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14.03.2015 Insolvenzanfechtung und Feststellung des Benachteiligungsvorsatzes bei § 133 InsO
Information

Der Bundesgerichtshof hat sich im Urteil vom 8. Januar 2015 – IX ZR 203/12
mit der Feststellung der Zahlungseinstellung und der Kenntnis des Benachteiligungsvorsatzes auf der Grundlage von Indizien beschäftigt.
Nach § 133 Abs.1 S.1 InsO ist eine Rechtshandlung anfechtbar, welche der Schuldner in den letzten zehn Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mit dem Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen, vorgenommen hat, wenn der andere Teil zur Zeit der Handlung den Vorsatz des Schuldners kannte. Der Benachteiligungsvorsatz ist gegeben, wenn der Schuldner bei Vornahme der Rechtshandlung die Benachteiligung der Gläubiger im Allgemeinen als Erfolg seiner Rechtshandlung gewollt oder als mutmaßliche Folge – sei es auch als unvermeidliche Nebenfolge eines an sich erstrebten anderen Vorteils – erkannt und gebilligt hat.
Ein Schuldner, der seine Zahlungsunfähigkeit kennt, handelt in aller Regel mit Benachteiligungsvorsatz.
Dessen Vorliegen ist auch schon dann zu vermuten, wenn der Schuldner seine drohende Zahlungsunfähigkeit kennt.
Da für den anderen Teil die Kenntnis vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners vermutet wird, wenn er wusste, dass dessen Zahlungsunfähigkeit drohte, können für den Vorsatz des Schuldners selbst keine strengeren Anforderungen gelten.

Die Zahlungsunfähigkeit beurteilt sich im gesamten Insolvenzrecht und darum auch im Rahmen des Insolvenzanfechtungsrechts nach § 17 InsO.
Zur Feststellung der Zahlungsunfähigkeit kann eine Liquiditätsbilanz aufgestellt werden.
Dabei sind die im maßgeblichen Zeitpunkt verfügbaren und innerhalb von drei Wochen flüssig zu machenden Mittel in Beziehung zu setzen zu den am selben Stichtag fälligen und eingeforderten Verbindlichkeiten.
Im Insolvenzanfechtungsprozess ist die Aufstellung einer Liquiditätsbilanz oftmals nicht erforderlich, weil im eröffneten Verfahren auch auf andere Weise festgestellt werden kann, ob der Schuldner einen wesentlichen Teil seiner fälligen Verbindlichkeiten nicht bezahlen konnte.

Hat der Schuldner seine Zahlungen eingestellt, begründet auch dies die gesetzliche Vermutung der Zahlungsunfähigkeit.

Zahlungseinstellung ist dasjenige nach außen hervortretende Verhalten des Schuldners, in dem sich typischerweise ausdrückt, dass er nicht in der Lage ist, seine fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen..
Es muss sich mindestens für die beteiligten Verkehrskreise der berechtigte Eindruck aufdrängen, dass der Schuldner außerstande ist, seinen fälligen Zahlungsverpflichtungen zu genügen.
Die tatsächliche Nichtzahlung eines erheblichen Teils der fälligen Verbindlichkeiten reicht für eine Zahlungseinstellung aus. Haben im fraglichen Zeitpunkt fällige Verbindlichkeiten erheblichen Umfangs bestanden, die bis zur Verfahrenseröffnung nicht mehr beglichen worden sind, ist regelmäßig von einer Zahlungseinstellung auszugehen.

Eine Zahlungseinstellung kann aus einem einzelnen, aber auch aus einer Gesamtschau mehrerer darauf hindeutender, in der Rechtsprechung entwickelter Beweisanzeichen gefolgert werden. Sind derartige Indizien vorhanden, bedarf es einer darüber hinaus gehenden Darlegung und Feststellung der genauen Höhe der gegen den Schuldner bestehenden Verbindlichkeiten oder einer Unterdeckung von mindestens zehn vom Hundert nicht..

