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01.03.2021 < Zahlungsunfähigkeit: zivil- und strafrechtliche Beurteilung, Definition, Dreiwochenfrist, Passiva II, Insolvenzverschleppung
Information

A. Was ist neu in 2021

1. Das neue SanInsFoG

Ende 2020 hat der deutsche Gesetzgeber ein Gesetz zur Fortentwicklung des Insolvenz- und Sanierungsrechts verabschiedet - das SanInsFoG, das am 1.1. 2021 in Kraft getreten ist.
Dort erfolgte auch eine Anpassung zentraler Bestimmungen des Insolvenzrechts unter Berücksichtigung der Erfordernisse einer modernen Sanierung auf Grund der Corona- Pandemie. 

2. Zeitpunkt der Insolvenzantragspflicht

Bei dem Vorliegen des Insolvenzgrundes der Zahlungsunfähigkeit oder der Überschuldung muss nach § 15a InsO unverzüglich ein Insolvenzantrag gestellt werden. Wenn dies der Geschäftsführer unterlässt, werden Haftungstatbestände ausgelöst.

Geändert hat sich, dass der Insolvenzantrag bei einer Überschuldung jetzt spätestens in sechs Wochen zu stellen ist. Bei dem Insolvenzgrund der Zahlungsunfähigkeit bleibt es - wie bisher - bei (höchstens) drei Wochen. Diese Fristen können nur ausgeschöpft werden, wenn die Sanierung noch möglich - also nicht aussichtslos ist. 

3. Abgrenzungen und Prognosen

Das SanInsFoG grenzt die drohende Zahlungsunfähigkeit von der Zahlungsunfähigkeit und der Überschuldung ab und legt verbindlich einen Zeitraum zur Prüfung der Liquidität fest.

Das SanInsFoG beachtet auch die Corona-Pandemie und beschränkt den Zeitraum zur positiven Fortbestehensprognose.

4. Haftungserleichterungen nach § 15b InsO

Geschäftsführer haben nun mehr Klarheit, welche Zahlungen sie nach Eintritt der Insolvenzreife noch leisten dürfen und welche nicht. 

B. Was gilt/galt nach altem Recht?

1. Lateinische Herkunft

Solvendo non esse (lat) = zahlungsunfähig sein

2. Wie definierte die alte Rechtsprechung (BGH von 1956)die Zahlungsunfähigkeit?

"Zahlungsunfähigkeit ist das auf dem Mangel an Zahlungsmitteln beruhende, dauernde Unvermögen des Schuldners seine sofort fälligen Geldschulden im wesentlichen zu begleichen".

3. Wie wird Zahlungsunfähigkeit definiert in § 17 Abs. 2 InsO?

"Der Schuldner ist zahlungsunfähig, wenn er nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen". In der Regel ist von einer Zahlungsunfähigkeit auszugehen, wenn der Schuldner seine Zahlungen eingestellt hat. Zahlungsunfähigkeit ist im Rahmen des § 17 InsO immer Geldilliquidität. 
Zu den baren Zahlungsmitteln sind alle Vermögensgegenstände zu zählen, die kurzfristig liquidierbar sind. 

4. Ernsthaftes Einfordern und Dreiwochenfrist
Der Bundesgerichtshof hat zahlreiche Einzelfragen zur Zahlungsunfähigkeit entschieden, die berücksichtigt werden müssen. Zwei wesentliche Entscheidungen nachfolgend:

  • Dreiwochenfrist

Der BGH hat entschieden, dass für die Zahlungsunfähigkeit bereits genügt, wenn weniger als 10 % der fälligen Schulden offen bleiben und nicht innerhalb der nächsten drei Wochen bezahlt werden können.

  • Ernsthaft eingeforderte Verbindlichkeiten

Das Insolvenzgericht hat im Rahmen seiner Amtsermittlungspflicht (§ 5 Abs.1 InsO)  Tatsachenbehauptungen des Schuldners oder anderen Anhaltspunkten nachzugehen, die konkret als möglich erscheinen lassen, dass der Gläubiger sich dem Schuldner gegenüber mit einer nachrangigen Befriedigung unter - sei es auch zeitweiligem - Verzicht auf staatlichen Zwang einverstanden erklärt hat. (vgl. BGH, Urt. v. 8. Oktober 1998)

Die Leitsätze des BGH lauten:


Eine Forderung ist in der Regel dann im Sinne von § 17 Abs.2 InsO fällig, wenn eine Gläubigerhandlung feststeht, aus der sich der Wille, vom Schuldner Erfüllung zu verlangen, im Allgemeinen ergibt.

