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23.12.2019 Eigene Einkünfte des Unterhaltsberechtigten / Unterhaltspflicht bei zwei verdienenden Ehepartnern / 850 c Abs.4 ZPO; 36 Abs. 4 InsO
Information
Für die Berechnung des pfändungsfreien Einkommens spielen die Unterhaltspflichten eine entscheidene Rolle. Wer mehrer Kinder hat, der hat einen höheren Pfändungsfreibetrag.Was passiert aber, wenn beide Eltern der Kinder über ein Einkommen verfügen?Wie wird der pfändbare Betrag beim Schuldner berechnet?
Zwei Normen sind maßgeblich und eine BGH-Entscheidung:

A. Eigene Einkünfte gemäß 850c Absatz 4 ZPO: 

„Hat eine Person, welcher der Schuldner auf Grund gesetzlicher Verpflichtung Unterhalt gewährt, eigene Einkünfte, so kann das Vollstreckungsgericht auf Antrag des Gläubigers nach billigem Ermessen bestimmen, dass diese Person bei der Berechnung des unpfändbaren Teils des Arbeitseinkommens ganz oder teilweise unberücksichtigt bleibt; soll die Person nur teilweise berücksichtigt werden, so ist Absatz 3 Satz 2 nicht anzuwenden.“

B.  Im Falle einer Insolvenz ist das Insolvenzgericht zuständig und ist der Insolvenzverwalter antragsberechtigt, § 36 Absatz 4 InsO.

C. Beschluss des BGH vom 16. 4. 2015 – IX ZB 41/14; LG Oldenburg (lexetius.com/2015,1177
Zu den eigenen Einkünften des Unterhaltsberechtigten, die dessen Berücksichtigung bei der Berechnung des unpfändbaren Teils des Arbeitseinkommens des Schuldners einschränken oder ausschließen können, gehört auch der von anderen Unterhaltsverpflichteten gewährte Naturalunterhalt).
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat dies durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kayser, die Richter Prof. Dr. Gehrlein, Vill, Dr. Fischer und Grupp am 16. April 2015 entschieden. 

Sachverhalt: 
I. Über das Vermögen des Schuldners ist am 30. Januar 2014 das Insolvenzverfahren eröffnet und der weitere Beteiligte zum Insolvenzverwalter bestellt worden. 
Der Schuldner bezieht ein durchschnittliches Nettoeinkommen in Höhe von monatlich 1.794,83 €. Er lebt mit seiner Ehefrau und den beiden gemeinsamen minderjährigen Kindern in häuslicher Gemeinschaft. 
Seine Ehefrau verfügt über eigene Einkünfte in Höhe von monatlich 1.980 €. Sie gewährt den Kindern Naturalunterhalt. 
Auf Antrag des Insolvenzverwalters vom 18. Februar 2014 hat das Insolvenzgericht – Rechtspfleger – angeordnet, dass die Ehefrau bei der Berechnung der pfändbaren Beträge gemäß § 850c ZPO nicht und die beiden Kinder jeweils nur zu 50 v. H. berücksichtigt werden. 
Auf die sofortige Beschwerde des Schuldners hat das Beschwerdegericht diese Entscheidung abgeändert und angeordnet, dass die Kinder bei der Berechnung der pfändbaren Beträge in vollem Umfang zu berücksichtigen sind. 
Hiergegen wendete sich die vom Beschwerdegericht zugelassene Rechtsbeschwerde des Insolvenzverwalters und war erfolgreich.

II. Die Rechtsbeschwerde ist statthaft, weil das Beschwerdegericht im vollstreckungsrechtlichen Rechtszug nach § 567 Abs. 1, § 793 ZPO, § 36 Abs. 4 Satz 1 InsO die Rechtsbeschwerde zugelassen hat (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO). 
Sie ist auch im Übrigen zulässig (§ 575 ZPO). 
In der Sache hat sie Erfolg und führt zur Wiederherstellung der amtsgerichtlichen Entscheidung.

1. Das Beschwerdegericht hat ausgeführt, der durch die Ehefrau den gemeinsamen Kindern gewährte Naturalunterhalt stelle kein eigenes Einkommen der Kinder im Sinne von § 850c Abs. 4 ZPO dar. 
Die Gewährung von Kost und Unterkunft sei bereits begrifflich nicht als Einkommen aufzufassen. Die Kinder seien daher bei der Berechnung der aus dem Einkommen des Schuldners pfändbaren Beträge in vollem Umfang zu berücksichtigen.

2. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.

