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Untreue zu Lasten der GmbH
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs begeht der Geschäftsführer eine Untreue zu Lasten der GmbH, wenn er das zur Erhaltung des Stammkapitals, das der Verfügungsmacht der Gesellschafter im Interesse der Gläubiger entzogen ist, erforderliche Vermögen an die Gesellschafter auszahlt (BGHSt 35, 333, 337 f). Dies gilt auch dann, wenn das Stammkapital bereits verloren und die GmbH überschuldet ist. Hat der Gesellschafter der GmbH anstelle von Eigenkapital ein Darlehen gewährt – oder dieses stehengelassen, das als eigenkapitalersetzend zu qualifizieren ist, weil es verlorenes Stammkapital ersetzt oder eine darüber hinausgehende Überschuldung abdeckt, besteht auch ein Rückzahlungsverbot im Sinne des § 30 Abs. 1 GmbHG: Der Geschäftsführer darf das Darlehen nicht an den Gesellschafter zurückzahlen, soweit er damit in das (wiederhergestellte) Stammkapital eingreifen oder sogar die (erneute) Überschuldung der GmbH herbeiführen würde (vgl. BGHZ 90, 370, 376 ff; BGH NJW 2006, 225). Auszahlungen dürfen an den Gesellschafter nur geleistet werden, wenn die Aktivwerte die Passivwerte übersteigen und zudem nur in der Höhe, in welcher der sich daraus ergebende Unterschiedsbetrag den Nennwert des Stammkapitals übersteigt. Ein vorsätzlicher Verstoß gegen dieses Rückzahlungsverbot begründet die Strafbarkeit wegen Untreue (vgl. MünchKomm-StGB, § 266 Rdn. 139, 170). Nichts anderes gilt für Rückzahlungen auf ein von einem Gesellschaftsfremden gewährtes Darlehen, das durch eine Leistung des Gesellschafters (etwa Bürgschaften oder Bestellung von Grundpfandrechten) abgesichert ist, soweit diese Leistung verlorenes Stammkapital ersetzt oder eine darüber hinausgehende Überschuldung abdeckt. Nach ständiger Rechtsprechung der Zivilsenate des Bundesgerichtshofs sind Rückzahlungen auf einen Kredit, die eine notleidende Gesellschaft an einen Fremdgläubiger geleistet hat, als Einlagenrückgewähr an den Gesellschafter zu betrachten, wenn dieser sich für den Kredit in einer Lage verbürgt hat, in der ein unmit-telbar von ihm gewährtes Darlehen als Kapitalersatz zu behandeln gewesen wäre. Eine Kreditrückführung aus Mitteln des zur Erhaltung des Stammkapitals erforderlichen Vermögens stellt in Höhe der Befreiung von der Bürgschaftsschuld eine Auszahlung an den bürgenden Gesellschafter im Sinne des § 30 Abs. 1 GmbHG dar (BGHZ 81, 252, 260; Hueck/Fastrich in Baumbach/Hueck, GmbHG 18. Aufl. § 32a Rdn. 95). Sofern der Gesellschafter in einem solchen Falle das Darlehen an den Fremdgläubiger nicht aus seinem privaten Vermögen zurückführt oder er der GmbH in Höhe seiner Befreiung weder eine gleichwertige Sicherheit stellt noch in sonstiger Weise einen Aus-gleich schafft, kann die Rückzahlung seine Strafbarkeit wegen Untreue begründen. Ob der Geschäftsführer durch die Darlehensrückzahlung in das Stammkapital eingegriffen oder sogar eine darüber hinaus bestehende Überschuldung vertieft hat, lässt sich hier – anders als in den Fällen einer „Aushöhlung“ der Gesellschaft (vgl. dazu BGHSt 35, 333, 338; BGH wistra 2006, 265) – nur anhand eines Überschuldungsstatus feststellen (vgl. zu dessen Inhalt BGHSt 15, 306, 309; BGH wistra 2003, 301, 302; 1987, 28; O; Müller-Gugenberger/Bieneck, Wirtschaftsstrafrecht 4. Aufl. § 76 Rdn. 7 ff.).

21.11.2021 Untreue des geschäftsführenden (alleinigen) Gesellschafters durch Stammkapitalentziehung: Hier durch Kauf von besicherten Forderungen gegen GmbH und Zahlungen des Kaufpreises aus Mitteln der GmbH
Information

 

Eine scheinbar alte Entscheidung zur Untreue des geschäftsführenden Gesellschafters, die aber auch heute noch Anwendung findet.

Mein Leitsatz: 
Wenn sich ein Gesellschafter persönlich für Darlehen an die Gesellschaft verbürgt, darf er nicht - um sich aus der Bürgschaft zu befreien - rechtliche Gestaltungen wählen, die das Stammkapital der Gesellschaft angreifen.
Dies kann den Straftatbestand der Untreue und Insolvenzverschleppung erfüllen.


Voristanz: LG Görlitz Urteil vom 7.5.2007 

 

I. Entscheidung des BGH vom 6.5.2008 5 StR 34/08 

Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Görlitz mit den Feststellung aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Dresden verwiesen.

