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Welche Möglichkeiten, Rechte, Pflichten und Chancen haben Arbeitnehmer, Arbeitgeber und Investoren in Krise und Insolvenz?
1. Handlungsmöglichkeiten in der Krise und Insolvenz 1.1. Handlungsmöglchkeiten des Arbeitgebers 1.1.1. Lohnkostenreduzierung 1.1.2. Überstundenabbau 1.1.3. Betriebsruhe 1.1.4. Abbau von Sonderzuwendungen 1.1.5. Kurzarbeitergeld (KuG) gemäß §§ 95 ff SGB III bei vorübergehenden, unvermeidbaren Arbeitsausfall: max. 6 Monate 60 - 67 Prozent des ausgefallenen Nettolohnes (§ 105 SGB III) 1.1.6. Schaffung/Erhaltung einer arbeitsfähigen Belegschaft (Gestaltungsspielraum bei etwaiger Sozialauswahl) Schritt 1: Sammlung und Darstellung der Sozialdaten Schritt 2: Ermittlung der Leistungsträger ( A;B;C) Schritt 3: Kennzeichnung des Anforderungsprofils der Arbeitsplätze von Leistungsträgern Schritt 4: Kennzeichnung der relevanten Bereiche einer Sozialauswahl Schritt 5: Erstellung eines geeigneten Punkteschemas für die Sozialauswahl Schritt 6: Bildung von Altersgruppen bei der Sozialauswahl, BAG 22.03.2012 - 2 AZR 167/11 1.2. Handlungsmöglichkeiten des Arbeitnehmers 1.2.1. Zurückbehaltungsrecht bei Zahlungsverzug 1.2.2. Außerordentliche Kündigung bei Verzug mit 2- 3 Monatslöhnen 1.2.3. Lohnzahlungsklage 1.2.4. Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens 1.2.5. Bedingter Verzicht auf Lohn 2. Folgen der Insolvenzeröffnung 2.1. Allgemeines Das Arbeitsverhältnis wird mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens normal fortgesetzt, § 108 Abs.1 S.1 InsO. Der Insovenzverwalter übernimmt die Arbeitgeberfunktion. Lohnansprüche nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens müssen als Masseverbindlichkeiten voll befriedigt werden. 2. 2. Kündigungsschutz Kündigungsfristen aus Tarifverträgen und Arbeitsverträgen sind innerhalb von Insolvenzverfahren durch Sonderregelungen überlagert. Der Insolvenzverwalter hat ein Sonderkündigungsrecht gemäß § 113 InsO: drei Monate zum Monatsende. Weitergehende Ansprüche können als Schadensersatzanspruch zur Tabelle angemeldet werden. Die Insolvenz allein stellt keinen Kündigungsgrund dar. Das Kündigungsschutzgesetz findet Anwendung: betrieblicher Geltungsbereich § 23 Abs.1 KSchG persönlicher Geltungsbereich § 1 Abs.1 KSchG. Wenn nicht alle Arbeitnehmer gekündigt werden, ist eine Sozialauswahl erforderlich. Die Kündigung muss sozial gerechtfertigt sein. Grundsätzlich ist die unternehmerische Entscheidung frei und nicht vom Gericht überprüfbar. Das Bundesarbeitsgericht hat jedoch die unternehmerische Entscheidungsfreiheit eingeschränkt, vgl. BAG vom 19.06. 2012 und BAG vom 23.04.2008 2 AZR 1110/06 2.3. Sozialplan Soweit ein Betriebsrat vorhanden ist, kann bei Personalabbau ein Interessenausgleich und Sozialplan abgeschlossen werden. Die Höhe des Sozialplanvolumens ist auf 2,5 Monatsgehälter pro Arbeitnehmer begrenzt. 2.4. Forderungsanmeldung von Altforderungen Lohnforderungen, die älter sind als drei Monate vor Insolvenzeröffnung, sind normale Insolvenzforderungen, die zur Tabelle augemeldet werden müssen. Sie haben keinen Vorrang. Die Forderungen der Arbeitnehmer müssen also nicht eingeklagt werden. 