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15.01.2008 Kein Haftungsdurchgriff bei Pleite des Kolping- Bildungswerkes Sachsen e.V.
Information 1. Haftung der Rechtsträger von Nonprofitunternehmen für Fehler ? Das Gericht hatte in einem Verfahren Infolge der Insolvenz des Kolping-Bildungswerkes Sachsen aus dem Jahr 2000 über Haftungsfragen zu entscheiden. Die Klägerin, ein geschlossener Immobilienfonds, erwarb 1994 von einer Tochtergesellschaft des gemeinnützigen Kolping-Bildungswerk Sachsen e.V. (KBS e.V.) ein 40-jähriges Erbbaurecht an einer in Sachsen gelegenen, mit einem Schloss bebauten Immobilie. Nach dem Umbau der vorhandenen Schlossanlage in ein Schulungs-, Aus- und Weiterbildungszentrum vermietete die Klägerin das Objekt ab Oktober 1999 gegen monatliche Leasingraten von rund 80.000 € für 19,75 Jahre an den KBS e.V.. Dieser hatte sich als "Holdingverein" mit zuletzt mehr als 25 Tochter- und Enkelgesellschaften zu einem der größten Anbieter staatlich geförderter Maßnahmen zur beruflichen Ausbildung in Sachsen entwickelt und war in drei weiteren Großprojekten mit monatlichen Mietbelastungen von über 240.000 € engagiert. Im Dezember 2000 musste über das Vermögen des KBS e.V. das Insolvenzverfahren eröffnet werden. Zu klären war, ob die Kolping Diözesanverbände Dresden-Meißen und Görlitz für die Folgen der Insolvenz des rechtlich selbstständigen Kolping-Bildungswerkes Sachsen e.V. haften müssen. 2. Jetzt Klarheit Das Gericht (Bundesgerichtshof) sorgte mit seiner Rechtssprechung für die notwendige Klarheit, so dass vor allem die Verbandsarbeit, die von vielen ehrenamtlich engagierten Mitglieder in den Kolpingsfamilien vor Ort getragen wird, ohne Einschränkung fortgesetzt werden kann. Nachdem die Klage auf Schadensersatz in der ersten Instanz vor dem Landgericht Dresden bereits in vollem Umfang abgewiesen worden war, hatte das Oberlandesgericht Dresden die zwei Diözesanverbände des Kolpingwerkes und ihre Rechtsträger zu Schadenersatzzahlungen verurteilt. Dagegen hatten die beiden Diözesanverbände vor dem Bundesgerichtshof Revision eingelegt. 3. Gretchenfrage: Wer haftet für Verbindlichkeiten eines Vereins bei Insolvenz? Durch den Bundesgerichtshof wurde die bisherige höchstrichterliche Rechtsprechung, wonach für die Verbindlichkeiten eines eingetragenen Vereins nur dieser selbst und nicht die hinter ihm stehenden Vereinsmitglieder haften, bestätigt. Das Vorliegen eines Rechtsmissbrauchs, der diesen Trennungsgrundsatz durchbreche, konnten die BGH-Richter nicht feststellen. Weder hätten auf Seiten des KBS Bonitätsprobleme bestanden, die verschleiert worden wären, noch hätten Vermögensverschiebungen stattgefunden. 4. Gegenteilige Ansicht des OLG Dresden Gegenstand der Verhandlung war die Revision einer Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) Dresden, das im August 2005 die beiden Verbände dazu verurteilt hatte, mehr als 707.000 Euro neben Zinsen an den Insolvenzverwalter zu zahlen. Die früheren Geschäftsführer wurden mittlerweile zu Geld- und Bewährungsstrafen verurteilt. Die 1990 gegründete KBS hatte sich in Tourismus- und Immobiliengeschäfte verzettelt und musste im Dezember 2000 Insolvenz anmelden. 5. Zum konkreten Fall Es ging um die Klage eines Immobilienfonds aus Düsseldorf wegen eines nicht eingehaltenen Leasingvertrags mit einer KBS-Tochter für das damalige KBS-Tagungshotel Schloss Schweinsburg bei Zwickau. Die Klägerin macht gegen die Beklagen unter verschiedenen rechtlichen Gesichtspunkten Ansprüche wegen des ihr durch die Insolvenz des KBS e.V. entstandenen Vermögensnachteils geltend. Die Beklagten sind - als rechtsfähige oder nichtrechtsfähige Vereine organisierte - Mitglieder des auf verschiedenen örtlichen Stufen tätigen Kolpingwerks. Nach Auffassung der Klägerin sollen die als nichtrechtsfähige Vereine organisierten Beklagen zu 1), 3) und 5) angesichts der konzernähnlichen Struktur der Kolping-Organisationen als faktische Mitglieder des KBS e.V. gelten und zusammen mit ihren jeweiligen rechtfähigen Trägervereinen - den Beklagten zu 2), 4) und 6) - für dessen Verbindlichkeiten haften. Die Klage hatte in der Berufungsinstanz nur hinsichtlich der Beklagten zu 3-6 teilweise aufgrund der Erwägung des Oberlandesgerichts Erfolg, dass die (faktischen) Mitglieder eines personalistisch strukturierten eingetragenen Vereins, der sich über das sog. Nebenzweckprivileg hinaus in erheblichem Umfang wirtschaftlich betätigt, wegen Missbrauchs der Rechtsform akzessorisch für sämtliche Vereinsverbindlichkeiten haften, wenn sie - wie hier - Kenntnis von der wirtschaftlichen Betätigung haben und dieser keinen Einhalt gebieten. Das Nichteinschreiten gegen die umfangreiche wirtschaftliche Betätigung des KBS rechtfertige keinen "Haftungsdurchgriff" der Gläubiger wegen Rechtsformmissbrauchs. Als Strafe für eine zweckwidrige unternehmerische Betätigung eines eingetragenen Vereins sei das Amtslöschungsverfahren oder die Entziehung der Rechtsfähigkeit des Vereins vorgesehen. Erst von diesem Zeitpunkt an könnten die Vereinsmitglieder persönlich haften. Das OLG-Urteil wurde von den Karlsruher Richtern getadelt. Mit der Feststellung einer rückwirkenden persönlichen Haftung von Vereinsmitgliedern habe man eine Gesetzeslücke ausfüllen wollen, die es gar nicht gebe. Nach dieser Rechtsauffassung hätte man am Ende auch die Bischöfe oder sogar den Papst für die 100-Millionen-Pleite der KBS haftbar machen können, so der Vorsitzende Richter Wulf Götte (AZ: II ZR 239/05). 