 

II. Tatbestand

  1. Das Landgericht hat den Angeklagten in erster Instanz vom Vorwurf der Untreue in zwei Fällen sowie vom Vorwurf des vorsätzlichen Unterlassens der Stellung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens aus tatsächlichen Gründen freigesprochen, ebenso den Angeklagten D. K. vom Vorwurf der Beihilfe zur Untreue in zwei Fällen. Die zuungunsten der Angeklagten eingelegten und gegen das gesamte Urteil gerichteten Revisionen der Staatsanwaltschaft haben jeweils mit der Sachrüge Erfolg.
  2. Der Angeklagte war alleiniger Geschäftsführer und Gesellschafter einer GmbH, für deren Kontokorrentdarlehen er sich gegenüber der Bank verbürgte. Die GmbH geriet in Zahlungsschwierigkeiten. 
    Die Banken kündigten die gewährten Kontokorrentkredite und stellten die Schuldsalden fällig. 
  3. Der Angeklagte wandte sich an einen Rechtsanwalt mit dem Auftrag, Verhandlungen über Forderungsverzichte mit den Banken zu führen. 
  4. Es gelang, dass der Vater des Geschäftsführers die Forderungen der Bank für 50 Prozent des Nennwerts kaufen konnte- die Bank trat die Forderung an den Vater ab. 
  5. Den Kaufpreis für die Forderung überwies nicht der Käufer der Forderung, sondern der angeklagte Geschäftsführer vom Konto der GmbH bei einer weiteren Bank.
  6. In der Buchhaltung der GmbH wurde der Vorgang auf Veranlassung des angeklagten Geschäftsführers  als Darlehen an den Forderungskäufer gebucht.
  7. Nach „Verrechnung” der gegenseitigen Forderungen gab der Angeklagte gegenüber seinem Vater -  eine Bestätigung über die diesem zustehende Restforderung ab und machte nicht- wie ursprünglich angegeben, einen Erlassvertrag.
  8. Die GmbH geriet in die Insolvenz.
  9. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens verweigerte  der Angeklagte gegenüber der Insolvenzverwaltung die Herausgabe der Guthaben aus den einbezogenen Foderungen, ebenso die Beträge, die von den Kunden auf die auf M. und D. K. übergegangenen Geschäftsforderungen gezahlt worden waren.
  10. Mehrere Liquiditätsstati betreffend die Zahlungsfähigkeit der GmbH ergaben nach Auffassung des Landgerichts im maßgeblichen Zeitraum unter Berücksichtigung der mit den Banken vereinbarten „Stillhalteabkommen” und der Guthaben auf dem Anderkonto Deckungsgrade von jeweils über 90 %. Erst nachdem die von der Bank gesetzte Zahlungsfrist nicht eingehalten werden konnte und damit die mit dieser Bank geführten Vergleichsverhandlungen gescheitert waren, sei Zahlungsunfähigkeit eingetreten; daher habe der Angeklagte am 12. Oktober 2000 rechtzeitig vor Ablauf der Dreiwochenfrist Insolvenzantrag gestellt (Fall 4 der Anklage).
  11. Das Landgericht sah in dem Umstand, dass der Angeklagte von seinen Bürgschaftsschulden befreit wurde, keine Strafbarkeit wegen Untreue zu Lasten der GmbH; denn aus § 32b GmbHG  folge – anders als aus § 30 GmbHG  – kein Rückzahlungsverbot. 

 

III. Entscheidungsgründe

 

1. Der Freispruch des Angeklagten vom Vorwurf der Untreue in zwei Fällen und der Insolvenzverschlep-pung erweist sich aus mehreren Gründen als rechtsfehlerhaft.

 

a) Unzutreffende Feststellungen durch das Ausgangsgericht

Hinsichtlich des Freispruchs vom Vorwurf der Untreue gemäß § 266 StGB  ist das Landgericht von unzutreffenden rechtlichen Voraussetzungen ausgegangen und hat den angeklagten Sachverhalt nicht unter allen tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkten erschöpfend gewürdigt.

 

aa) Stammkapital entzogen
Das Landgericht hat nicht bedacht, dass die überwiesenen Beträge bei entsprechender Befreiung des Angeklagten von seinen Bürgschaftsschulden 
aus den Mitteln des zur Erhaltung des Stammkapitals erforderlichen Vermögens der GmbH stammen könnten. 
Dadurch könnte der Angeklagte der GmbH das Stammkapital entgegen § 30 Abs.1 GmbHG entzogen und die Überschuldung der GmbH herbeigeführt oder vertieft haben. Eine derartige Vermögenssituation lag bei der Gesellschaft angesichts des festgestellten gesamten Geschehensablaufs nahe.

