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22.04.2015 Wird die Verschiebung von Vermögen mit der Reform des Insolvenzanfechtungsrechts leichter?
Information

Die Insolvenzanfechtung ruiniert den Mittelstand, behaupten bestimmte Interessenvertreter und fordern Korrekturen des Anfechtungsrechts.
Dem treten Kritiker einer Reform entgehen mit Schlagzeilen: "Verschiebung von Vermögen wird leichter",vgl. Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 22.04.2015 S. 16.

1. Anfechtungsrecht in der Kritik vieler Betriebe
In der Kritik vieler kleiner und mittlerer Betriebe, großer Wirtschafts- und Handelsverbände und der Creditreform steht die weitgehende Auslegung und Anwendung des Insolvenzanfechtungsrechs- insbesondere die Reichweite der Vorsatzanfechtung.
Die Anwendung des Vorsatzanfechtung führe in der Praxis oft zu unbilligen Ergebnissen, die für die beteiligten Unternehmen untragbar und unkalkulierbar seien.
Auf der anderen Seite wird das Insolvenzanfechtungsrecht verteidigt, es müsse Masse eingetrieben und alle Gläubiger müssten gleich behandelt und befriedigt werden.

Im Koalitionsvertrag zwischen CDU/CSU/ SPD ist festgehalten, dass die Vorsatzanfechtung
"auf den Prüfstand gestellt" werde. Der Justizminister versprach, dass das Anfechtungsrecht in seiner konkreten gesetzlichen Ausgestaltung und in seiner praktischen Anwendung einen angemessenen Ausgleich zwischen den Interessen der Betroffenen leisten muss, vgl. Interview in  INDAT-Report vom 3. April 2014 S. 13.
Zwischenzeitlich liegt ein Referentenentwurf des Justizministeriums vor mit dem Titel:
Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Rechtssicherheit bei Anfechtungen,vgl. FAZ vom 18.03.2015.

2. Verschiebung von Vermögen: Wird es nach der Reform leichter?
Der Fall Middelhoff im nachfolgend im Kurzcheck vor und nach der geplanten Reform des Insolvenzrechts.
Der Ex-Manager Thomas Middelhoff hat im Jahr 2011 sein gesamtes Immobilienvermögen in eine Gesellschaft eingebracht, bei der neben seiner Ehefrau und den Kindern er Minderheitsgesellschafter ist.
Im Jahr 2015 hat Middelhoff einen Insolvenzantrag gestellt.
Aus Sicht des Herr Middelhoff sollte das Vermögen vor einer Zerschlagung bewahrt werden.
Aus Sicht der Gläubiger liegt mutmaßlich eine Vermögensverschiebung vor.
Der Insolvenzverwalter muss prüfen, ob diese Verfügung anfechtbar ist oder nicht.

2.1. Alte (bisherige) Rechtslage
§ 133 Abs.1 Insolvenzordnung regelt die Vorsatzanfechtung.
Diese soll es dem Insolvenzverwalter ermöglichen, für die Gläubiger benachteiligende Vermögenstransaktionen rückgängig zu machen.

2.2. Geplante Rechtslage nach der Reform des Anfechtungsrechts
Die Vorsatzanfechtung soll reformiert und entschärft werden.
Der Verjährungszeitraum in § 133 Abs.2 InsO soll von 10 auf 4 Jahre reduziert werden.
Mit der ergänzenden Umschreibung "unangemessen" soll in § 133 Abs.1 InsO dort, wo bisher eine Benachteiligung der Gläubiger als Voraussetzung gilt, in Zukunft eine unangemessene Benachteiligung geben.
Im Gesetzesentwurf werden Beispiele angegeben, Bankrotthandlungen und Vermögensverschiebungen würden sich keine Veränderungen und Erleichterungen ergeben, weil hier eine "Unangemessenheit auf der Hand läge".
Ob eine solche Formulierung eine eindeutige Abgrenzbarkeit ermöglicht, wird sich zeigen.

Wäre die Einbringung der Immobilien des Herrn Middelhoff in die Immobiliengesellschaft nach der geplanten Reform nicht anfechtbar?

Die Übertragung ist nach geltendem Recht anfechtbar und wird auch künftig anfechtbar sein, wenn die Immobilien verschenkt oder unter Wert in die Gesellschaft abgegeben wurde.