Forderungen, deren Gläubiger sich für die Zeit vor Eröffnung eines Insolvenzverfahrens mit einer späteren oder nachrangigen Befriedigung einverstanden erklärt haben, sind bei der Prüfung der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners nicht zu berücksichtigen.
BGH, Beschluss vom 19. 7. 2007 - IX ZB 36/ 07
 
So lange der Gemeinschuldner seinen Verbindlichkeiten nachkommt, hat niemand das Recht, sich in seine Verhältnisse einzudrängen, ihn aus dem Besitz zu setzen und seine produktive Tätigkeit zu unterbrechen, möchte auch bei gleichzeitigem Andrängen aller Gläubiger sein Vermögen zur vollständigen Befriedigung derselben nicht ausreichen. Eine getroffene Vereinbarung zwischen dem Gläubiger und dem Schuldner darüber, dass die Forderung im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten des Schuldners beglichen werden kann, ändert zwar an der Fälligkeit der Forderung im Sinne von § 271  BGB nichts.
Die Forderungsgläubigerin kann aber zum Ausdruck bringen, dass sie weder eine bevorrechtigte Befriedigung im Rahmen des vollstreckungsrechtlichen Prioritätsprinzips noch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners anstrebt, sondern je nach den finanziellen Möglichkeiten des Schuldners mit einer nachrangigen Befriedigung einverstanden ist.
Eine derartige Forderung kann dann nicht zur Begründung einer Zahlungsunfähigkeit im Sinne von § 17  Abs. 1 InsO herangezogen werden.  

5. Wie beurteilt man die Zahlungsunfähigkeit?

Es gibt einen Prüfungsstandard zur Beurteilung eingetretener oder drohender Zahlungsunfähigkeit.
Die Beurteilung, ob Zahlungsunfähigkeit vorliegt, erfolgt auf Grundlage eines

  • Finanzstatus und eines darauf aufbauenden 
  • Finanzplans.

Wenn der Finanzstatus keine Liquiditätslücke ausweist, liegt keine Zahlungsunfähigkeit vor.
Wenn der Finanzstatus zeigt, dass am Stichtag die fälligen Verbindlichkeiten mit den zur Verfügung stehenden liquiden Mitteln nicht bedient werden können, liegt eine Zahlungsunfähigkeit nicht vor, wenn auf Basis des Finanzplans davon ausgegangen werden kann, dass die Liquiditätslücke innerhalb des vom Bundesgerichtshof zugestandenen Prüfungszeitraums von drei Wochen zumindest bis auf einen geringfügigen Rest ausgeglichen wird. Daher ist die Beurteilung der Liquiditätslage zum Stichtag auf der Grundlage des Finanzstatus durch eine Beurteilung des künftigen Entwicklung auf der Grundlage eines Finanzplans zu ergänzen.

Mit IDW S 11 veröffentlichte das Institut Deutscher Wirtschaftsprüfer(IDW) in 2015 einen Standard zur Beurteilung der Zahlungsunfähigkeit, Überschuldung und drohenden Zahlungsunfähigkeit.
Darin werden – unter Berücksichtigung der aktuellen höchstrichterlichen Rechtsprechung – auch im Schrifttum kontrovers diskutierte Zweifelsfragen aufgegriffen.
Das IDW nimmt eine insgesamt eher konservative Sichtweise ein: Nach IDW S 11 ist ein Unternehmen zahlungsunfähig, wenn es eine auch nur geringfügige Liquiditätslücke von wenigen Prozent der zum Stichtag fälligen Verpflichtungen auf Dauer nicht vollständig schließen kann. Entgegen der im Schrifttum zum Teil vertretenen Auffassung sind nach IDW S 11 in dem für die Beurteilung der Insolvenzreife erforderlichen Finanzplan auch künftige Zahlungsausgänge zwingend zu berücksichtigen.

Gegenüber dem Entwurf IDW ES 11 wurde neben einigen Klarstellungen eine Konkretisierung des Prognosehorizonts vorgenommen: Während bei der Überschuldungsprüfung regelmäßig das laufende und folgende Geschäftsjahr zu berücksichtigen sind, kann der Prognosehorizont bei der Beurteilung der drohenden Zahlungsunfähigkeit ausnahmsweise dann kürzer sein, wenn zum Beurteilungsstichtag nur kurzfristige Verbindlichkeiten bestehen.
IDW S 11
ersetzte IDW PS 800 und IDW FAR 1/1996.

6. Wer prüft die Zahlungsunfähigkeit?
Idealerweise muss der Geschäftsführer die Zahlungsfähigkeit regelmäßig prüfen- erst recht in Krisensituationen. Die zusätzliche Einschaltung von Insolvenzrechtlich versierten Rechtsanwälten ist dringend angeraten.

