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10.02.2005 Auswahl und Ernennung des Insolvenzverwalters / Vorauswahl ua.
Information
Bundesverfassungsgericht,Beschluss vom 3. August 2004 - 1 BvR 135/00 und 1 BvR 1086/01 -

Bei der Bewerbung um eine Tätigkeit im Rahmen von Insolvenzverfahren
muss jeder Bewerber eine faire Chance erhalten, entsprechend seiner
gesetzlich vorausgesetzten Eignung in Erwägung gezogen zu werden. Die
Chancengleichheit der Bewerber ist gerichtlich überprüfbar. Dies
entschied die 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts
in den Verfassungsbeschwerdeverfahren (Vb) zweier Rechtsanwälte
(Beschwerdeführer; Bf), die sich erfolglos um Zugang zu dem Bewerberpool
bemüht hatten, die als Insolvenzverwalter vom Richter ausgewählt werden.
Die entgegenstehenden Entscheidungen zweier Oberlandesgerichte (OLG)
wurden unter Zurückverweisung aufgehoben, weil sie die Bf in ihrem
Grundrecht auf wirksamen gerichtlichen Rechtsschutz verletzen.

1. Zum Sachverhalt:
Nach der Insolvenzordnung ist zum Insolvenzverwalter eine für den
jeweiligen Einzelfall geeignete Person zu bestellen. Zuständig für das
Eröffnungsverfahren einschließlich der Entscheidung über den
Eröffnungsantrag und die Person des Verwalters ist der Amtsrichter. Wie
er sich einen Überblick über den in Frage kommenden Personenkreis
verschafft, regelt die Insolvenzordnung nicht. Die vorliegenden
Verfahren betreffen nicht die Bestellung eines Insolvenzverwalters,
sondern das vorangehende Vorauswahlverfahren des Gerichts und welchen
Rechtsschutz es im Hinblick auf diese Entscheidung gibt. Bei der
Vorauswahl ist zu entscheiden, ob ein Bewerber um die Bestellung als
Insolvenzverwalter in den Kreis derjenigen Personen aufgenommen wird,
aus dem der Richter im Einzelfall die Person auswählt, die nach seiner
Meinung den Anforderungen der Insolvenzordnung an einen
Insolvenzverwalter am ehesten entspricht.
In beiden Ausgangsverfahren wurde den Bf, die sich vergeblich um
Bestellung zum Insolvenzverwalter bemüht hatten, durch den
Insolvenzrichter mitgeteilt, dass derzeit kein Anlass bestehe, den Kreis
der regelmäßig eingesetzten Verwalter zu erweitern. Die OLG hielten die
Mitteilungen der Insolvenzrichter für nicht justiziabel. Beide Bf rügen
mit ihren Vb die Verletzung von Art. 3 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1 und Art.
19 Abs. 4 GG. Die Nichtberücksichtigung ihrer Bewerbungen verstoße gegen
das Recht auf gleichen Zugang zum Amt des Insolvenzverwalters.

