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Insolvenzrecht A bis Z
Existenzvernichtender Eingriff

Manche Gesellschafter glauben, die Gesellschaft mit beschränkter Haftung erlaubt nur einen Zugriff auf das Gesellschaftsvermögen.
Dies ist grundsätzlich richtig. Aber die Kapitalaufbringung und -erhaltung ist sehr streng und kann zur nochmaligen Haftung des Gesellschafters im Hinblick auf seine Einlage führen. Weitere Haftungsprobleme kann es für den Gesellschafter persönlich führen, wenn er Eingriffe in der Gesellschaft vornimmt und daurch deren Existenz vernichtet.
Der sogenannte "existenzvernichtende Eingriff" wurde vom Bundesgerichtshof mehrfach anders begründet. Aktuell (Stand 2007) sieht der Bundesgerichthof in einem derartigen Eingriff eine vorsätzlich sittenwidrige Schädigung der Gesellschaft und wendet § 826 BGB an. 


30.11.2023 Darf der Gesellschafter ein Patent der Gesellschaft entnehmen?
Information Ob ein Gesellschafter das einzige Patent der GmbH herausnehmen aus der Gesellschaft und hinsichtlich Kaufpreis mit seinen Forderungen verrechnen darf, hängt von verschiedenen rechtlichen Aspekten ab. 
Ich werde versuchen, Ihnen einige allgemeine Hinweise zu geben, aber bitte beachten Sie, dass dies keine Rechtsberatung darstellt und völlig unverbindlich ist.

1. Inhaber des PatentsZunächst ist zu klären, ob der Gesellschafter der Erfinder oder Mitinhaber des Patents ist oder ob er das Patent von der Gesellschaft erworben hat.

2. AndienungsrechtWenn der Gesellschafter der Erfinder oder Mitinhaber des Patents ist, muss er das Patent der Gesellschaft andienen, d.h. er muss der Gesellschaft anbieten, das Patent zu übernehmen oder zu verwerten. Dies ergibt sich aus der ergänzenden Auslegung des Gesellschaftsvertrags, wenn keine anderweitige Vereinbarung getroffen wurde1. Die Gesellschaft kann dann entscheiden, ob sie das Angebot annimmt oder ablehnt. Wenn sie das Angebot annimmt, muss der Gesellschafter das Patent an die Gesellschaft übertragen oder lizenzieren. Wenn sie das Angebot ablehnt, kann der Gesellschafter das Patent selbst nutzen oder veräußern. In beiden Fällen muss der Gesellschafter der Gesellschaft eine angemessene Vergütung zahlen oder entgegennehmen1.
3. Zustimmung zum ErwerbWenn der Gesellschafter das Patent von der Gesellschaft erworben hat, muss er ebenfalls die Zustimmung der Gesellschaft einholen, bevor er das Patent herausnehmen oder verrechnen kann. Dies ergibt sich aus dem Grundsatz der Treuepflicht, der besagt, dass die Gesellschafter die Interessen der Gesellschaft wahren und keine Handlungen vornehmen dürfen, die der Gesellschaft schaden oder benachteiligen könnten2. Die Zustimmung der Gesellschaft kann durch eine Mehrheitsentscheidung der Gesellschafterversammlung oder durch eine entsprechende Regelung im Gesellschaftsvertrag erteilt werden. Wenn die Zustimmung fehlt, kann der Gesellschafter das Patent nicht herausnehmen oder verrechnen, ohne sich schadensersatzpflichtig zu machen2.
4. Verstoß gegen das Insichverbot
Darüber hinaus muss der Gesellschafter beachten, dass er bei einem Herausnehmen oder Verrechnen des Patents möglicherweise ein Insichgeschäft begeht, d.h. ein Geschäft, bei dem er auf beiden Seiten beteiligt ist. Ein solches Geschäft ist nach § 181 BGB grundsätzlich unzulässig, es sei denn, der Gesellschafter hat eine Befreiung von diesem Verbot oder das Geschäft ist von untergeordneter Bedeutung3. Ein Insichgeschäft kann auch anfechtbar sein, wenn es die Gesellschaft benachteiligt oder wenn der Gesellschafter sich dadurch ungerechtfertigt bereichert3. 
5. Unerlaubte Handlung
Ein Insichgeschäft kann schließlich auch eine unerlaubte Handlung darstellen.
6. Existenzvernichtender Eingriff
Das Geschäft kann auch einen existenzvernichtenden Eingriff darstellen, wenn es die Gesellschaft in ihrer Existenz gefährdet oder ihre Gläubiger schädigt4.
7. Zusammenfassung
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass ein Gesellschafter das einzige Patent der GmbH nicht einfach herausnehmen oder verrechnen kann, ohne die Rechte und Interessen der Gesellschaft und ihrer Gläubiger zu berücksichtigen. Er muss in jedem Fall die Zustimmung der Gesellschaft einholen und eine angemessene Vergütung zahlen oder entgegennehmen. Er muss außerdem das Verbot der Insichgeschäfte beachten und vermeiden, dass er die Gesellschaft oder ihre Gläubiger benachteiligt, bereichert oder schädigt. Andernfalls kann er sich rechtlichen Konsequenzen aussetzen, die von der Anfechtung des Geschäfts über die Haftung für Schäden bis hin zur Strafverfolgung reichen können.