7. Streitige Forderungen

Schwierig ist die Frage zu beantworten, ob und mit welchem Betrag streitige Forderungen mit in die Prüfung der Zahlungsfähigkeit einbezogen werden müssen, vgl. Nichert Lambertii  Begriff der Zahlungsunfähigkeit S.9.
Die Fälligkeit einer Forderung impliziert auch deren Durchsetzbarkeit, also ihre Freiheit von Einreden und Einwendungen, Graf Schlicker § 17 Rdnr. 7.

Soll heißen: Bei Einwendungen keine Fälligkeit?
Die Auffassung würde dazu führen, dass Schuldner mit vorgeschobenen und fadenscheinigen Argumenten den Eintritt der Zahlungsunfähigkeit solange hinauszögern können, bis die künftige Insolvenzmasse "verbraucht" ist und schlimmstenfalls das Verfahren mangels Masse nicht eröffnet wird.

Ob streitige Verbindlichkeiten zu berücksichtigen ist, soll von der Wahrscheinlichkeit ihrer Existenz bzw. der drohenden sofortigen Inanspruchnahme abhängen, vgl. Uhlenbruck in Karsten Schmidt/Uhlenbruck: Die GmbH in der Krise Rdnr. 5.25.
In der Literatur wird überwiegend vertreten, dass streitige Verbindlichkeiten je nach Wahrscheinlichkeit mit einem Schätzwert berücksichtigt werden müssen, Uhlenbruck a.a.O. und Nciert Lamberti S. 10.

Liegt über die streitige Forderung ein vorläufig vollstreckbarer Titel vor, war früher in der Literatur streitig, ob die Forderung allein auf Grund ihrer vorläufigen Vollstreckbarkeit als fällige Verbindlichkeit berücksichtigt werden muss.
Dies kann an dieser Stelle auf Grund der damit eingehenden Risiken nicht rechtssicher dargestellt werden. 

Es ist dringend anzuraten einen Rechtsanwalt/Fachanwalt aufzusuchen und dies prüfen zu lassen. 
Spätestens mit Einleitung der Vollstreckung hat sich jedoch die Frage geklärt.
Dann hilft dem Schuldner nur noch Sicherheit zu legen oder den Insolvenzantrag zu stellen.

Durch das Fordern oder Leisten von Sicherheit wird eine Verteilung des Insolvenzrisikos vorgenommen:
Darf der Kläger aus einem Urteil nur vollstrecken, wenn er in Höhe des zu vollstreckenden Betrages Sicherheit leistet, so muss der Beklagte nicht besorgen, dass der Kläger den beigetriebenen Betrag nach einer für den Beklagten erfolgreich durchgeführten Berufung nicht mehr besitzt. Spätestens bei Vorliegen eines vorläufig vollstreckbaren Urteils muss der Schuldner daher bezahlen, eine Sicherheit zur Abwehr der Vollstreckung leisten oder Insolvenz anmelden. Bei anderen Einwendungen und Einreden gegen die Forderung ist dringend ein Fachanwalt für Insolvenzrecht aufzusuchen zur Prüfung, ob diese Forderungen jetzt im Status angesetzt werden müssen oder nicht.

Im Zweifel gilt immer der Vorsichtsgrundsatz um strafrechtliche Sanktionen und eine persönliche Haftung zu vermeiden.

8. Sind bei der Beurteilung auch künftige fällige Verbindlichkeiten- sogenannten Passiva II-  in die Betrachtung einzubeziehen?

Früher war höchstrichterlich ungeklärt, ob bei der Beurteilung des Zahlungsunfähigkeit auf der Passivseite nur die zum Stichtag fälligen Verbindlichkeiten einstellen, oder auch die innerhalb der nächsten drei Wochen fällig werdenden Verbindlichkeiten - die sogenannten Passiva II.
Dies war weder vom II. oder dem IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs noch durch den 1. bis 3 Strafsenat des BGH entschieden worden.

Nach einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs aus dem Jahr 2003 sind im Rahmen einer Liquiditätsbilanz die aktuell verfügbaren und kurzfristig verfügbar werdenden Mittel in Beziehung gesetzt zu den an demselben Sticktag fälligen und eingeforderten Verbindlichkeiten bzw. es sind die "im maßgeblichen Zeitpunkt verfügbaren und innerhalb von drei Wochen flüssig zu machenden Mittel in Beziehung zu setzen zu den am selben Stichtag fälligen und eingeforderten Verbindlichkeiten" (BGH IX ZR 228/03).