2. Aus den Gründen der Entscheidung geht hervor:
Die Entscheidungen der OLG verweigern den Bf einen wirksamen Schutz
gegen einen Eingriff der öffentlichen Gewalt in ihre
verfassungsrechtlich geschützte Berufsfreiheit.
Die Entscheidung im Vorauswahlverfahren ist kein Rechtsprechungsakt. Sie
befindet über den Kreis potentieller Insolvenzverwalter ohne Verbindung
zu einem konkreten Insolvenzverfahren. Rechtlich stehen die Vorauswahl
und die schließliche Auswahlentscheidung nebeneinander. Die Vorprüfung
mit dem Ergebnis der grundsätzlichen Eignung eines bestimmten Bewerbers
eröffnet diesem eine Chance, im Zuge künftiger Anträge auf Eröffnung von
Insolvenzverfahren zu Sachverständigen, Treuhändern, Sachwaltern oder
Insolvenzverwaltern bestellt zu werden.
Ein insoweit abgelehnter Bewerber wird in seinen Rechten aus Art. 12
Abs. 1 GG berührt. Da die Verwirklichung der Grundrechte auch eine dem
Grundrechtsschutz angemessene Verfahrensgestaltung erfordert, muss ein
der Bedeutung des Grundrechts der Berufsfreiheit entsprechendes
Verfahren in der Bewerbung um ein öffentliches Amt gewährleisten, dass
tatsächlich von allen potentiellen Bewerbern derjenige gefunden wird,
der am ehesten den gesetzlichen Anforderungen entspricht.
Bei der Bewerbung um eine nur hoheitlich zu vergebende Tätigkeit im
Rahmen von Insolvenzverfahren muss für jeden Bewerber im Rahmen seiner
Eignung Chancengleichheit bestehen. Die Betätigung als
Insolvenzverwalter hat sich zu einem eigenständigen Beruf entwickelt.
Insoweit hat sich ein neuer „Markt“ für Rechtsanwälte, Steuerberater und
Kaufleute gebildet. Ein Übergehen bei der Bestellungsentscheidung
berührt die Berufsfreiheit schon deshalb, weil der Beruf des
Insolvenzverwalters nur auf Grund der Zuteilung durch einen Träger
öffentlicher Gewalt wahrgenommen werden kann. Die Vorauswahl geeigneter
Bewerber bereitet diese Entscheidung maßgeblich vor. Dem Richter steht
zwar bei der Insolvenzverwalterbestellung ein weites Auswahlermessen zu.
Eine Chance auf eine Einbeziehung in ein konkret anstehendes
Auswahlverfahren und damit auf Ausübung des Berufs hat ein potentieller
Insolvenzverwalter aber nur bei willkürfreier Einbeziehung in das
Vorauswahlverfahren. Insoweit unterliegt der Richter der Bindung des
Art. 3 Abs. 1 GG. Es geht um die Eröffnung von Chancen in einem
Wirtschaftssektor, zu dem die Entscheidung eines Amtsrichters die Tür
öffnet. Allein die gerichtliche Überprüfbarkeit der Frage, ob bei der
Vorentscheidung die Chancengleichheit der Bewerber gewahrt wurde,
gewährleistet insoweit die Beachtung subjektiver Rechte der Bewerber.
Dieses ist so bedeutsam, weil der Richter wegen der Eilbedürftigkeit der
Bestellungsentscheidung eines Rahmens bedarf, wenn er die Auswahl für
ein konkretes Insolvenzverfahren trifft. Die Belange der Gläubiger
stehen einer verfahrensmäßigen Absicherung der Berufsinteressen
geeigneter Insolvenzverwalter nicht entgegen; die Gläubiger sind gerade
auf solche Personen angewiesen. Aus ihrer Sicht muss lediglich vermieden
werden, dass Konflikte um die Auswahl eines geeigneten Bewerbers das
Insolvenzverfahren verzögern oder auf andere Weise belasten. Der
Rechtsschutz für die Bewerber soll auch effektiv sein und der
Bevorzugung bekannter und bewährter Berufstätiger entgegenwirken, wenn
die öffentliche Hand die Verantwortung für den Marktzugang übernimmt.
Wirksame gerichtliche Kontrolle setzt voraus, dass auch in Verfahren mit
geringer Kontrolldichte und einem der Sache nach unvermeidbaren Mangel
an überprüfbaren Unterlagen ein Mindestmaß an Rechtsschutz gewährleistet
wird. Auch Ermessensentscheidungen können hinsichtlich der Maßstäbe,
insbesondere der zu berücksichtigenden tatsächlichen Gesichtspunkte und
der für maßgeblich erachteten Kriterien für die Eignung von Bewerbern,
überprüft werden. An die Insolvenzverwalter werden ganz unterschiedliche
Anforderungen gestellt je nach dem, wer insolvent geworden ist. Ob die
Richter auf den verschiedenen Auswahlebenen diesen Kriterien der
Eignungsfeststellung gerecht werden, ist überprüfungsfähig und -
bedürftig.

Beschluss vom 3. August 2004 – 1 BvR 135/00 und 1 BvR 1086/01 –

Pressestelle des Bundesverfassungsgerichts
Karlsruhe, den 18. August 2004







OLG Koblenz, Besch
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Verfasser: Kulzer, Fachanwalt für Insolvenzrecht
 
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