Hermann Kulzer MBA Fachanwalt
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Verfasser: Hermann Kulzer MBA Fachanwalt für Insolvenzrecht
15.01.2018 Existenzvernichtender Eingriff des Gesellschafters oder Aktionärs / Schadensersatzpflicht und Strafbarkeit
Information Die Ausschüttungssperre des § 30 GmbhG wird durch das vom BGH aus § 826 BGB abgeleitete Verbot des existenzvernichtenden Eingriffs flankiert. Adressat des Verbots ist der Gesellschafter,
Auch bei der Aktiengesellschaft gilt das Verbot des existenzvernichtenden Eingriffs. 

Die Aktiengesellschaft wird ferner durch § 57 § AktG geschützt.
Die Aktiengesellschaft darf keine Leistungen an ihre Aktionäre erbringen, wenn sie nicht aus dem Bilanzgewinnn erfolgen oder gesetzlich erlaubt sind.
Ein Verstoß kann gemäß § 57 AktG zur persönlichen Schadensersatzpflicht und Strafbarkeit des Vorstands der Zielgesellschaft führen, vgl. Holzapfel/Pöllath Unternehmenskauf in Recht und Praxis 15. Auflage S. 380.

Die Aktiengesellschaft darf gemäß § 71 a Abs.1 S.1 AktG auch keine Sicherheiten geben beim Erwerb von Aktien dieser Gesellschaft (Verbot der Finanzierung des Erwerbs eigener Anteile: Financial Assistance).
Ein Verstoß gegen § 71 a AktG führt zur Nichtigkeit des Verpflichtungsgeschäfts und Zahlungen können gemäß § 812 ff BGB zurückverlangt werden, Hüffer AktG 10. Auflage § 71 a Rn.4; Holzapfel/Pöllath Unternehmenskauf in Recht und Praxis 15. Auflage S. 382 Rnr. 1488.


Die alte Entscheidung des BGH, mit der er seine Rechtsprechung zum existenzvernichtenden Eingriff geändert hat, wird jetzt dargestellt:


Der Beklagte ist Eigentümer eines mit einem Hotel bebauten Grundstücks in Rostock, welches er nicht selbst bewirtschaftet, sondern - zeitlich nacheinander - an verschiedene Gesellschaften, an denen er selbst maßgeblich beteiligt ist, verpachtet bzw. an die er (unter Einschaltung der neuen Pächterin) die Geschäftsbesorgung und das Management übertragen hat.

Eine der so tätigen Gesellschaften ist die Schuldnerin, deren Sonderinsolvenzverwalter der Kläger ist.

Nach den Eintragungen in die Insolvenztabelle bestehen berechtigte Forderungen gegen die Schuldnerin in Höhe von mehr als 1,4 Mio. DM.

Wegen dieses von der Schuldnerin nicht aufzubringenden Betrages nimmt der Kläger den Beklagten auf Zahlung unter dem Blickwinkel zunächst der Konzernhaftung, dann der Haftung wegen existenzvernichtenden Eingriffs - außerdem aus Geschäftsführerhaftung und Delikt - in Anspruch.

Er wirft dem Beklagten nämlich vor, durch bestimmte, als existenzvernichtend bezeichnete Eingriffe die Gemeinschuldnerin in den Ruin getrieben zu haben.