2.5. Insolvenzgeld Insolvenzgeld wird von der Bundesagentur für Arbeit für offene Lohn- und Gehaltsansprüche der letzten drei Monate vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens bezahlt. Alternativ wird das Insolvenzgeld auch bezahlt, wenn das Insolvenzverfahren mangels Masse abgewiesen wird oder die vollständige Betriebsaufgabe erfolgt ist. Der Antrag kann durch die Arbeitnehmer selbst gestellt werden. Meist wird das Insolvenzgeld durch koordinierte Aktion des Insolvenzverwalters mit der Arbeitsagentur organisiert oder -wenn die Agentur für Arbeit zustimmt- von einem Kreditinstitut vorfinanziert. Der Arbeitnehmer verkauft seine Forderung auf Insolvenzgeld an die Bank. Der Arbeitnehmer erhält so schnell seinen ausgefallenen Nettolohn. Gleichzeitig werden durch die Bundesagentur die Sozialversicherungsbeiträge (Renten- Kranken-, Pflege-, Arbeitslosenversicherung) entrichtet. Für das Insolvenzgeld gibt es jedoch Höchstgrenzen. 2.6. Insolvenzanfechtung der Lohnzahlung Der Insolvenzverwalter kann unter Umständen auch Lohnzahlungen an Arbeitnehmer anfechten, wenn der Arbeitgeber zum Zeitpunkt der Zahlung bereits zahlungsunfähig war. Allein die Kenntnis des Arbeitnehmers von Lohnrückständen reicht aber für die Anfechtung nicht aus. Der Arbeitnehmer muss Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit haben, vgl. BGH v. 19.02.2009 IX ZR 62/08 2.7. Betriebsübergang Auch innerhalb des Insolvenzverfahrens gilt § 613 a BGB. Es muss daher immer geprüft werden, ob ein Betriebsübergang vorliegt. Manchmal hat ein Arbeitnehmer trotz zuvor erfolgter Kündigung sogar einen Anspruch auf Wiedereinstellung. Zur Vermeidung des § 613 a BGB ist die umfangreiche Rechtsprechung des BAG zu beachten. Ein Leitsatz lautet: je höher die Qualifikationsgrad desto schneller der Betriebsübergang. Das "Spiel über die Bande" z.B. Übernahme von Mitarbeitern aus Transfergesellschaft ist kritisch, vgl. BAG vom 18.08.2005 AZR 323/04 mit Ausnahme: BAG v. 25.10.2012 8 AZR 572/11 2.8. Betriebliche Altersvorsorge / Direktversicherung 2.8.1. Direktversicherung mit widerruflicher Bezugsberechtigung Der Anspruch des Arbeitnehmers auf den Rückkaufswert fällt in die Masse 2.8.2. Direktversicherung mit unwiderruflicher Bezugsberechtigung Der Anspruch des Arbeitnehmers ist insolvenzfest und fällt nicht in die Masse 2.8.3. Direktversicherung mit eingeschränkt unwiderruflichen Bezugsrecht Es kommt darauf an, ob zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung die Voraussetzungen des Widerrufs bereits vorliegen oder nicht. 2.9. Massenentlassung Im Insolvenzverfahren sind manchmal Massenentlassungen gemäß § 17 KSchG erforderlich: *rechtzeitige Anzeige an den Betriebsrat mit Nachricht an Agentur für Arbeit *Anzeige an Agentur für Arbeit 2.10. Zeugnis gemäß § 630 BGB Der Anspruch ist gegen den ehemaligen Arbeitgeber zu richten, wenn das Arbeitverhältnis bereits beendet war.
Für Fragen und Hilfe steht Ihnen pkl mit unterschiedlichen Fachanwälten (Insolvenzrecht, Arbeitsrecht ua.) gerne zur Verfügung.
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