3. Geschäftsbeziehung in der Schieflage eines Unternehmens

  • Je näher der zeitliche Abstand der angefochtenen Rechtshandlung zu dem Insolvenzantrag
  • je mehr der Schuldner mit seiner Handlung eine Gläubigerbenachteiligung gewollt oder in Kauf genommen hat
  • je größer das Wissen des Leistungsempfängers von der finanziellen Krise der späteren insolventen Gesellschaft,
um so weniger schutzwürdig ist der Leistungsempfänger und um so einfacher ist die Anfechtung.

4. Rückzahlungsrisiko wegen Insolvenzanfechtung

Wenn der Kunde irgendwann einmal in der Insolvenz gerät, beginnt das Zittern.
Im schlimmsten Fall können Zahlungen nach aktueller Gesetzeslage (2015) bis 10 Jahre zurück vom Insolvenzverwalter angefochten werden, um die Gleichbehandlung der Gläubiger wiederherzustellen.

Beispiel 1: Ratenzahlungsvereinbarung des Schuldners mit dem Gerichtsvollzieher
Der Schuldner leistet Teilzahlungen an den Gerichtsvollzieher nach einer fruchlosen Zwangsvollstreckung. Der Schuldner gerät zwei Jahre später in die Insolvenz.
Der Insolvenzverwalter kann mit Erfolg die geleisteten Ratenzahlungen zurückfordern.
Grund: Teilzahlungen des Schuldners, die dieser nach fruchtloser Zwangsvollstreckung im Rahmen einer vom Gerichtsvollzieher herbeigeführten Ratenzahlungsvereinbarung erbringt, sind wegen vorsätzlicher Gläubigerbenachteiligung anfechtbar (BGH Urteil vom 10.12.2009, IX ZR 128/08)
Beispiel 2: Ratenzahlung nach Androhung der Zwangsvollstreckung
Der Schuldner schließt mit dem Gläubiger eine Ratenzahlungsvereinbarung nachdem er ihm Zwangsmaßnahmen androht. Der Schuldner gerät später in die Insolvenz.
Der Insolvenzverwalter kann Rechtshandlungen im Vorfeld einer erst angedrohten Vollstreckung anfechten, vgl. BGH Urteil vom 19.02.2009 IX ZR 22/07.
Beispiel 3: Vorgerichtliche Ratenzahlungsvereinbarung
Freiwillige Zahlungen des Schuldners im Angesicht der Zwangsvollstreckung sind inkongruent und damit vereinfacht anfechtbar, vgl. BGH Entscheidung vom 08.10.2009 IX ZR 173/07 und BGH ZInsO 03/1506.

5. Allgemeines zur Insolvenzanfechtung
5.1. Ziel des Insolvenzverfahrens

Ziel des Insolvenzverfahrens ist die gleichmäßige geordnete bestmögliche Befriedigung der Gläubiger, mit der sogenannten Quote.
5.2. Zahlungen an Gläubiger im Vorfeld der Krise
Haben Gläuibger im Vorfeld der Insolvenz etwas erhalten, kann dies der Insolvenzverwalter unter bestimmten Voraussetzungen anfechten und zurückforden.
5.3. Bösgläubigkeit
Die Anfechtung soll bei Bösgläubigkeit des Begünstigten greifen, das heisst, wenn er von der Zahlungsunföhigkeit des/der Schuldners/ Schuldnerin Bescheid wusste.
5.4. Fristen für die Anfechtung
Der Gesetzgeber hat die Fristen für eine Anfechtung eingeschrönkt im Interesse einer Planungssicherheit im Geschäftsverkehr. So sind bestimmte Handlungen nur im Zeitraum bis zu drei Monate vor dem Insolvenzantrag anfechtbar (z.B. §130 InsO).
5.5. Vorsatzanfechtung zehn Jahre
Der Insolvenzverwalter kann jedoch über die Vorsatzanfechtung gemäss § 133 InsO bis zu zehn Jahre vor dem Insolvenzantrag Rechtshandlungen anfechten, wenn der Schuldner wusste und in Kauf nahm, dass sie die übrigen Gläubiger benachteiligen würden und wenn der Empfänger diesen Vorsatz kannte. Erleichterungsbeispiele für den Insolvenzverwalter:

  • Es genügt schon bedingter Vorsatz beim Gläuibigerbenachteiligungsvorsatz des Schulderns (billigendes Inkaufnehmen)
  • Gläubigerbenachteiligungsvorsatz wird vermutet, wenn Schuldner seine drohende Zahlungsunfähigkeit kannte, es sei denn, dass er auf Grund konkreter Umstände mit einer baldigen Überwindung der Krise rechnen kann, vgl. Huber in Graf Schlicker § 133 Rdnr. 12.
  • Wenn ein (späterer) Insolvenzschuldner dem anderen Teil eine inkongruente Deckung gewährt, gilt es als starkes Beweisanzeichen  für den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz und die Kenntnis des Anfechtungsgegners, BGH ZIP 1998, 793, 800.