Es sind dies insbesondere: die Sicherungsübereignung des Hotel-Inventars an die Mutter des Beklagten im Zusammenhang mit einer Darlehensgewährung von 150.000 DM, die Aufhebung des zwischen ihm und der Schuldnerin geschlossenen Pachtvertrages im März 1998, nachdem die Schuldnerin die vereinbarten Pachten über längere Zeit nicht gezahlt hatte;

der anschließend (31.März 1998) geschlossene Geschäftsbesorgungs- und Managementvertrag mit der neuen Pächterin, der W. GmbH, die der Schuldnerin im Ausgangspunkt eine Umsatzbeteiligung von 40% sicherte, wobei dieser Satz abgesenkt werden durfte (und Anfang 1999 auf 28% abgesenkt wurde), soweit dieser Satz überhöht und die verbleibenden Umsätze für die Pächterin nicht auskömmlich sein sollten.

Landgericht und Oberlandesgericht haben den Beklagten verurteilt, wobei das Oberlandesgericht allein auf die Existenzvernichtungshaftung, so wie es diese versteht, abgehoben hat: Der Beklagte habe als Mehrheitsgesellschafter pflichtwidrig in das Gesellschaftsvermögen der Schuldnerin eingegriffen und damit deren Möglichkeit zerstört, Liquidität zu entwickeln und ihre Schulden zu begleichen, deswegen werde ihm der Haftungsschirm des § 13 Abs. 2 GmbHG mit der Folge entzogen, dass er für die Verbindlichkeiten der Schuldnerin in voller Höhe einzustehen habe. Das Berufungsgericht, dessen Urteil aus der Anfangsphase der sich erst entwickelnden Rechtsprechung des Senats zum sog. existenzvernichtenden Eingriff stammt, und das deswegen dessen letzte Urteile vom Dezember 2004 nicht hat berücksichtigen können, hat die Revision zugelassen.

Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat diesen Fall zum Anlass genommen, das von ihm selbst im Jahre 2001 mit der Entscheidung "Bremer Vulkan" (BGHZ 149, 10) im Wege der Rechtsfortbildung eingeführte und danach in mehreren Urteilen weiterentwickelte Rechtsinstitut der sog. Existenzvernichtungshaftung des Gesellschafters einer kritischen Würdigung zu unterziehen. Er hat als Ergebnis der Analyse das Haftungskonzept in wesentlichen Punkten geändert und auf eine neue Grundlage gestellt.

Die Kernsätze der Entscheidung lauten:

1. An dem Erfordernis einer als "Existenzvernichtungshaftung" bezeichneten Haftung des Gesellschafters für missbräuchliche, zur Insolvenz der GmbH führende oder diese vertiefende kompensationslose Eingriffe in das der Zweckbindung zur vorrangigen Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger dienende Gesellschaftsvermögen wird festgehalten.

2. Der Senat gibt das bisherige Konzept einer eigenständigen Haftungsfigur, die an den Missbrauch der Rechtsform anknüpft und als Durchgriffs(außen)haftung des Gesellschafters gegenüber den Gesellschaftsgläubigern ausgestaltet, aber mit einer Subsidiaritätsklausel im Verhältnis zu den §§ 30, 31 BGB versehen ist, auf.

Stattdessen knüpft er die Existenzvernichtungshaftung des Gesellschafters an die missbräuchliche Schädigung des im Gläubigerinteresse zweckgebundenen Gesellschaftsvermögens an und ordnet sie - in Gestalt einer schadensersatzrechtlichen Innenhaftung gegenüber der Gesellschaft - allein in § 826 BGB als eine besondere Fallgruppe der sittenwidrigen vorsätzlichen Schädigung ein.

3. Schadensersatzansprüche aus Existenzvernichtungshaftung gemäß § 826 BGB sind gegenüber Erstattungsansprüchen aus §§ 31, 30 GmbHG nicht subsidiär; vielmehr besteht zwischen ihnen - soweit sie sich überschneiden - Anspruchsgrundlagenkonkurrenz.

In dem zu entscheidenden Fall hat der Senat das Berufungsurteil wegen verfahrensfehlerhafter Übergehung von Parteivortrag des Beklagten aufgehoben und die Sache an einen anderen Senat des Oberlandesgerichts zur neuen Verhandlung und Beweisaufnahme zurückverwiesen.

