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Massenentlassung bei Siemens II

Die Siemens Aktiengesellschaft ist ein integrierter, börsennotierter Technologiekonzern, der weltweit tätig ist und damit auch dem globalen Wettbewerbsdruck ausgesetzt ist.

Werner von Siemens gründete sein Unternehmen als 18 Jähriger.
Es war ein Wagnis und mehrfach stand er fast vor dem Aus.
Er wurde vom Start-up in Berlin zur Weltfirma
Aus dem Nichts.
Gegen alle Widerstände und Rückschläge.
Was trieb den Gründer und Selfmademan?
Er hatte Visionen, einen starken Willen und Erfindungen.
Das waghalsigste Projekt seines Lebens war die Verlegung eines Transatlantikkabels.

Viele Jahre nach dem Tod des Begründers wirbt Siemens heute:

"Seit bald 170 Jahren finden wir Wege, das Leben in vielen Bereichen zu verbessern.
Unsere Leidenschaft für Technologien treibt uns an, Maßstäbe zu setzen und langfristig Mehrwert zu schaffen – für unsere Kunden, die Gesellschaft und jeden Einzelnen. Unser Firmengründer Werner von Siemens hätte dies Erfindergeist genannt. Wir nennen es heute Ingenuity for life. Ingenuity for life sichert die Grundlage für eine leistungsfähige Wirtschaft und hilft, die Herausforderungen der modernen Energielandschaft zu meistern."

Im Jahr 2016 erwirtschaftete der Konzern einen Gewinn in Höhe von über 6 Milliarden Euro.
Der Fakt,dass Gewinn erwirtschaftet wurde, ist positiv. Die Nachhaltigkeit derartiger Gewinne ist fraglich, wenn Standort von Siemens alternativlos "über Nacht" geschlossen werden sollen.

Das Siemens-Management hat Ende 2017 mitgeteilt, dass aus deren Sicht ein erheblicher Personalabbau erforderlich sei. Es begründet es damit, dass es im Kraftwerksgeschäft bei großen Turbinen einen erheblichen Rückgang von Aufträgen gäbe.

Es sollen daher die Standorte Leipzig und Görlitz geschlossen werden.
Es sind in Gölitz 720 Mitarbeiter betroffen und ini Leipzig 280 Mitarbeiter.
In Summe sollen über 1000 Mitarbeiter entlassen werden.

Görlitz ist eine strukturschwache Region.
Die Arbeitslosenquote lag bisher über dem Bundesdurchschnitt und betrug 13 Prozent.
Viele Menschen fürchten um Ihren Arbeitsplatz und dass auch Zulieferer in Schwierigekeiten kommen und die Region stirbt. Große Unternehmen haben daher auch eine größe Verantwortung.

Ist die Schließung asozial oder strategisch, betriebswirtschaftlich  und technisch notwendig und  rechtlich begründbar? Darf das Managememt so handeln?
Fragen, die jetzt beantwortet werden müssen.

Andere Branchen haben ähnliche Herausforderungen und reagieren anders:
VW baut den Standort Zwickau aus für die neuen Elektroautos.
Es erfolgt kein Personalabbau an anderen Standorten.
Der Konzern schaut in die Zukunft und er baut für die Zukunft- wenn auch stark angeschoben, durch den Dieselskandal.

Anders bei Siemens:
die Schließung scheint alternativlos zu sein, obwohl der Standort bisher rentabel war.
  • Keine Ideen mehr
  • keine zukunftsfähigen Produkte
  • keinen Plan B  für die Zukunft
  • keine Restrukturierung
  • einfach Schließen des Standorts und Entlassung aller Mitarbeiter.
Es gibt aber viel Positives:
  • einen Produktionsstandort
  • qualifizierte Mitarbeiter
  • Know How
  • Moderne Maschinen
  • trainierte Abläufe und
  • funktionierende Prozesse
Man muss jetzt (nur) neue Märkte suchen oder das Produkt anpassen oder eine neues Produkt für diesen (alten) Standort suchen.

Dafür war viel Zeit vorhanden und es gbt noch immer viel Zeit.
Dafür war viel Geld vorhanden, da Siemens über 6 Milliarden Gewinn erwirtschaftet hat im letzten Jahr. Hat das Management vergessen, rechtzeitig zu reagieren und Vorsorge zu treffen?

