allgemeine Zeitung vo,m 02.11.2013 S. 12.
Sie haben im schlimmsten Fall das Risiko 10 Jahre nach Erhalt der Zahlung, diese zurückzahlen zu müssen. Die CDU/CSU und die SPD prüfen gesetzliche Möglichkeiten Rückzahlungsrisiken einzuschränken. Dies bleibt abzuwarten. Aktuell ist das Anfechtungsrisiko nur durch eine Vorsorge - wie oben beschrieben -  beschränkbar.

Für Rückfragen zur  Optimierung des Forderungsmanagements stehe ich gerne zur Verfügung.
Wir vertreten mehrere große Firmen im Rahmen des Forderungmanagements. 


Hermann Kulzer MBA
Fachanwalt für In­sol­venz­recht
Fachanwalt für Handels- und Ge­sell­schafts­recht
Wirt­schafts­me­dia­tor (DIU Dresden International University)

Kontakt: kulzer@pkl.com

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Verfasser: Hermann Kulzer MBA, Fachanwalt für Insolvenzrecht, Fachanwalt für Handels- und Gesellschafftsrecht
 
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