BGH II ZR 3/04

 

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Verfasser: Hermann Kulzer MBA Fachanwalt für Insolenzrecht
14.08.2014 Gefährlicher Kauf von Anlage- oder Umlaufvermögen wegen existenzvernichtendem Eingriff
Information

A kauft von der Firma B ein Patent, eine Marke, den Warenbestand oder wesentliche Assets.
Die Firma B, die das Patent/Marke/Warenbestand verkauft hat, gerät 8 Monate nach dem Verkauf in der Insolvenz.
Pech denkt der Käufer A, das hat aber nichts mit mir zu tun. Weit gefehlt.
Der Insolvenzverwalter der Firma B prüft jetzt ganz genau, ob der Verkauf wirksam war.
Ein Prüfungspunkt für den Insolvenzverwalter des Unternehmens, das das Patent/Marke/Warenbestandverkauft ist der existenzvernichtende Eingriff.
Beim Kauf von B muss auch der Käufer A darauf achten, dass das Unternehmen, das verkauft, danach noch existieren kann. Klar ist dass Coca Cola nicht seine beste Marke verkaufen und dann  den Mantel mit vielen Tausend Mitarbeitern ohne Fortführungschance zurücklassen kann. Hier würde der Käufer also haften. Der Käufer muss daher vor dem Kauf einen Solvency- Test machen- das heißt er muss prüfen. ob das Unternehmen nach dem Verkauf überhaupt noch eine Überlebenschance hat. Im Einzelnen:

1. Rechtsprechungsgrundlage:
Ausgangsgrundlage dieser Rechtsprechung betrifft Eingriffe der Gesellschafter in die Gesellschaft bei Konzernstrukturen- auch bei faktischen Konzernen, das heißt wenn es eine Muttergesellschaft und Töchtergesellschaften gibt a.ä. Wenn in diesen Fälle ein Gesellschafter/in aus der Gesellschaft z.B. das (einzige) Patent herausnimmt oder kauft und die Gesellschaft später (chancenlos ohne dieses Patent) in die Insolvenz gerät, sollte eine Durchgriffshaftung stattfinden. DerGmbH - Gesellschafter sollte haften, wenn er auf die Zweckbindung des Gesellschaftsvermögens keine Rücksicht nimmt und ihr Vermögen entzieht.
Diese Rechtsprechung wurde später erweitert auch auf Nicht-Gesellschafter.
Aber zurück zum Ausgang: Urteil des Bundesgerichtshofs vom 23. 4. 2012 – II ZR 252/10.
In diesem Urteil hat der Bundesgerichtshof die Voraussetzungen der Haftung wegen eines Existenz vernichtenden Eingriffs nochmals erläutert:
1.1. Sachverhalt
Geklagt hatte ein Insolvenzverwalter wegen einer Vorabgewinnausschüttung. 
Ca. 5 Monate später mussten die späteren Beklagten das Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin einleiten. Bereits vor der Vorabgewinnausschüttung hatte die Insolvenzschuldnerin ihren Gesellschaftern Darlehen gewährt, die bilanziert wurden. 
Der klagende Insolvenzverwalter sah einen existenzvernichtenden Eingriff in das Vermögen der Insolvenzschuldnerin und machte gem. § 826 BGB Schadensersatz geltend. 
1.2. Die Entscheidung
Der Bundesgerichtshof lehnte eine Existenzvernichtungshaftung nach § 826 BGB ab. 
Er nahm die Gelegenheit wahr, deren Voraussetzungen noch einmal darzulegen.
Ein existenzvernichtender Eingriff liegt dann vor, wenn der Gesellschaft von ihren Gesellschaftern in sittenwidriger Weise das zur Tilgung ihrer Schulden erforderliche Vermögen entzogen und damit deren Insolvenz verursacht wird.
Es ist mindestens bedingter Vorsatz erforderlich. Die Darlegungs- und Beweislast für den Nachweis eines existenzvernichtenden Eingriffs trägt der Insolvenzverwalter.
Er hat jedoch die Möglichkeit Indizien aufzuzeigen und hat ferner Beweiserleichterungen.
Ab einem bestimmten Zeitpunkt dreht sich dann die Beweislast um. d.h. der Gegner muss beweisen, dass seine Maßnahme die Gesellschaft nicht beeinträchtigt hat.
Dies dürfte im Falle einer Insolvenz der Gesellschaft aussichtslos sein.