 Zu den eigenen Einkünften im Sinne von § 850c Abs. 4 ZPO gehören auch Zuwendungen, die dem Unterhaltsberechtigten in Natur geleistet werden. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde folgt aus der Senatsentscheidung vom 7. Mai 2009 (IX ZB 211/08WM 2009, 1153 Rn. 10) nichts Gegenteiliges. Mit der von der dortigen Rechtsbeschwerde vertretenen Ansicht, der vom anderen Elternteil gewährte Naturalunterhalt sei kein eigenes Einkommen im Sinne von § 850c Abs. 4 ZPO, hat sich der Senat nicht näher befasst.

a) Gemäß § 850c Abs. 4 ZPO kann das Vollstreckungsgericht oder das nach § 36 Abs. 4 Satz 1 InsO an seine Stelle tretende Insolvenzgericht nach billigem Ermessen anordnen, dass eine nach dem Gesetz unterhaltsberechtigte Person, die eigene Einkünfte hat, bei der Berechnung des unpfändbaren Teils des Arbeitseinkommens ganz oder teilweise unberücksichtigt bleibt. Schon nach ihrem Wortlaut erfasst die Vorschrift alle Arten von Einkünften (BGH, Beschluss vom 7. Mai 2009, aaO Rn. 8). 
Sie will die Berücksichtigung des Berechtigten, der eigene Einkünfte bezieht, flexibel gestalten, wobei das Gericht in seine Erwägungen den Lebensbedarf einzubeziehen hat, der aus dem Arbeitseinkommen des Schuldners zu bestreiten ist (BT-Drucks. 8/693 S. 48 f (zu Nummer 8)). Es ist zu prüfen, ob die eigenen Einkünfte des Unterhaltsberechtigten dazu führen, dass dem Schuldner insoweit kein eigenes Einkommen verbleiben muss, weil der Bedarf des Unterhaltsberechtigten anderweitig gedeckt ist (BGH, Beschluss vom 5. April 2005 – VII ZB 28/05ZVI 2005, 254, 255 f; vom 7. Mai 2009, aaO Rn. 10). 

Deshalb sind Unterhaltszahlungen, die der Unterhaltsberechtigte vom anderen Elternteil oder Dritten bezieht, als eigene Einkünfte im Sinne von § 850c Abs. 4 ZPO zu berücksichtigen. Geld, welches der Unterhaltsberechtigte von dritter Seite bezieht, verringert seinen Bedarf und entlastet den zum Unterhalt verpflichteten Schuldner (BGH, Beschluss vom 7. Mai 2009, aaO Rn. 7 und 10; MünchKomm-ZPO/Smid, 4. Aufl., § 850c Rn. 20; Zöller/Stöber, ZPO, 30. Aufl., § 850c Rn. 12; Ahrens, NZI 2009, 423 f; jeweils mwN).

b) Gleiches gilt für Zuwendungen, die dem Unterhaltsberechtigten in Natur geleistet werden. Auch diese, etwa unentgeltliches Wohnen oder freie Kost, mindern die Unterhaltsverpflichtung des Schuldners (Hornung, Rpfleger 1978, 353, 356). Es besteht daher kein sachlicher Grund, zwischen der Art der Gewährung des Unterhalts zu unterscheiden (LG Ansbach, JurBüro 2010, 50, 51). 

In Übereinstimmung mit der nahezu einhelligen Auffassung von Rechtsprechung und Schrifttum sind daher Einkünfte, die dem Unterhaltsberechtigten in Natur zufließen werden, zu den Einnahmen im Sinne von § 850c Abs. 4 ZPO zu zählen (LG Ansbach, aaO; MünchKomm-ZPO/Smid, aaO; Musielak/- Voit/Becker, ZPO, 12. Aufl., § 850c Rn. 11; Stein/Jonas/Brehm, ZPO, 22. Aufl., § 850c Rn. 28 in Fn. 71; Stöber, Forderungspfändung, 16. Aufl., Rn. 1060a; Hornung, aaO; Hintzen, NJW 1995, 1861, 1862).

3. Die Entscheidung des Beschwerdegerichts erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 577 Abs. 3 ZPO). 
Anders als es die Beschwerdeerwiderung meint, steht der Berücksichtigung von Naturalleistungen als eigenes Einkommen im Sinne von § 850c Abs. 4 ZPO auch nicht der Grundsatz der Gleichwertigkeit von Bar- und Betreuungsunterhalt entgegen.

a) Für die im Rahmen der Billigkeitsentscheidung nach § 850c Abs. 4 ZPO zu beantwortende Frage, welcher Lebensbedarf aus dem Arbeitseinkommen des Schuldners zu bestreiten ist (vgl. BGH, Beschluss vom 5. April 2005 – VII ZB 28/05ZVI 2005, 254, 255 f; vom 7. Mai 2009 – IX ZB 211/08WM 2009, 1153Rn. 10; BT-Drucks. 8/693 S. 48 f (zu Nummer 8)), ist bei Unterhaltsleistungen zwischen Betreuungsunterhalt einerseits und Bar- sowie Naturalunterhalt andererseits zu unterscheiden.

