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20.12.2006 Schulweg: Entfernung, Zumutbarkeit, Gefährlichkeit
Information

1. Recht auf Bildung und Reichweite
Der Anspruch des Kindes auf Bildung durch Einrichtungen der staatlichen Gemeinschaft ist im Grunde unbestritten.
Das Bundesverfassungsgericht hat die Frage, ob sich aus dem Grundgesetz ein Grundrecht auf Bildung ergibt, bisher offengelassen. Seine bisherige Rechtsprechung deutet allerdings darauf hin. Während das Grundgesetz kein Grundrecht auf Bildung enthält, findet sich ein solches Recht in fast allen Landesverfassungen, z.B. in Sachsen im Art. 29 SächsV oder in Bayern in Art.128 Abs. 1BayV.
Diese einschlägigen Bestimmungen des Landesrechts sind weit auszulegen, da die Bundesrepublik bereits mit der Ratifikation des 1. Zusatzprotokolls zur Europäischen Menschenrechtskonvention vom 20.03.1952, BGBl. 1956 II S. 1879 ein Recht auf Bildung begründet hat.

2. Schulschließung oder Verlegung:
Eingriff in die Rechte der Schüler und Eltern ?
Bei der Schließung, Auflösung oder Verlegung von Schulen werden die Rechte der Schüler und ihrer Eltern zumindest mittelbar betroffen, BVerfG, NVmZ 1997, 781; BVerwG, NJW 1979, 828; BverwG 1997, 176.
In den Schulgesetzen der Bundesländer wird in Bezug auf die Schließung einer Schule in der Regel darauf abgestellt, ob noch ein Bedürfnis für den Fortbestand dieser Schule besteht. Es geht nicht um das individuelle Interesse einzelner Schüler oder Eltern an der Erhaltung ihrer Schule, sondern um die Frage, ob es angesichts der Gesamtsituation des Schulwesens geboten ist, im örtlichen Zuständigkeitsbereich des jeweiligen Schulträgers ein solches Bildungssystem zu erhalten bzw. nicht mehr fortzusetzen, vgl BVerwG, SPE 132 Nr.18; OVG Münster, NJW 1979, 829.
Wenn die Schulträger und die für die Genehmigung der Maßnahme zuständige Schulaufsichtsbehörde bei der planerischen Abwägung die für und wider die Schließung einer Schule oder eines Schulzugs sprechenden öffentlichen und privaten Belange mit dem ihnen jeweils zukommenden Gewicht einbeziehen müssen ( BVerG, NVwZ 1992, 1202 ) dann gilt dies auch für die Interessen der Schüler und ihrer Eltern, vgl. OLG Münster, NVwZ 1984,804; OVG Münster, NVwZ-RR 1996, 90. Bei der Abwägung muss daher zum einen die Entscheidung der Eltern berücksichtigt werden, ihre Kinder einer ganz bestimmten Schule anzuvertrauen und zum anderen das Interesse der Schüler an einer kontinuierlichen Ausbildung, vgl OVG Münster, NVwZ-RR 1996, 90
Für Schüler, die von einer Auflösung einer Schule nicht unmittelbar betroffen sind, weil ihr Jahrgang weitergeführt wird, sind Nachteile von grundrechtlicher Relevanz nicht gegeben, BVerwG 27.1.1994 - 6 B 8.93.