2. Auch Nichtgesellschafter können  bei existenzvernichtende Eingriff haften!
Der Bundesgerichtshof hat mit Beschluss vom 11.10.2010  unter Aktenzeichen II ZR 136/09 - entgegen der Vorinstanz (OLG München)- entschieden, dass auch Nichtgesellschafter wegen Beihilfe zu einem existenzvernichtenden Eingriff gemäß §§ 826, 830 Abs. 2 BGB haften können.
2.1. Der entschiedene Fall
Die Alleingesellschafterin der späteren Gemeinschuldnerin war Mitglied eines international tätigen Konzerns. Der Konzern entschloss sich 2003, auf eine Geschäftssparte zu setzen. '
Er  veräußerte daher seine Beteiligung an der Gemeinschuldnerin an die Beklagte zu 1.
Die Veräußerung stand unter der aufschiebenden Bedingung, dass der profitable Geschäftsbereich der Insolvenzschuldnerin zuvor an eine andere, neu gegründete Gesellschaft des Konzerns übertragen würde.
Gegenleistung für den übertragenen Geschäftsbereich im Wert von über 40 Millionen Euro war ein symbolischer Kaufpreis von 1 Euro.
Nach dem Übertragung der Gemeinschuldnerin auf die Beklagte zu 1. verkaufte diese das verbleibende Vermögen der Gemeinschuldnerin an andere Tochtergesellschaften.
Nach einigen Monaten musste die Gemeinschuldnerin wegen Zahlungsunfähigkeit die Insolvenz einleiten.
Eine Haftung wegen des sogenannten „hive-out“ wurde vom OLG München verneint, da die Beklagten zum Zeitpunkt der angegriffenen Handlung des Verkäufers keine rechtliche oder faktische Gesellschafterstellung innegehabt hatte.
Der Bundesgerichtshof entschied anders und wies die Sache zur weiteren Aufkärung an das OLG München zurück.
2.2. Die Begründung
Der BGH stellte klar, dass ein Beteiligungserwerber wegen Beihilfe zu einem existenzvernichtenden Eingriff des Veräußerers schadensersatzpflichtig sein könne und daher die Voraussetzungen der §§ 826, 830 Abs. 2 BGB zu prüfen seien.
Der Ansicht, dass bei einem existenzvernichtenden Eingriff eine Gehilfenhaftung von Nichtgesellschaftern „mangels Täterqualifikation“ von vorneherein nicht möglich ist, ist somit "vom Tisch". Der Gehilfe einer unerlaubten Handlung kann als deren gleichwertiger Mitverursacher gesamtschuldnerisch neben dem Täter auf Ersatz des entstandenen Schadens haften, vgl. § 830 Abs. 2 BGB.
2.3. Zwischenergebnis und Fazit
Bei M & A -Verkäufen muss der Käufer darauf achten, dass der Verkäufer der zu veräußernden Gesellschaft vor Anteilsübergang nicht noch existenznotwendige Vermögenswerte ohne angemessene Gegenleistung entzieht. Billigt der Käufer dies und gerät die Gesellschaft in die Insolvenz, kann der Käufer unter Umständen für einen existenzvernichtenden Eingriff des Veräußerers haftbar gemacht werden.
Vorliegend hat die Käuferin alles erworben: Kundenstamm, Rohstoffe, fertige und unfertige Erzeugnisse, Maschinen und die Geschäftsausstattung. Die alte Gesellschaft hatte nichts werthaltiges mehr- keine Kunden. Keine Marken oder Patente, keine Rechte, Keine Maschinen.
Sie vegetierte noch dahin, gerade so dass sie nicht sterben muss.
Jetzt soll noch mehr entzogen werden.
Die Gesellschaft kann dann nicht mehr existieren.
Es gab schon einen existenzvernichtenden Eingriff und es gäbe ihn jetzt nochmal.
Der letzte würde zum Existus führen und damit die Haftungskette in Gang setzen.
Aber auch ohne diesen zweiten Eingriff, müsste die Käuferin darauf achten, dass die Gesellschaft (abgebende) noch weiter existieren kann. Über die Dauer kann ich keine Angeben machen, da die Rechtsprechung die Zeit der Erhaltungspflicht nicht exakt bestimmt hat.  