aa) Der Betreuungsunterhalt umfasst die Betreuungsleistungen in Form von Versorgung, Erziehung, persönlicher Zuwendung und Haushaltsführung (Soyka in Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, 9. Aufl., Vor §§ 1601 ff Rn. 3; Scholz, FamRZ 1994, 1314, 1315). Nach § 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB erfüllt der Elternteil eines minderjährigen unverheirateten Kindes, bei dem dieses lebt, seine Unterhaltsverpflichtung in der Regel durch dessen Pflege und Erziehung.Die Bestimmung stellt klar, dass diese Betreuungsleistung und die Barleistungen des anderen Elternteils grundsätzlich gleichwertig sind und trägt der Tatsache Rechnung, dass eine auf den Einzelfall abstellende rechnerische Bewertung des Betreuungsaufwandes unzulänglich bliebe (BGH, Urteil vom 30. August 2006 – XII ZR 138/04FamRZ 2006, 1597, 1598; vgl. auch Graba/Maier in Johannsen/Henrich, Familienrecht, 6. Aufl., § 1606 Rn. 6; MünchKomm-BGB/Born, 6. Aufl., § 1606 Rn. 6). 
Folge ist, dass der Elternteil, der das Kind betreut, dadurch regelmäßig seiner Unterhaltspflicht genügt (vgl. auch Palandt/Brudermüller, BGB, 74. Aufl., § 1606 Rn. 7). Für den Schuldner, der sein minderjähriges Kind nicht betreut, bedeutet dies, dass er mit seinem Arbeitseinkommen den vollen Barbedarf des Kindes bestreiten muss. 

bb) Der Naturalunterhalt geht über den Betreuungsunterhalt hinaus. Er umfasst ebenso wie der Barunterhalt den gesamten Lebensbedarf; der Unterschied zum Barunterhalt liegt lediglich darin, dass die zur Befriedigung der Lebensbedürfnisse erforderlichen Dinge in natura zur Verfügung gestellt werden (Soyka in Prütting/Wegen/Weinreich, aaO; MünchKomm-BGB/Born, 6. Aufl., Vor § 1601 Rn. 23; vgl. auch Scholz, aaO). Wenn der andere Elternteil über die geschuldeten Betreuungsleistungen hinaus weitere Bar- oder Naturalleistungen wie unentgeltliches Wohnen oder freie Kost erbringt, verringert er deshalb auch den Bedarf des Berechtigten und entlastet so den zum Unterhalt verpflichteten Schuldner.

b) Gemessen hieran können die von der Ehefrau des Schuldners gegenüber den gemeinsamen Kindern erbrachten Naturalleistungen im Rahmen der Billigkeitsentscheidung nach § 850c Abs. 4 ZPO auch dann bedarfsmindernd berücksichtigt werden, wenn die ausschließliche Betreuung der Kinder durch die Ehefrau erfolgt. Das Insolvenzgericht ist bei seiner Entscheidung über die teilweise Nichtanrechnung der gemeinsamen Kinder bei der Bestimmung des dem Schuldner verbleibenden Pfändungsfreibetrages davon ausgegangen, es sei angesichts des eigenen Einkommens der im Verhältnis zum Schuldner gegenüber den Kindern gleichranging unterhaltspflichtigen Ehefrau sachgerecht, den nach § 850c Abs. 1 ZPO zu berücksichtigenden Freibetrag etwa im Verhältnis zum jeweiligen Einkommen des Schuldners und seiner Ehefrau aufzuteilen. Diesen Erwägungen liegt die einer allgemeinen Lebenserfahrung entsprechende Erwartung zugrunde, die Ehefrau setze das von ihr bezogene Elterngeld zur Erhöhung des Familienunterhalts ein, aus welchem angesichts der bestehenden Lebensgemeinschaft der gesamte Lebensbedarf der Familie einschließlich der unterhaltsberechtigten gemeinsamen Kinder (vgl. Wendl/Dose/Scholz, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, § 3 Rn. 1 ff und Rn. 25 mwN) gedeckt wird. Eine abweichende Verwendung des Elterngeldes hat auch die sofortige Beschwerde nicht geltend gemacht. Sie geht für die Familie vielmehr selbst von einem Gesamteinkommen in Höhe von 3.770 € aus.

4. Die Entscheidung des Beschwerdegerichts kann daher keinen Bestand haben. Da in der Sache keine weiteren Feststellungen zu treffen sind, sondern der Sachverhalt zur Endentscheidung reif ist, hat der Senat gemäß § 577 Abs. 5 ZPO zu entscheiden. Hiernach ist die sofortige Beschwerde des Schuldners zurückzuweisen.
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Verfasser: Kulzer Hermann, Fachanwalt für Insolvenzrecht
 
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