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15.10.2015 |
Haftungsrisiken des Geschäftsführers und Tipps zur Vermeidung |
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1. Kapitalaufbringung bei wirtschaftlicher Neugründung, Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs haften im Falle einer wirtschaftlichen Neugründung (Aktivierung einer leeren Unternehmenshülle) die Gesellschafter für die Auffüllung des Gesellschaftsvermögens bis zur Höhe des in der Satzung ausgewiesenen Stammkapitals (Unterbilanzhaftung). Achtung: Auch den Erwerber trifft eine etwaige Unterbilanzhaftung.
2. Existenzvernichtungshaftung Die Existenzvernichtungshaftung gemäß § 826 BGB besteht für missbräuchliche, zur Insolvenz der GmbH führende oder diese vertiefende kompensationslose Eingriffe in das Gesellschafts-vermögen, z.B. Abzug von Finanzmitteln oder des einzigen Patents oder Abschluss eines ungünstigen Geschäftsbesorgungsvertrages. Ein existenzvernichtender Eingriff soll jedoch nicht bei bloßer Veräußeriung der Vermögensgegenstände der GmbH zu Marktpreisen vorliegen. Die Haftung ist eine reine Innenhaftung der Gesellchafter gegenüber der Gesellschaft. Die regelmäßige Verjährung für den Anspruch aus Existenzvernichtungshaftung beginnt erst zu laufen, wenn dem Gläubiger die anspruchsbegründenden Umstände bekannt sind. Der GmbH-Geschäftsführer haftet neben der Gesellschaftern gemäß § 43 Abs.2 GmbHG.
Auch Nichtgesellschafter können wegen Beihilfe zu einem existenzvernichtenden Eingriff gemäß §§ 826 , 830 Abs.2 BGB haften. Den Gesellschaftern, Geschäftsführern und Nichtgesellschaftern obliegt ein Solvenztest, der die zukünftige Fähigkeit der Gesellschaft, trotz des Mittelabzuges ihre Verbindlichkeiten erfüllten kann, bestätigen soll (vgl. Rosenberg, Unternehmenskauf Eilers/Koffka/Mocksen, 2. Auflage 2012, § 129 Rdnr. 14 m.v.N.).
3. Eigenhändige Rechtsverletzung des Geschäftsführers Jeder Geschäftsführer haftet dem Geschädigten direkt für Delikte, die er "eigenhändig" bzw durch positives Tun begangen und dadurch absolut geschützte Rechtsgüter verletzt hat.
4. Krisenmanagement 4.1. Organisation der permanenten Übersicht über die wirtschaftliche Lage Ein GmbH-Geschäftsführer muss sich um die Organisation seiner Gesellschaft kümmern, die ihm die zur Wahrnehmung seiner Pflichten erforderliche Übersicht über die wirtschaftliche und finanzielle Situation der Gesellschaft jederzeit ermöglicht, BGH vom 19.06.2012 - II ZR 243/11, ZIP 2012, 1557. Tipp: Krisen- bzw Risikomanagement aufbauen- mit einem Spezialisten 4.1.1. Überschuldungsprüfung und Fortführungsprognose Die dramatischen Auswirkungen der Finanz- und Wirtschaftskrise haben den Gesetzgeber im Herbst 2008 veranlasst, rasche Maßnahmen zur Marktstabilisierung zu treffen. Im Oktober 2008 verabschiedete der Deutsche Bundestag das Finanzmarktstabilisierungs gesetz, in welchem der Überschuldungsbegriff in der Insolvenzordnung in § 19 Absatz 2 InsO geändert worden ist. Danach liegt keine Überschuldung bei positiver Fortführungsprognose vor. Mit dem ESUG wurde die Befristung im September 2009 bis Ende des Jahres 2013 verlängert. Der deutsche Bundestag hat am 09.11.2012 beschlossen, die bisher bis zum 31. Dezember 2013 befristete Regelung zur insolvenzrechtlichen Überschuldung (§ 19 Abs. 2 InsO) unbefristet auf Dauer beizubehalten. Danach liegt eine Überschuldung auch nach dem Jahr 2013 nicht vor, wenn die Fortführung des Unternehmens nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich ist.
Der eingeführte Überschuldungsbegriff hat sich in der Praxis bewährt. Nicht jede Kapitalgesellschaft, die buchmäßig als überschuldet gilt, ist auch insolvent Die Entfristungsregelung bringt für die betroffenen Unternehmen die im Rechts- und Wirtschaftsverkehr erforderliche Rechtssicherheit.