Es ist doch klar, dass heute Telefonzellen, nicht mehr -wie vor 20 Jahren - Absatz finden.
Gleich verhält es sich in 10 Jahren mit Dieselfahrzeugen.
Vielleicht wird keiner mehr mit Dieselmotoren fahren, man weiß es nicht- es ist aber wahrscheinlich, dass vielmehr Menschen mit E- Autos fahren werden.

Das Management muss dies vorhersehen. 
Man muss beobachten, steuern, planen, reagieren und agieren.
Man muss mit Sorgfalt und Weitblick führen.
Das ist die Aufgabe und Pflicht des Managements.

Die negative Marktentwicklung eines Produktes kommt nicht über Nacht.
Marktentwicklung kann man selbst beeinflussen.
Marktentwicklung ist vorhersehbar und planbar.
Das trifft erst recht zu, wenn ein Unternehmen groß und weltweit tätig ist.
Für kleine und mittelständische Unternehmen ist eine Planung und Beeinflussung der Marktentwicklung viel schwerer.
Diese haben meist gar keine Möglichkeiten einer strategischen Planung und haben auch keine Mittel für die Forschung und Entwicklung neuer Produkte.

Aus meiner Sicht ist daher viel Potential vorhanden.
Von den 6 Milliarden Gewinn von Siemens in 2016 hätte man beispielsweise
  • 1 Milliarde investieren können in die Entwicklung alternativer Energiegewinnungsanlagen (Rückstellung I) 
  • 1 Milliarde für die Weiterbildung der Mitarbeiter und für deren Einarbeitung in neue Technologien (Rückstellung II)
  • 1 Milliarde  in den Umbau des bisherigen Standortes in einen modernen, innovativen Standort (Rückstellung III)
Drei Milliarden weniger Gewinn bedeutet zwar einen hohen Ausfall an Steuern für den deutschen Staat. Nur hat der Staat mittel- und langfristig viel mehr von einem Erhalt von Produktionsstandorten, als von einer Verlagerung ins Ausland.
Gleich verhält es sich für die Aktionäre.
Sie bekommen in einem Jahr weniger Gewinnanteil ausgeschüttet- helfen aber damit, das Unternehmen langfristig stärker zu machen und langfristige nachhaltige Gewinne zu erwirtschaften.
Also lieber 10 mal 4 Prozent Dividende- also zweimal 10 Prozent.

Die Aktionäre bestimmten in der Hauptversammlung die langfristige Unternehmenspolitik.
Der Vorstand muss das Tagesgeschäft erledigen und auch für das Risikomanagement verantwortlich. Er muss alle erforderlichen Informationen einholen, damit sich die Aktionäre und der Aufsichtsrat ein umfassendes Bild machen können.

Der Aufsichtsrat muss wirklich kontrollieren - nicht nur absegnen. Wie kann daher der Aufsichtsrat in dieser Phase schon eine Maßnahme des Vorstands verteidigen? Das muss der Vorstand.

Es geht aber auch um elementare Fragen von Konzernen:

Soll künftig der Maschinenbau auch in China laufen- will Deutschland seine führende Stellung im Maschinenbau (einfach) aufgeben, weil an ausländischen Standorten noch ein höherer Gewinn erwirtschaftet werden kann?

Was kann und muss die Politik tun, um den Industriestandort Deutschland zu erhalten?
Es gibt immer Länder, die billiger produzieren können.

Die Politik muss sich nachhaltig mit dieser Problematik beschäftigen- nicht nur, wenn wieder eine Massenentlassung ansteht- vor irgendeiner Wahl.

Sie muss mit den Managern, Mitarbeiter, Zulieferanten ua. diskutieren und Antworten suchen, wie Deutschland in 5 bis 10 Jahren aussieht bzw. aussehen soll. 
Die Politik kann Rahmenbedingungen schaffen, die Unternehmen und den Erhalt und die Schaffung von Arbeitsplätzen fördern. Industrie 4.0 stellt weitere Anforderungen.
Auch Industrie 4.0. kann viele Arbeitsplätze (alter Art ) kosten und neue Arbeitsplätze schaffen. Unternehmer und Mitarbeiter allein schaffen den Wandel schlecht Es ist eine Herausforderung für alle.

Diesen Umbauprozess muss die Politik begleiten.

Die Manager der Unternehmen müssen es umsetzen- im Zusammenwirken mit den Mitarbeitern und Betriebsräten- nicht gegeneinander sondern miteinander.