In der Kommentierung wurde dies teilweise so ausgelegt, dass die Passiva II, also die im Dreiwochenzeitraum neu fällig werdenden Verbindlichkeiten,  nicht in die Liquiditätsbilanz einzustellende Passiva sind.

Nach der herrschenden Meinung im Schrifttum hingegen sollten auch die erst während der Dreiwochenzeitraums fällig werdenden Verbindlichkeiten des Schuldners (Passiva II) zu berücksichtigen sein, z.B. Bork in ZIP 2008, 1749 ff und Vorsitzender Richter am BGH a.D. Dr. Ganter ZInsO 2011, 2297 ff.


Der Bundesgerichtshof hat mit seiner Entscheidung vom 19.12.2017 ( II ZR 88/16) diese Frage abschließend entschieden und klargestellt, dass auch die Passiva II bei der Prüfung der Zahlungsunfähigkeit in die Prüfung einbezogen werden müssen. Damit hat er der Bugwellentheorie - dem Vorsichherschieben von Verbindlichkeiten- eine Absage erteilt.

In die zur Feststellung der Zahlungsunfähigkeit aufzustellende Liquiditätsbilanz sind auf der Aktivseite neben den verfügbaren Zahlungsmitteln(sogenannte Aktiva I) die innerhalb von 3 Wochen fällig werdenden und eingeforderten Verbindlichkeiten (sogenannten Passiva II) in Beziehung zu setzen. Auch die innerhalb von 3 Wochen nach dem Stichtag fällg werdenden Verbindlichkeiten (Passiva II) sind bei der Feststellung der Zahlungsunfähigkeit zu berücksichtigen.

Das ist jetzt die richtige Darstellung:

Aktiva I + Aktiva II                                                                  
_________________  = Deckungsgrad  >  90 %                                                             

Passiva I + Passiva II                                  


9. Was sind die Gefahren der Zahlungsunfähigkeit?

  • Risiko Betrugsdelikte

Wer nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit noch Geschäfte mit Dritten eingeht, beispielsweise Wareneinkäufe tätigt, erfüllt unter Umständen den Tatbestand des Betruges (§§ 263, 263, 265 b StGB). 

  • Anfechtbarkeit der Rechtsgeschäfte und Zahlungen

Nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit sind eine Vielzahl von geleisteten Zahlungen und gestellten Sicherheiten anfechtbar, §§ 130, 131, 133, 134  InsO.

  • Haftung des Geschäftsführers gegenüber dem Insolvenzverwalter

Für Zahlungen nach Insolvenzreife droht dem Geschäftsführer die persönliche Haftung und die Verurteilung wegen Insolvenzverschleppung. Zur Vertiefung: In seinem Urteil vom 25. 1. 2011 (NZI 2011) betrachtete der Bundesgerichtshof die Haftung des GmbH-Geschäftsführers für Zahlungen auf rückständige, zum Zeitpunkt ihrer eigentlichen Fälligkeit nicht beglichene, Sozialversicherungs- und Umsatzsteuerverbindlichkeiten.

  • Haftung des Geschäftsführers gegenüber Neugläubigern

Eine Neugläubigerin, die ihre Forderungen gegen die Insolvenzschuldnerin nach Eintritt der Insolvenzantragspflicht erworben hat, ist nicht auf die Geltendmachung eines Quotenschadens beschränkt. Beim Neugläubigerschaden bestimmt sich der Schaden nicht nach einem willkürlich herausgegriffenen Spitzenbetrag, sondern nach einem zu schätzenden Durchschnittsbetrag des durch die Verletzung der Insolvenzantragspflicht entstandenen Schadens, der dann vom Endsaldo zum Tag der Insolvenzantragstellung abzuziehen ist, OLG Koblenz, Urteil vom 09.12.2010 - 2 U 225/05,

  • Haftung des Beraters der GmbH

Der Rechtsanwalt einer insolventen Kapitalgesellschaft ist verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass diese bei Zahlungsunfähigkeit den fälligen Insolvenzantrag auch stellt, vgl BGH, IX ZR 289/99; ZIP 2001, 33 