Nach diesen Maßstäben rechtfertigen im vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall die vom Insolvenzverwalter vorgetragenen Beweisanzeichen die Annahme einer Zahlungseinstellung des Schuldners. Insoweit hat in der Vorinstanz das Oberlandesgericht Celle den Prozessstoff nicht ausgeschöpft und eine rechtsfehlerfreie Gesamtwürdigung der einzelnen Indizien versäumt.

Das Oberlandesgericht Celle nimmt eine nur eingeschränkte Würdigung vor, indem es die maßgeblichen Indizien nicht in einen Gesamtzusammenhang stellt, sondern jeweils nur einzeln für sich betrachtet. So stellt es hinsichtlich der zu Beginn des für die Feststellung der Zahlungsunfähigkeit maßgeblichen Zeitraums offenen Verbindlichkeiten lediglich in Rechnung, dass die Weihnachtsgeldansprüche von drei Arbeitnehmern für das Jahr 2006 offengeblieben; und vom Schuldner bis zur Verfahrenseröffnung nicht ausgeglichen worden sind.
Dabei übergeht es den schon in der Klageschrift und in der Berufungserwiderung gehaltenen Vortrag des Insolvenzverwalters, dass der Schuldner sämtlichen Arbeitnehmern das Weihnachtsgeld für 2006 bis zur Insolvenzeröffnung schuldig geblieben ist.
Entgegen dem Grundsatz, dass regelmäßig von Zahlungseinstellung auszugehen ist, wenn im fraglichen Zeitpunkt fällige Verbindlichkeiten bestanden, die bis zur Verfahrenseröffnung nicht mehr beglichen worden sind, stellt es nicht fest, ob tatsächlich die Ansprüche aller Arbeitnehmer offengeblieben sind und welchen Umfang diese hatten, sondern begnügt sich mit dem Hinweis, dass drei – vom Insolvenzverwalter nur beispielhaft benannte – Arbeitnehmer ihr Weihnachtsgeld nicht erhalten hätten, was nicht ausreiche, um im Verhältnis zum sonstigen Zahlungsverkehr des Schuldners zu einer Zahlungseinstellung zu kommen.

Die gebotene Gesamtwürdigung lässt unberücksichtigt, dass es sich bei den Weihnachtsgeldzahlungen für das Jahr 2006 um Forderungen der Arbeitnehmer handelt, deren schleppende Zahlung auch im Fall der erzwungenen “Stundung” durch den Arbeitgeber Anzeichen für eine Zahlungseinstellung ist.

Nicht mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu vereinbaren ist die Auffassung des Oberlandesgerichts Celle, eine eigenständige Indizwirkung komme dem Schreiben des Schuldners an seine Belegschaft vom 04.07.2007 nicht zu.
Wenn der Schuldner in diesem Schreiben unter Hinweis auf das Schreiben des Steuerberaters vom 18.06.2007 mitteilt, die Zahlung des Weihnachgeldes 2006 sei – auch nur in Teilbeträgen – weiterhin unmöglich und auch sonst lasse die finanzielle Situation die Erbringung von irgendwelchen Zusatzleistungen nicht zu, räumt er damit seinen Angestellten gegenüber ein, seine Verbindlichkeiten – auch nach Ablauf von mehr als einem halben Jahr nach Fälligkeit – nicht vollständig erfüllen zu können. Die Auffassung des Oberlandesgerichts Celle, in dem Schreiben werde nur bestätigt, was der Beklagte ohnehin nicht bestritten habe, verkennt, dass nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eigene Erklärungen des Schuldners, fällige Verbindlichkeiten nicht begleichen zu können, auf eine Zahlungseinstellung hindeuten und damit ein wesentliches Indiz in der gebotenen Gesamtwürdigung darstellen.
Aus dem Schreiben ergibt sich in Verbindung mit dem beigefügten Schreiben des Steuerberaters zudem, dass sich die angespannte finanzielle Situation des Schuldners seit dem Jahresende 2006 weiter verschärft hat und die Verluste und damit auch das Unvermögen, längst fällige Verbindlichkeiten zu bedienen, noch größer geworden ist.