3. Zumutbarer Schulweg
Der Freistaat Sachsen hat in den letzten zehn Jahren über 1000 Schulen geschlossen.Für viele Schülerinnen und Schüler haben sich dadurch die Schulwege zum Teil erheblich verlängert.
a) Erstmals hat das Oberverwaltungsgericht Bautzen in einem Urteil Kriterien für die Zumutbarkeit von Schulwegen und damit für das Bestehen eines öffentlichen Bedürfnisses zur Einrichtung einer Schule konkret formuliert, vgl. Entscheidung des OVG Bautzen. Nach dem Urteil des Oberwaltungsgerichts Bautzen sind Beförderungszeiten von mehr als einer Stunde für den Schulweg von Schülerinnen und Schülern im Normalfall unzumutbar.
b) Das Oberverwaltungsgericht Lüneburg hatte den Fall zu entscheiden, dass ein Schüler die Schule nur zu Fuß in knapp einer Stunde erreichen konnte, vgl. Urteil vom 20.02.2002.
c) Das sächsische Oberverwaltungsgerichte (OVG) hatte in der Verwaltungsrechtssache der Gemeinde Schönfeld gegen den Freistaat Sachsen am 10.11.2005 (AZ.: 2 BS 247/05) in Bezug auf die Zumutbarkeit der Zeitdauer der Schulwege im Landkreis Delitzsch zu entscheiden. Die Gemeinde Schönfeld hat sich mit ihrer Beschwerde gegen den Freistaat Sachsen bezüglich der Teilaufhebung der Mittelschule Schönfeld (Klassenstufe 5) im Schuljahr 2005/2006 durchgesetzt. Entscheidend war die Feststellung des OVG, dass Beförderungszeiten von mehr als 88 Minuten für den Schulweg die Grenzen des Zumutbaren absolut überschreiten. Als Orientierungen für die Organisation des ÖPNV kommen nach dieser OVG-Entscheidung für die einfache Wegstrecke maximale Fahrzeiten von 30 Minuten für Grundschulen sowie 45 Minuten für Mittelschulen und Gymnasien in Betracht. Dabei hat das OVG Schulwege einschließlich der Fußwege von der Wohnung zur Bushaltestelle und von der Endbushaltestelle zur Schule von bis zu 60 Minuten als „regelmäßig angemessen“ betrachtet, wobei zu berücksichtigen sei, dass die Schüler ihr Klassenzimmer zur Vorbereitung des Unterrichts rechtzeitig erreichen müssen (angemessene Vorbereitungszeit), „so dass nicht die gesamte Wartezeit bis zum Unterrichtsbeginn dem Schulweg zuzurechnen ist.“

4. Schulweg im Schulgesetz
Zu den Schulwegentfernungen und den Schulwegbedingungen findet sich z.B. im Schulgesetz für den Freistaat Sachsen vom 16.Juli 2004 in § 4a ( 4) eine Regelung. Danach gibt es zwar den Grundsatz, dass Mittelschulen mindestens zweizügig und Gymnasien mindestens dreizügig geführt werden sollen.
In begründeten Ausnahmefällen sind allerdings Abweichungen möglich bei überregionaler Bedeutung der Schule oder bei unzumutbaren Schulwegbedingungen oder Schulwegentfernungen, vgl § 4a ( 4) Ziff. 6.

Das gleiche Regel- Ausnahmeverhältnis gilt auch bezüglich der Mindestschülerzahl.  Abweichungen sind möglich, wenn bei unzumutbaren Schulwegbedingungen.

5. Gefährlicher Schulweg
Wann ein Schulweg gefährlich oder ungeeignet ist, kann kaum ohne Rückgriff auf subjektive Wertungen festgestellt werden. Daher wurde in den einschlägigen Bestimmungen versucht, diese Begriffe näher zu definieren. So ist etwa die "besondere Gefährlichkeit" nach § 6 Abs. 2 Satz 2 der nordrhein-westfälischen Schülerfahrtkostenverordnung insbesondere dann anzunehmen, wenn der Schulweg überwiegend entlang einer verkehrsreichen Straße ohne Gehweg oder begehbaren Randstreifen führt oder wenn eine verkehrsreiche Straße ohne Sicherung für Fußgänger überquert werden muss und es keine Ausweichmöglichkeit in zumutbarer Entfernung gibt. Die besondere Gefährlichkeit des Schulweges wegen einer verkehrsreichen Straße ist nicht relativ von seiner Länge abhängig zu machen, sondern kann sich auch in einzelnen Gefahrpunkten des Straßenverkehrs als erheblich darstellen, vgl. OVG Münster, NVwZ-RR 19991, 483.

6. Rechtsschutz
Werden erhebliche Belange der Schüler und ihrer Eltern missachtet oder fehlgewichtet, können die Betroffenen die Aufhebung der sie belasteten schulorganisatiorischen Maßnahmen oder -je nach Lage der Dinge- ergänzende Maßnahmen zu ihrem Schutze verlangen, vgl OVG Koblenz, NVwZ 1986, 1036
( auch hinsichtlich des Zeitpunkts und der Dringlichkeit der Maßnahme )