6. Aus den Entscheidungsgründen des BGH Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung haftet für Verbindlichkeiten eines eingetragenen Vereins grundsätzlich nur dieser selbst und nicht die hinter ihm stehenden Vereinsmitglieder. Eine Durchbrechung dieses Trennungsgrundsatzes ist nur ausnahmsweise dann zulässig, wenn die Ausnutzung der rechtlichen Verschiedenheit zwischen der juristischen Person und den hinter ihr stehenden natürlichen Personen rechtsmissbräuchlich ist (vgl. BGHZ 54, 222, 224; 78, 318, 333). Das Vorliegen eines derartigen Rechtsmissbrauchs hat das Oberlandesgericht jedoch nicht festzustellen vermocht hat. Weder bestanden auf Seiten des KBS e.V. etwa von Anfang an Bonitätsprobleme, die der Klägerin treuwidrig verschleiert worden wären, noch fanden rechtmissbräuchliche Vermögensverschiebungen im Konzern oder eine vergleichbare Ausnutzung von Konzernstrukturen zu Lasten der Gläubiger statt, geschweige denn bestanden Anhaltspunkte für eine insoweit den Beklagten zu 3-6 zuzurechnende Veranlassung. Auch Art und Umfang der wirtschaftlichen Betätigung des KBS e.V. als solcher in Form der Steuerung größerer Bauprojekte waren für Außenstehende - darunter insbesondere die Klägerin als Auftraggeberin und spätere Leasinggeberin hinsichtlich eines dieser Großprojekte - unschwer erkennbar. Keinesfalls rechtfertigt das - den Beklagten zu 3-6 von der Klägerin angelastete - Nichteinschreiten gegen die umfangreiche wirtschaftliche Betätigung des KBS e.V. und die darin liegende Überschreitung des Nebenzweckprivilegs - mag sie auch erheblich gewesen sein - den vom Berufungsgericht postulierten Haftungsdurchgriff der Gläubiger auf diese (faktischen) Vereinsmitglieder wegen Rechtsformmissbrauchs. Ihm steht entgegen, dass das Gesetz gegen ein solches Verhalten Vorkehrungen getroffen hat, eine ausfüllungsbedürftige Lücke also nicht besteht. Als Sanktion für eine derartige zweckwidrige unternehmerische Betätigung des eingetragenen Vereins sieht das Gesetz allein das Amtslöschungsverfahren gemäß §§ 159, 142 FGG oder die behördliche Entziehung der Rechtsfähigkeit nach § 43 Abs. 2 BGB vor. Erst durch einen derartigen Rechtsakt wird die Rechtsfähigkeit des Vereins beendet und dieser zu einem nichtrechtsfähigen wirtschaftlichen Verein, für dessen Verbindlichkeiten die Mitglieder - erst von diesem Zeitpunkt an - persönlich haften (§ 54 BGB). Die gesetzlichen Sanktionen der Amtslöschung gemäß §§ 159, 142 FGG und der behördlichen Entziehung der Rechtsfähigkeit nach § 43 Abs. 2 BGB sowie der durch sie bewirkte mittelbare Zwang zur Auflösung oder Umwandlung des das Nebenzweckprivileg überschreitenden Idealvereins sind nach derzeitiger Gesetzeslage grundsätzlich - d.h., soweit nicht ausnahmsweise eine, hier allerdings nicht vorliegende, rechtsmissbräuchliche Ausnutzung des Trennungsprinzips durch die Vereinsmitglieder im oben beschriebenen Sinne hinzukommt - zum Schutz des Rechtsverkehrs ausreichend. Angesichts dieser eindeutigen Gesetzeslage ist für den vom Berufungsgericht unternommenen Versuch, im Wege einer Rechtsfortbildung die Duldung bzw. Nichtverhinderung einer Überschreitung des Nebenzweckprivilegs durch Vereinsmitglieder zusätzlich mit der Sanktion ihrer (rückwirkenden) persönlichen Haftung zu belegen, schon wegen Fehlens einer - regelungsbedürftigen - Gesetzeslücke kein Raum. Überdies trifft die Ausgangsthese des Berufungsgerichts, es entspreche "allgemeinen korporationsrechtlichen Grundsätzen, dass die Mitglieder bzw. Gesellschafter einer Körperschaft grundlegenden strukturellen Fehlentwicklungen durch nachhaltige Maßnahmen entgegenzutreten haben und sie bei der Verletzung einer solchen Pflicht einer persönlichen Haftung unterworfen" sind, nicht zu; ein derartiger Durchgriffstatbestand ist dem geltenden Recht fremd. BGH, Urteil vom 10. Dezember 2007 - II ZR 239/05 LG Dresden – 10 O 5117/02 – Entscheidung vom 6.4.2004 OLG Dresen – 2 U 897/04 – Entscheidung vom 9.8.2005 insoinfo
Verfasser: Hermann Kulzer, Fachanwalt für Insolvenzrecht
 
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