3. Fallgruppen des existenzvernichtenden Eingriffs
3.1. Cash-Pool ohne Sicherung
a) Kurzbeschreibung
Konzernfinanzierung durch rigorosen Liquiditätsverbund ohne Sicherstellung des eigenen Liquiditätsbedarfs
b) Urteil "Bremer Vulkan"
BGH v. 17.09.2001 - II ZR 178/99, GmbHR 2001, 1036.

c) Sachverhalt
Eine GmbH war in das Cash-Pool- System einer Unternehmensgruppe einbezogen, das sie verpflichtete, frei verfügbare liquide Mittel ausschließlich bei der Tresury der Unternehmensgruppe anzulegen.
d) Begründung
Als existenzvernichtender Eingriff stellte sich die Einbeziehung in den Cash-Pool deshalb dar, weil nicht sichergestellt wurde, dass der eigene Liquiditätsbedarf der einbezogenen GmbH befriedigt werden konnte. Die Geschäftsführung der einbezogenen GmbH hätte die Möglichkeit haben müssen, die eingelegten Mittel abziehen zu können, um deren Verlust aus Sicht der GmbH zu verhindern.

3.2. Kalte Liquidation
a) Kurzbeschreibung
Übertragung der betrieblichen Aktiva einer Gesellschaft auf eine Auffanggesellschaft
b) Urteil "KBV"
BGH v. 24.06.2002 - ZR 300/00, GmbHR 2002, 902
c) Sachverhalt
Es wurde das wesentliche betriebliche Vermögen einer GmbH, darunter sämtliche Forderungen und der gesamte Warenbestand, auf eine Auffangsgesellschaft übertragen. 
Im Gegenzug übernahm die Auffanggesellschaft bestimmte Verbindlichkeiten der GmbH.
d) Begründung
Unter Zugrundelegung eines Vermögensstatus eines Wirtschaftsprüfers zum Übertragungszeitpunkt ergab sich ein  erheblicher Überschuss des übertragenen positiven Vermögens über die übernommen Verbindlichkeiten. Die Fähigkeit der Gesellschaft zur Erfüllung ihrer Verbindlichkeiten wurde dadurch erheblich beeinträchtigt.
3.3. Kompensationsloser Eingriff
a) Kurzbeschreibung
Einer GmbH wurde planmäßig und kompensationslos Vermögen entzogen und auf eine Schwestergesellschaft übertragen
b) Urteil "Klinikentscheidung"
BGH v. 20.09.2004 - II ZR 302/02, GmbHR 2004, 1528
c) Sachverhalt
Betroffene Firma änderte nach Vermögensübertragung ihre Firma und verlegte Sitz.
Schwestergesellschaft wurde an den Ort des Betriebs verlegt. 
Mitarbeiter der GmbH erhielten bei der Schwestergesellschaft neue Anstellungsverträge.
d) Begründung
Eine Sanierung darf nicht auf Kosten der Gläubiger durchgeführt werden, sondern ist nur unter Einbeziehung der Gläubiger des Gesellschaft durchführbar.
3.4. Unangemessene vertragliche Leistungsbeziehung
a) Kurzbeschreibung
b) Urteil " BMW-Vertragshändler "
c) Sachverhalt
Schwestergesellschaft trat in Vertragshändlervertrag der GmbH ein und übernahm Vermögen und Mitarbeiter der GmbH. Die GmbH erhielt dafür eine Provision. 
Knapp zwei Jahre später geriet die GmbH in die Insolvenz. Das Verfahren war masselos.
d) Begründung
Der Geschäftsführer ist verpflichtet, die Ertragskraft des Geschäftsunternehmens durch Investitionen zu erhalten oder wiederherzustellen. Die GmbH muss einen angemessenen Ausgleich für die Übernahme des Vermögens erhalten. Ob die Provision angemessen war, muss nach der "konkreten Marktsituation" der GmbH beurteilt werden.
3.5. Kein angemessener Ausgleich bei Management- und Geschäftsbesorgungsvertrag
a) Kurzbeschreibung
Pachtvertrag mit GmbH wurde beendet und mit anderer Gesellschaft (neu) im Verbund abgeschlossen. GmbH (alt) sollte von GmbH (neu) eine Management und Geschäftspauschale erhalten. Diese reichte am Ende nicht, die Insolvenz abzuwenden.
b) Urteil "Trihotel" BGH v.16.07.2007 - II ZR 3/04, GmbHR 2007, 927
c) Sachverhalt
Wesentliches Hotelinventar einer Hotelbetriebs-GmbH wurde an eine dem Gesellschafter nahestehende Darlehnsgeberin sicherungsübereignet. Danach wurde Pachtvertrag beendet und auf eine andere, ebenfalls mit dem Gesellschafter zuzurechnende Gesellschaft übertragen. Mit dieser Gesellschaft wurde eine Management- und Geschäftsbesorgungsvertrag abgeschlossen. Die vereinbarte Umsatzbeteiligung wurde später reduziert. 