  • Schüler und Eltern können sich dann zur Wehr setzen, wenn sie in ihren eigenen Rechten verletzt werden, vgl BVerwGE 18, 40; BVerwG, NJW 1997, 176, 828. Dies ist dann der Fall, wenn das Interesse des Einzelnen trotz seiner Erheblichkeit nicht in die Abwägung eingestellt worden ist oder sich die Maßnahme gar als eine schwere Beeinträchtigung des Einzelnen oder als ein ihm nicht zumutbares Sonderopfer darstellt, vgl insbes. BVerwG, NJW 1979, 828 und NJW 1997, 176.
  • Die Eltern haben auch einen Vertrauensschutz gegenüber nachteiligen Änderungen ihrer Planung der schulischen Entwicklung des Kindes, vgl. BVerfG, NVwZ 1997, 781.
  • Das Abwägungsverbot verlangt auch bei Schließung von Schulen nicht, dass die zuständigen Behörden von sich aus für jeden einzelnen Schüler den neuen Schulweg überprüfen müssen. Vielmehr trifft den einzelnen Schüler insofern eine Mitwirkungspflicht, bei deren Verletzung er sich nicht auf ihn dadurch treffende Abwägungsmängel berufen kann
  • Ein Abwägungsdefizit muss auch in Fällen der Schulschließung oder der Zusammenlegung nicht notwendigerweise dazu führen, dass die Maßnahme des Schulträgers endgültig scheitert. Denn das Defizit kann in der Regel durch eine erneute sodann fehlerfreie Abwägung jedenfalls dann bereinigt werden
  • Allerdings können die Schüler und ihre Eltern bei Abwägungsfehlern verlangen, dass die betreffende schulorganisatorische Maßnahme zumindest so lange ausgesetzt wird, bis zumutbare Verhältnisse geschaffen sind, vgl BVerwG, NJW 1979, 828.

    7. Zusammenfassung
    Das Recht auf Bildung gewährleistet die Teilnahme an öffentlichen Bildungseinrichtungen. Soweit Schließungen und Zusammenlegungen erfolgen, muss eine Abwägung stattfinden. Auch die Interessen der Schüler und Eltern sind zu berücksichtigen. Soweit die Abwägung fehlerhaft ist, findet ein Eingriff in die Rechte der betroffenen Schüler und Eltern statt. Wenn sie im Vorfeld ihre Mitwirkungsobliegenheiten erfüllt und sie auf die Schwierigkeiten zB unzumutbare Schulwege hingewiesen haben, kann -notfalls gerichtlich- eine Anpassung oder Aussetzung verlangt werden, bis zur Schaffung zumutbarer Verhältnisse.

    Weitere Infos und Links
    1. Träger der Schülerbeförderung
    Träger der notwendigen Beförderung der Schüler auf dem Schulweg bei öffentlichen and staatlich genehmigten Ersatzschulen freier Träger sind der Landkreis oder die kreisfreie Stadt, in deren Gebiet sich die Schule befindet.
    Er regelt Einzelheiten durch die Satzungen, die im § 23 Absatz 3 Schulgesetz für den Freistaat Sachsen aufgeführt werden.
    http://www.sachsen-macht-schule.de/
    recht/schulgesetz_04.pdf

    Begründung zu Grundsatz 16.3.1 des Landesentwicklungsplanes 2003 (Verordnung der sächsischen Staatsregierung über den Landesentwicklungsplan Sachsen vom 16. Dezember 2003)
    http://www.sachsen.de/de/bf/staatsregierung/
    ministerien/smi/smi/upload/LEP_Textteil.pdf

    Gemeinsame Verwaltungsvorschrift des sächsischen Staatsministeriums für Kultus, des sächsischen Staatsministeriums des Innern und des sächsischen Staatsministeriums für Wirtschaft und Arbeit zur Schulwegsicherung und Beförderung von Schülern.
    2. Schulrecht in Sachsen, hier
    3. Bekanntmachung der Neufassung der Satzung zur Erstattung anfallender notwendiger Schulbeförderungskosten im Landkreis Meißen, hier
    4.Sächsisches Staatsministerium für Kultus, hier
    5. Neufassung des Schulgesetzes für den Freistaat Sachsen vom 16.Juli 2004, hier
    6. Sächsischer Bildungsserver-Schickefragen, hier
    7. Schulschließung aufgehoben wegen unzumutbarem Schulweg, hier
    8. Sächsische Verfassung, hier
    9. Oberverwaltungsgericht Bauten, Entscheidung zur Zumutbarkeit des Schulweges, hier ; OVG Lüneburg, Urteil vom, 20.02.2002, hier
    10. Focus Schule zur Schulschließung und Schulweg, hier

    Stichworte:
    Schulrecht, Schulorganisation, Schulweg, Zumutbarkeit, Schulschließung, Verlegung, Schulwesen, Recht auf Bildung, Schulverhältnis, Rechtsverhältnis, Bildungsanspruch, Schulpflicht, Grundrecht auf Bildung, Schulhoheit, Schulaufsicht, Mitwirkungsrecht
  • insoinfo
    Verfasser: Kulzer Hermann, Rechtsanwalt
     
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