Unverständlich ist in diesem Zusammenhang die Auffassung des Oberlandesgerichts Celle, die den Arbeitnehmern überlassene vorformulierte Erklärung, trotz eingehender Information über die eventuell drohende Insolvenz und den damit drohenden Verlust aller Arbeitsplätze mit einer Minderung des monatlichen Gehalts nicht einverstanden zu sein, komme keine indizielle Bedeutung zu.
Wird mit einer derartigen Erklärung, die nach dem Vortrag des Insolvenzverwalters vom Beklagten stammen soll, Druck auf die Arbeitnehmer ausgeübt, um diese zu Lohnverzichten zu bewegen, muss hierin ein erhebliches Indiz für eine drohende Insolvenz, auf die im Übrigen in dem Schriftstück auch ausdrücklich hingewiesen wird, gesehen werden.

Keine Bedeutung im Blick auf die Indizien für eine Zahlungseinstellung misst das Oberlandesgericht Celle schließlich auch der Zahlung des Beklagten im Januar 2008 in Höhe von 4.080 € bei, mit welcher er dem Schuldner beigesprungen ist, um die zwangsweise Beitreibung titulierter Forderungen eines ausgeschiedenen Arbeitnehmers abzuwenden. Wenn das Oberlandesgericht Celle hierzu im Rahmen seiner Hilfsbegründung zur fehlenden Kenntnis des Beklagten vom Benachteiligungsvorsatz des Schuldners erneut ausführt, es handele sich um einen im Vergleich zu den sonstigen Verbindlichkeiten des Schuldners, unerheblichen Betrag, übersieht es, dass auch diese Finanzhilfe schon bei der Gesamtwürdigung zur Zahlungseinstellung hätte berücksichtigt werden müssen.
Gegen den Schuldner betriebene Vollstreckungsverfahren legen die Schlussfolgerung der Zahlungseinstellung nahe.
Auch diese Zahlung trägt deshalb zu dem Gesamtbild eines am Rande des finanzwirtschaftlichen Abgrunds operierenden Schuldners bei, dem es auf Dauer nicht gelingt, bestehende Liquiditätslücken zu schließen, sondern der nur noch darum bemüht ist, trotz fehlender Mittel den Anschein eines funktionstüchtigen Geschäftsbetriebs aufrechtzuerhalten.

Soweit das Oberlandesgericht Celle ausführt, es fehle auch daran, dass der Beklagte von einem Benachteiligungsvorsatz des Schuldners Kenntnis gehabt habe, kann dies die Abweisung der Klage nicht rechtfertigen. Die Ausführungen beruhen auf einem gehörswidrigen Übergehen von Vortrag des Insolvenzverwalters und der unterlassenen Durchführung einer Beweisaufnahme zu der Behauptung, der Beklagte habe das Schreibens vom 04.07.2007 und die vorformulierte Erklärung der Arbeitnehmer verfasst.
Die subjektiven Tatbestandsmerkmale der Vorsatzanfechtung können – weil es sich um innere, dem Beweis nur eingeschränkt zugängliche Tatsachen handelt – meist nur mittelbar aus objektiven Tatsachen hergeleitet werden. Soweit dabei Rechtsbegriffe wie die Zahlungsunfähigkeit betroffen sind, muss deren Kenntnis außerdem oft aus der Kenntnis von Anknüpfungstatsachen erschlossen werden. Der Kenntnis von der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit steht auch im Rahmen des § 133 Abs.1 InsO die Kenntnis von Umständen gleich, die zwingend auf eine drohende oder bereits eingetretene Zahlungsunfähigkeit hinweisen. Es genügt daher, dass der Anfechtungsgegner die tatsächlichen Umstände kennt, aus denen bei zutreffender rechtlicher Bewertung die (drohende) Zahlungsunfähigkeit zweifelsfrei folgt. Bewertet der Gläubiger das ihm vollständig bekannte Tatsachenbild falsch, kann er sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass er diesen Schluss nicht gezogen hat.
Die Feststellung der subjektiven Voraussetzungen der Anfechtung obliegt dabei in erster Linie dem Tatrichter. Erforderlich ist auch im Blick auf die Kenntnis der aufgrund der Zahlungseinstellung vermuteten Zahlungsunfähigkeit eine Gesamtwürdigung sämtlicher Umstände, sofern aus ihnen ein zwingender Schluss auf die Kenntnis folgt.