Dies führt zur Insolvenz. 
d) Begründung
Diese Maßnahme begründet nicht ohne Weiteres einen existenzvernichtenden Eingriff.
Nach dem BGH muss durch Sachverständigengutachten ermittelt werden, ob der Management- und Geschäftsbesorgungsvertrag branchenüblich und ob die Umsatzbeteiligung ausgewogen ist. Allein der Abzug betrieblichen Vermögens begründet noch keinen existenzvernichtenden Eingriff. 
3.6. Stundung von Forderungen /besondere Managementfehler
a) Kurzbeschreibung
Eine GmbH hatte hohe Forderungen gegen eine ausländische Vertriebstochter gestundet. 
Zu spät ging die GmbH auf Lieferungen gegen Vorkasse über. 
Die GmbH geriet dadurch in die Insolvenz.
b) Urteil "Handelsvertreterentscheidung", BGH v. 13.12.2004 - II ZR 256/02, GmbHR 2005, 299.
c) Sachverhalt
d) Begründung
Der BGH hat das Vorliegen eines existenzvernichtenden Eingriffs in diesem Fall verneint.
Managementfehler im Rahmen des Betriebs des Unternehmens im weitesten Sinne stellen keinen existenzvernichtenden Eingriff dar. Es ist eine Gesamtschau der einzelnen Umstände erforderlich. Nach Auffassung des BGH war hier nicht darauf abgezielt worden, der GmbH zu betriebsfremden Zwecken Vermögenswerte zu entziehen. Dies ergäbe sich daraus, dass - wenn auch zu spät - auf Vorkasse bei den Lieferungen übergegangen wordensei.
Voraussetzung eines begründeten existenzvernichtenden Eingriffs  bei einem Managementfehler ist es, dass hinter der tatsächlich erfolgten Aushöhlung des Gesellschaftsvermögens ein Gesamtplan zu erkennen ist.  Dazu ist ein " in sich geschlossenes Konzept" und die "Beherrschbarkeit der einzelnen Teilschritte durch den Gesellschafter" erforderlich.
3.7. Materielle Unterkapitalisierung und Aschenputtel-Gesellschaften
a) Kurzbeschreibung
Einer Gesellschaft einer Unternehmensgruppe werden alle Risiken zugewiesen ("die schlechten Erbsen")
b) Urteil "Aschenputtel "
OLG Düsseldorf hat in seiner Entscheidung vom 26.10.2006 die Benachteiligung einer materiell unterkapitalisierten " Aschenputtel" GmbH als existenzvernichtenden Eingriff gewertet.
Der BGH hat in seiner "Gamma"Entscheidung vom 28.04.2008  - ZR 264/06, GmHR 2008, 805 diese Auffassung abgelehnt. In der Literatur bejaht, z.B. Altmeppen in Roth/Altmeppen, GmbHG § 13 Rz 93 ff ( intern Altauflage von 2005)
c) Sachverhalt
Angemessene Geschäftschancen werden durch Satzungs- oder Vertragsgestaltungen der abhängigen GmbH vorenthalten. Einer Gesellschaft der Unternehmensgruppe werden Arbeitsverhältnisse übertragen, jedoch nicht die erforderliche finanzielle Ausstattung.
d) Begründung
Es liegt kein Eingriff oder Zugriff auf Gesellschaftsvermögen vor. 
Das Unterlassen gebotener Handlungen steht dem nicht gleich. 
3.8. Überhöhte oder unangemessen Verrechnungspreise
a) Die abhängige Gesellschaft führte für Schwesterunternehmen halbfertige Arbeiten ohne Vergütung durch, zahlte überhöhte Pachtzinsen und kaufte Maschinen zu einem überhöhten Preis.
b) Urteil:  BAG v.08.03.1994 - 9 AZR 197/92, GmHR 1994, 625
3.9. Aushöhlung durch Sicherheiten
a) Die GmbH übereignet der Bank zur Besicherung eines Kredits an die Konzernobergesellschaft der Unternehmensgruppe ihr Betriebsvermögen. Diese dient daher nicht zur Sicherung der Schulden der GmbH, sondern auch für Verbindlichkeiten anderer Unternehmen der Unternehmensgruppe. 
b) Urteil: Fall TBB.  BGH v. 29.03.1993 - ZR 265/91, GmbHR 1993, 589
c) Begründung
Die Gewährung der Sicherheit muss auch im betrieblichen Interesse der abhängigen GmbH sein. Durch die Gewährung von Sicherheiten darf es nicht zu einer Aushöhlung der Gesellschaft kommen. Der Gesellschaft müssen im Falle der Inanspruchnahme ausreichend Mittel verbleiben, zur Bestreitung eigener Verbindlichkeiten. Der Sicherungsvertrag muss daher Verwertungsbeschränkungen enthalten.