Die Politik kann kein Unternehmen zwingen zu investieren. Sie kann aber Stondorte in Deutschland fördern und aufzeigen, was passiert, wenn der Produktionsstandort Deutschland Schritt für Schritt abgebaut wird.

Was kann das Management tun, beim Wandel von Märkten?
Neue Ideen und Produkte sind erforderlich und vielleicht auch neue Wege.
Wie soll das gehen, ohne qualifizierte Mitarbeiter?
Die Entlassung von qualifzierten Mitarbeitern und das Zerschlagung von gewachsenen Strukturen, ist meines Erachtens nicht sachgerecht, sondern der schlechteste Weg- der worst case.

Was hat das Management bisher unternommen:

  • welche Sanierungsmaßnahmen ergriffen?
  • welche Restrukturierungspläne erstellt und umgesetzt?
  • geKämpft um den Erhalt des Standorts?
  • geKämpft um den Erhalt der Mitarbeiter?
  • geforscht und entwickelt um alternative Produkte an diesem Standort produzieren zu können, die konkurrenzfähig sind

Es ist nicht oder schwer erkennbar.

Es war scheinbar eine (einsame) schnelle  Entscheidung des Managements.

Das Management von großen Konzernen muss aber -wie ein normaler GmbH- Geschäftsführer auch- die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns walten lassen. Dazu unten mehr.

Was kann der Betriebsrat tun, um Strukturen vor Ort zu erhalten?

Was ist beispielsweise mit der Produktion neuer Produkte, die den Energiewandel Rechnung tragen? Was ist mit einem Verkauf der Sparte?


Der Betriebsrat darf das Konzept des Managements- soweit eines vorhanden ist- prüfen und prüfen lassen.  Der Betriebsrat darf Fachleute hinzuziehen.  Diese Kosten muss das Unternehmen tragen.

Siemens-Aufsichtsratschef Gerhard Cromme verteidigte die Entscheidung des Konzerns:
"Wir können keine Turbinen bauen, die wir dann auf dem Werksgelände vergraben müssen, weil sie niemand haben will", sagte er dem "Handelsblatt".

Der Aufsichtsrat muss den Vorstand kontrollieren und beraten.
Welche Beratungen und Aufsichtsmaßnahmen erfolgten vor dem Entschluss der Schließung?

Wenn Siemens-Mitarbeiter in Görlitz auf die Begründung des Managements zur angeblich erforderlichen Schließung anspricht, bekommt als Antwort zu hören:

"Industrie-Dampfturbinen, wie sie in Görlitz gebaut werden, sind keine Gasturbinen. Erstere erzeugen Prozessdampf, beispielsweise in Zucker-, Chemie- und Papierfabriken. Die Nachfrage nach ihnen boomt."

Was stimmt? Es besteht daher Klärungsbedarf:

Welche Sorgfaltspflichten hat das Management und was passiert bei Pflichtverletzung?

1. Sorgfaltspflicht des Arbeitgebers:
Diese betrifft Vorkehrungen zum Schutze von Leben und Gesundheit der Arbeitnehmer, bei der Regelung seines Geschäftsbetriebs, z.B. Instandhaltung der Geschäftsräume und Unfallverhütung.

2.  Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes (§§ 86 III, 347 I HGB).
Es kommt darauf an, wie ein ordentlicher und gewissenhafter Kaufmann des gleichen Geschäftszweiges gehandelt hätte.

3. Sorgfaltspflicht bei einer Aktiengesellschaft:
Die Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats müssen die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters anwenden; im Streitfall müssen sie den Beweis dafür erbringen, sonst sind sie zu Schadensersatz verpflichtet (§§ 93, 116 AktG).

Meines Erachtens haften Manager, wenn Sie Entwicklungen nicht erkennen und keine Gegenmaßnahmen ergreifen.  Anhaltspunkte für Pflichtverletzungen liegen vor.
Ob tatsächlich Pflichten verletzt wurden, muss geprüft werden.
Jedenfalls besteht eine Chance, dass die Entscheidung zum Schließen des Standortes nochmals überdacht wird und das nachgeholt wird, was bisher mutmaßlich versäumt wurde:

Erstellung und Durchsetzung von Plan A:

Erhalt des Standorts und der Arbeitsplätze.



Hermann Kulzer MBA (Sozialmanagement)
Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht
Fachanwalt fü Insolvenzrecht
Wirtschaftsmediator (uni DIU)

Dresden

0351 8110233
kulzer@pkl.com




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