  • Insolvenzverschleppung - insbesondere Fahrlässigkeit

Strafbar macht sich gemäß § 15 a IV InsO, wer einen Insolvenzantrag nicht, nicht richtig oder nicht rechtzeitig stellt. Nach § 15 a V InsO ist die fahrlässige Verletzung der Antragspflicht strafbar. Fahrlässigkeit liegt vor:
BGH ZIP 2012, 1557: einfache Fahrlässigkeit reicht; Verschulden wird vermutet. Der Geschäftsführer muss bei Anzeichen einer Krise für eine Organisation sorgen, die ihm die Übersicht über die wirtschaftliche und finanzielle Situation der GmbH oder AG oder UG ermöglicht: Eine betriebswirtschaftliche Auswertung allein reicht nicht, da in dieser keine Rückstellungen enthalten sind. 
BGHZ NJW 2012, 1174: Es muss qualifizierter Rat von Fachkundigen eingeholt werden, wenn persönliche Kenntnisse unzureichend sind.
BGH ZIP 2007, 2118: Bei Rat durch qualifiziertem Berufsträger kann dies zu einer Entlastung des Geschäftsführers führen.
Zusammenfassung: BGH vom 26.1.2016 II ZR 394/13 Rnr. 32 ff. 

10. Wie kann die Zahlungsunfähigkeit beseitigt werden?

  • Aktivseite: Verbesserung Inkasso, Eintreiben offener Forderungen
  • Aktivseite: Verkauf von nicht benötigtem Anlagevermögen
  • Aktivseite: Sonderverkäufe aus dem Warenlager
  • Passivseite: Verlängerung Zahlungsfristen; Stundungsvereinbarung
  • Passivseite: Erhöhung Kreditrahmen
  • Passivseite: Gesellschafterdarlehen
  • Passivseite: Sale-and lease back
  • Passivseite: Verzicht auf Entgeltbestandteile durch das Personal
  • Passivseite: Bürgschaften und Fördermittel durch die öffentliche Hand

11. Eine Entscheidung des BGH: penible Darstellung des Strafgerichts erforderlich

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen vier Fällen des Bankrotts zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. 

Die Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge Erfolg.

Die Feststellungen tragen den Schluss der Kammer, der Angeklagte habe im Sinne von § 283 Abs. 2 StGB durch vier Auszahlungen in Höhe von je 500.000 Euro jeweils die Zahlungsunfähigkeit der A. GmbH herbeigeführt, nicht.

Weder enthalten die Feststellungen ein Rechenwerk, das die Auswirkungen dieser Abflüsse auf die Zahlungsunfähigkeit der später in Insolvenz geratenen GmbH konkret belegt, noch kann dies den Urteilsgründen im Übrigen entnommen werden.

In dem vom Bundesgerichtshof (Strafsenat) Ende 2016 entschiedenen Fall stützte sich die Feststellung der Zahlungsunfähigkeit auf die Angaben des Insolvenzverwalters, der im Strafprozess als Zeugen vernommen wurde.  Dieser hat über die Unterdeckungsquote zu verschiedenen Stichtagen ausgesagt.

Der Sachberarbeiter des Landeskriminalamtes  konnte aufgrund der fehlerhaften Buchhaltung keinen Liquiditätsstatus berechnen. Eine konkrete stichtagsbezogene Gegenüberstellung fehlte also.

Dennoch hat das Strafgericht der Angeklagten verurteilt und das Bestehen einer Zahlungsunfähigkeit für einen längeren Zeitraum als drei Wochen als erwiesen angesehen.

Nach Ansicht des BGH erfolgt die Verurteilung zu Unrecht.
Zwar bestätigte er, dass eine stichtagsbezogene Gegenüberstellung der fälligen Verbindlichkeiten einerseits und der zu ihrer Tilgung vorhandenen oder kurzfristig herbeizuschaffenden liquiden Mittel andererseits zum Zwecke des Tatnachweises der Insolvenzverschleppung als Beweiserhebungsmethode des Strafgerichts zwar zulässig sei. 

Allerdings muss hierbei so penibel vorgegangen werden, dass die strafgerichtliche Darstellung der Liquiditätslage der Gesellschaft zu ausgewählten Stichtagen so aussagekräftig ist, dass eine nachträgliche Überprüfung – insbesondere durch ein Revisionsgericht – ohne weiteres möglich ist. Auch die Art und Weise der Berechnung bzw. der Rechenweg als solcher muss durch ein Revisionsgericht lückenlos nachvollzogen werden können.

Die Verteidigung kann daher durch eigenes Nachrechnen oder durch ein externes Gutachten solche Vorwürfe entkräften.

Für Hilfe zur Beurteilung der Zahlungsfähigkeit, Erstellung einer Liquiditätsbilanz und eines Finanzplanes, einer Risikovorsorge oder Verteidigung stehen wir Ihnen gerne professionell zur Verfügung.


Hermann Kulzer MBA
Fachanwalt für Insolvenzrecht
Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht
Sanierungsmoderator
Insolvenzstrafverteidiger

Kulzer@pkl.com
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Verfasser: Hermann Kulzer MBA Fachanwalt für Insolvenzrecht, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht
 
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