5.6. Anfechtungsrisiko über lange Zeit
Jede Zahlung in der Krise eröffnet ein Anfechtungsrisiko, den sie mindert die spätere Masse und damit die Quote der Gläubiger.
5.7. Unlauterkeit in der alten Konkursordnung
Das alte Konkursrecht sah eine Vorsatzanfechtung nur bei Unlauterkeit vor:"unlautere Schuldentilgung".
5.8. Ausdehnung der Anfechtungsfälle
Der Bundesgerichtshof hat ab dem Jahr 2003 entschieden, dass keinesfall nicht nur die unlautere Schuldentilgung nach §133 InsO anfechtbar sei.
5.9. Erleichterungen der Nachweispflichten
Durch die Rechtsprechung des BGH wurde darüber hinaus die Nachweispflicht des Insolvenzverwalters durch ein "ganzes Geflecht von Beweisanzeichen erleichtert", Ulrich Foerste in Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 8.1.2014 S.19.
5.10. Hauptkritik der Anfechtungsgegner

  • Abkoppelung der Vorsatzanfechtung von der Unlauterkeit und das
  • Ausufern der Beweiserleichterungen für den Insolvenzverwalter

Der Beitrag "Risiko Forderungsausfall" unter Aktuelles bietet einige Tipps, die natürlich auch im Rahmen eines Vortrags oder eines Workshops genauer dargestellt und erläutert werden können.

6. Lösungsvorschläge für eine Änderung der Vorsatzanfechtung
6.1. Durch den ehemaligen Vorsitzenden Richter am Bundesgerichtshof, Dr. Hand Gerhard Ganter

  • § 133 Abs.1 S. 2 InsO soll so verändert werden, dass nicht schon das Wissen um die drohende Zahlungsunfähigkeit des Schuldners schadet, sondern nur die Kenntnis ihres tatsächlichen Eintritts

oder

  • man beschränkt die bisherige Vorsatzanfechtung auf Fälle inkongruenter Deckung und lässt ein kongruente Deckung nur dann anfechtbar sein, wenn der Schuldner diesbezüglich mit der Absicht gehandelt hat, seine Gläubiger zu benachteiligen, vgl. InDAT- Report vom 3. April 2014 S. 23.

6.2. Andere Vorschläge

  • Verkürzung der Anfechtungsfrist für eine Vorsatzanfechtung von !0 Jahren auf 3-5 Jahre.
  • Streichung von § 133 Abs.1 S. 2 InsO
Fazit:
Eine Änderung der Vorsatzanfechtung (§ 133 InsO) ist zu erwarten.
Die Lobby und der Druck auf Beschränkung der Vorsatzanfechtung sind groß.
Auch nach Änderung der Vorsatzanfechtung bestehen Anfechtungsrisiken.
Das Beste ist es, sich richtig zu verhalten, wenn der Geschäftspartner in einer Krise ist. Hilfreich ist eine professionelle Beratung und Betreuung durch einen  Fachanwalt für Insolvenzrecht. Bei Konflikten um die Insolvenzanfechtung kann ein Schieds- oder Mediationsverfahren wertvolle Hilfe leisten, teilweise jahrelange Prozesse zu vermeiden und eine einvernehmliche Lösung zu finden.

Ich
  • berate Sie gerne oder
  • verbesser ihr Forderungsmanagement oder 
  • leiste Hilfestellung bei der Lösung ihres Anfechtungskonfliktes.

Kulzer Hermann MBA (Dresden)
Fachanwalt für Insolvenzrecht
Wirtschaftsmediator (Uni.)

 
 


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Verfasser: Hermann Kulzer, MBA Fachanwalt für Insolvenzrecht, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht 0351 8110233, kulzer@pkl.com
 
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