Diesen Grundsätzen genügt die Entscheidung des Oberlandesgerichts Celle, das nur einzelne Umstände herausgreift und keine Gesamtwürdigung vornimmt, ebenfalls nicht.
Das Oberlandesgericht Celle hätte sämtliche für den Beklagten erkennbaren Umstände in einem Gesamtzusammenhang stellen und würdigen müssen.

Der ausgewiesene Bilanzgewinn zum Jahresende 2005 wird in der Entscheidung für ausschlaggebend im Hinblick auf die fehlende Kenntnis der Zahlungseinstellung gehalten. Dies sagt aber nichts über die vorhandene Liquidität aus. Um diese aufrechtzuerhalten, mussten die Sozien im Jahre 2004 schon Einlagen in Höhe von insgesamt 71.905, 09 € und im Jahre 2005 in Höhe von insgesamt 41.500 € leisten. Zudem war die angespannte finanzielle Situation des Schuldners dem Beklagten schon aufgrund der fehlenden Erfüllbarkeit seines Anspruchs auf Ausgleich seines Kapitalkontos zum Jahresende 2005, der zum Abschluss des Darlehensvertrags vom 09.03.2006 führte, bekannt. Auszahlen konnte der Schuldner den dem Beklagten bei seinem Ausscheiden aus der Sozietät zustehenden Kapitalanteil nicht.

Das Oberlandesgericht Celle erkennt zwar, dass bei Durchsetzung des dem Beklagten zustehenden Ausgleichsanspruchs schon zum Jahresende 2005 eine Unterdeckung in Höhe von 4.775, 74 € entstanden wäre, hält dies aber wegen der Erfüllung der – allerdings durch Teilverzicht und Reduzierung für 2007 – herabgesetzten Ansprüche des Insolvenzverwalters für unerheblich. Die sonstige finanzielle Situation, zu der es im Zusammenhang mit der Prüfung einer drohenden Zahlungsunfähigkeit anhand einer Finanzplanung festgestellt hat, dass eine (drohende) Zahlungsunfähigkeit schon 2004 und 2005 nur durch Einlagen der Gesellschafter und den Verzicht auf Entnahmen aus dem Kapitalkonto abgewendet werden konnte, lässt es unberücksichtigt. Die weiteren Beweisanzeichen für einen finanziellen Zusammenbruch werden ebenfalls nicht in einen Gesamtzusammenhang gestellt.

Das Oberlandesgericht Celle blendet aus, dass der Schuldner nach dem Vorbringen des Insolvenzverwalters letztlich zu keinem Zeitpunkt in der Lage gewesen ist, das Weihnachtsgeld für das Jahr 2006 trotz der Liquiditätshilfen des Beklagten, dem diese Schwierigkeiten spätestens seit Oktober 2006 bekannt waren, auszugleichen.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs muss der Gläubiger, der es mit einem unternehmerisch tätigen Schuldner zu tun hat und der weiß, dass der Schuldner nicht in der Lage ist, seine fälligen Verbindlichkeiten zu befriedigen, damit rechnen, dass auch gegenüber anderen Gläubigern Verbindlichkeiten (wobei künftige Verbindlichkeiten ebenfalls in Betracht kommen) entstehen, die er nicht bedienen kann.

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Verfasser: Hermann Kulzer MBA Fachanwalt für Insolvenzrecht, Wirtschaftsmediator (DIU)
 
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