Fortführungsprognose Voraussetzungen: *Fortführungswille *Unternehmensanalyse (Vergangenheitsanalyse) *Unternehmenskonzept zukunftsorientiert (Ziele, Strategie, Plansoll) *Qualifizierter Ertragsplan (Wirkungen des Unternehmenskonzepts für mindest. 1 Jahr) *Abgeleiteter Finanzplan (Liquiditätsplan) 4.1.2. Liquiditätsprüfung Die GmbH ist zahlungsunfähig, wenn sie nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen, § 17 Abs.2 S.1 InsO. Kann sie sich innerhalb von drei Wochen die zur Begleichung ihrer fälligen Forderungen benötigten Mittel nicht beschaffen, liegt nicht mehr eine Zahlungsstockung vor, sondern eine Zahlungsunfähigkeit vor, BGH Urt. v. 27.03.2012 - II ZR 171/10
Aufbau Liquiditätsstatus: *Aktivseite: Kasse, Bank Scheck und eingeräumter Kontokorrent *Passivseite: alle fälligen Verbindlichkeiten (Achtung: auch die fälligen Forderungen des Gesellschafters sind zu berücksichtigen, BGH, Urt. v. 09.10.2012 - II ZR 298/11 ZInsO 49/2012 4.2. Beratungspflicht bei fehlenden Spezialkenntnissen Soweit der GmbH-Geschäftsführer nicht über ausreichend persönliche Kenntnisse verfügt, selbständig zu prüfen, ob die Gesellschaft insolvent ist oder nicht, hat er sich bei Anzeichen einer Krise der Gesellschaft unverzüglich unter umfassenden Darstellung der Verhältnisse der Gesellschaft und Offenlegung der erforderlichen Unterlagen von einer unabhängigen, für die zu klärenden Fragestellungen fachlich qualifizierten Person beraten zu lassen. Der Geschäftsführer muss auf die unverzügliche Bearbeitung und Vorlage der Prüfungsergebnisse hinwirken. Die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsführers gebietet es ferner, das Prüfergebnis einer Plausibilitätsprüfung zu unterziehen, BGH vom 27.03.2012 - II ZR 171/10, ZIP 2012, 1174
5. Folgen von Pflichtverletzungen 5.1. Zivilrechtliche Haftung des Geschäftsführers gegenüber der GmbH Die Geschäftsführer haben in den Angelegenheiten der Gesellschaft gemäß § 43 Abs.1 GmbHG die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns anzuwenden. Sie haften der Gesellschaft für die Verletzung ihrer Pflichten aus § 43 Abs.2 GmbHG. Die Geschäftsführer sind der Gesellschaft zum Ersatz von Zahlungen verpflichtet, die nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft oder nach Feststellung der Überschuldung geleistet werden, § 64 S.1 GmbHG Dies gilt nicht für Zahlungen, die auch nach diesem Zeitpunkt mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes vereinbar sind, § 64 S.2 GmbHG. 5.2. Zivilrechtliche Haftung des Geschäftsführer gegenüber Dritten Der Geschäftsführer kann gemäß § 826 BGB wegen sittenwidriger vorsätzlicher Schädigung des Vertragspartners schadensersatzpflichtig sein, wenn er weiß oder wissen muss, dass die GmbH zur Erfüllung der begründeten Verbindlichkeiten nicht in der Lage ist oder dass die Durchführung des Vertrages schwerwiegend gefährdet ist 5.3. Strafrechtliche Sanktion Der Geschäftsführer, der nicht rechtzeitig die Insolvenz einleitet, erfüllt den objektiven Tatbestand der Insolvenzverschléppung. Vermögensverfügungen in dieser Phase, z.B. unter Wert, können den Tatbestand des Bankrotts erfüllen.
6. Weitere Sicherungsmaßnahmen 6.1. Haftpflichtversicherung (D&O-Versicherung) Jeder Rechtsanwalt, Steuerberater, Architekt hat eine Haftpflichtversicherung für etwaige Schadensfälle. Jeder Geschäftsführer, Vorstand oder Aufsichtsrat sollte auch eine haben. Haben Sie eine? 6.2. Haftungsbegrenzungsklauseln *Deckelung des Schadensumfangs *Modifizierung Sorgfaltsmaßstab
Hermann Kulzer Fachanwalt für Insolvenzrecht Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht Wirtschaftsmediator (univ) Master of business adminstration (Dresden)
0351 8110233 kulzer@pkl.com Glashütterstraße 101 a, Dresden, Striesen
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Verfasser: Hermann Kulzer, Fachanwalt für Insolvenzrecht, Fachanwalt für Handels-und Gesellschaftsrecht |
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