4. Anwendung der Rechtsprechung auf andere Fälle
Die Rechtsprechung hat keine abschließenden Fallgruppen gebildet, sondern Voraussetzungen formuliert.

  • Der Gesellschaft alt wird Vermögen entzogen
  • Die Gesellschaft konnte vor dem Verkauf - gut existieren
  • nach dem Eingriff (Verkauf oa.) ist ein Überleben gefährdet oder nicht mehr möglich
  • Der Käufer hat nicht darauf geachtet, dass der Verkäufer weiterexistieren kann
  • Man kann z.B. nicht einer Firma die einzige Marke wegnehmen und sie dann absterben lassen

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Hermann Kulzer
Master of Business Administration
Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht
Fachanwalt für Insolvenzrecht
Wirtschaftsmediatior (Dresden International University) 

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kulzer@pkl.com 


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Verfasser: Hermann Kulzer, Dresden, Berlin, Augsburg kulzer@pkl.com
21.01.2005 Existenzvernichtender Eingriff
Information 1. Der GmbH-Gesellschafter ist den Gesellschaftsgläubigern gegenüber grundsätzlich nicht verpflichtet, das Gesellschaftsunternehmen fortzuführen.

Will er die Unternehmenstätigkeit einstellen, muss er sich dabei aber des dafür im Gesetz vorgesehenen Verfahrens bedienen.

Nimmt er dagegen auf die Zweckbindung des Gesellschaftsvermögens keine Rücksicht und entzieht der Gesellschaft Vermögenswerte, die sich zur Erfüllung ihrer Verbindlichkeiten benötigt ( sogenannter existenzvernichtender Eingriff ) kann er für die Gesellschaftsschulden persönlich haften.


2. Die unbegrenzte Haftung wegen existenzvernichtenden Eingriffs setzt weiter voraus, dass die der Gesellschaft zugefügten Nachteile nicht nach den Regeln der §§ 30 f GmbHG ausgeglichen werden können

und

der Gesellschafter nicht nachweisen kann, dass der Gesellschaft im Vergleich zu der Vermögenslage bei einem redlichen Verhalten nur ein begrenzter- und dann in diesem Umfang auszugleichender - Nachteil entstanden ist.


3. Wegen existenzvernichtenden Eingriffs haftet auch derjenige, der zwar nicht an der GmbH, wohl aber an einer Gesellschaft beteiligt ist, die ihrerseits Gesellschafterin der GmbH ist ( Gesellschafter-Gesellschafter), jedenfalls wenn er einen beherrschenden Einfluss auf die Gesellschafterin ausüben kann.
BGH, Urt. v. 12.12.2004 - II ZR 206 / 02 in ZIP 2005 S. 117 ff. mit Anmerkung von Prof. Dr.jur. Altmeppen und II ZR 256/02, ZIP 2005, 250 und BGH, Urt. v. 14.11.2005 ZIP 2006, S. 467 ff.

4. Die persönliche Haftung eines GmbH-Gesellschafters, der wegen existenzvernichtender Eingriffe in das Gesellschaftsvermögen das Haftungsprivileg des § 13 Abs. 2 GmbHG verloren hat, kann während eines laufenden Insolvenzverfahrens entsprechend § 93 InsO nur von dem Insolvenzverwalter geltend gemacht werden, um eine gleichmäßige Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger aus dem vorhandenen Vermögen des persönlich haftenden Gesellschafters zu gewährleisten, BGH, Urt. v. 14.11.2005 ZIP10/2006 S. 467 ff.
 

Bitte beachten Sie die neue Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vom Juli 2007
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Verfasser: Hermann Kulzer, Fachanwalt für Insolvenzrecht

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