 

(1) Untreue bei Entzug von Stammkapital
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs begeht der Geschäftsführer eine Untreue zu Lasten der GmbH, wenn er das zur Erhaltung des Stammkapitals, das der Verfügungsmacht der Gesellschafter im Interesse der Gläubiger entzogen ist, erforderliche Vermögen an die Gesellschafter auszahlt (BGHSt 35, 333, 337 f.; 9, 203, 216; 3, 32, 40; Schaal in Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG 4. Aufl. vor § 82 Rdn. 17 m.w.N.; Tiedemann, GmbH-Strafrecht 4. Aufl. vor §§ 82 ff. Rdn. 15). Dies gilt auch dann, wenn das Stammkapital bereits verloren und die GmbH überschuldet ist (BGHR STGB § 266 Abs.1 Nachteil 21).

 

Der Geschäftsführer darf das Darlehen nicht an den Gesellschafter zurückzahlen, soweit er damit in das (wiederhergestellte) Stammkapital eingreifen oder sogar die (erneute) Überschuldung der GmbH herbeiführen würde (vgl. BGHZ 90, 370, 376 ff.; 76, 326, 328 ff.; BGH NJW 2006, 225).

Auszahlungen an den Gesellschafter dürfen nur geleistet werden, wenn die Aktiva die Passiva übersteigen und zudem nur in der Höhe, in welcher der sich daraus ergebende Unterschiedsbetrag den Nennwert des Stammkapitals übersteigt.
Ein vorsätzlicher Verstoß gegen dieses Rückzahlungsverbot begründet die Strafbarkeit wegen Untreue (vgl. Hartung NJW 1996, 229, 231 f.; BGH, Beschlüsse vom 15. April 1977 – 2 StR 799/76 und 800/76; Muhler wistra 1994, 283, 287).

 

Gleiches gilt für Rückzahlungen auf ein von einem Gesellschaftsfremden gewährtes Darlehen, das durch eine Leistung des Gesellschafters (etwa Bürgschaften oder Bestellung von Grundpfandrechten) abgesichert ist, soweit diese Leistung verlorenes Stammkapital ersetzt oder eine darüber hinausgehende Überschuldung abdeckt. 

 

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind Rückzahlungen auf einen Kredit, die eine notleidende Gesellschaft an einen Fremdgläubiger geleistet hat, als Einlagenrückgewähr an den Gesellschafter zu betrachten, wenn dieser sich für den Kredit in einer Lage verbürgt hat, in der ein unmittelbar von ihm gewährtes Darlehen als Kapitalersatz zu behandeln gewesen wäre. Eine Kreditrückführung aus Mitteln des zur Erhaltung des Stammkapitals erforderlichen Vermögens stellt in Höhe der Befreiung von der Bürgschaftsschuld eine Auszahlung an den bürgenden Gesellschafter im Sinne des § 30 Abs. 1 GmbHG dar (BGHZ 81, 252, 260; BGH NJW 1992, 1166; 1990, 2260, 2261; Hueck/Fastrich in Baumbach/Hueck, GmbHG 18. Aufl. § 32a Rdn. 95). Sofern der Gesellschafter in einem solchen Falle das Darlehen an den Fremdgläubiger nicht aus seinem privaten Vermögen zurückführt oder er der GmbH in Höhe seiner Befreiung weder eine gleichwertige Sicherheit stellt noch in sonstiger Weise einen Ausgleich schafft, kann die Rückzahlung seine Strafbarkeit wegen Untreue begründen (vgl. Hartung aaO S. 234; Hachenburg/Kohlmann aaO vor § 82 Rdn. 190).

 

Ob der Geschäftsführer durch die Darlehensrückzahlung in das Stammkapital eingegriffen oder sogar eine darüber hinaus bestehende Überschuldung vertieft hat, lässt sich hier – anders als in den Fällen einer „Aushöhlung” der Gesellschaft (vgl. dazu BGHSt 35, 333, 338) – nur anhand eines Überschuldungsstatus feststellen (zu dessen Inhalt BGHSt 15, 306, 309; BGH wistra 2003, 301, 302; 1987, 28; Müller-Gugenberger/Bieneck, Wirtschaftsstrafrecht 4. Aufl. § 76 Rdn. 7 ff.). 

Da das Landgericht keinen Überschuldungsstatus festgestellt hat, kann der Senat nicht nachprüfen, ob im Juni 2000 das  Stammkapital der GmbH bereits aufgezehrt oder das Unternehmen überschuldet und damit die vom Angeklagten  gestellten Bürgschaften als eigenkapitalersetzend zu bewerten waren. In diesem Falle würde sich aus einem Überschuldungsstatus auch ergeben, dass es bezüglich der Frage eines Eingriffs in das Stammkapital nicht darauf ankommen kann, dass der Angeklagte mit den Überweisungen einen Teil der fälligen und durchsetzbaren Kontokorrentverbindlichkeiten tilgte. Denn die Erfüllung einer Verbindlichkeit ist für sich genommen nur eine gewinnneutrale Bilanzverkürzung durch Aktiv-/Passivminderung (vgl. Maurer aaO S. 1555; vgl. auch BGH bei Herlan GA 1971, 35; Gribbohm aaO S. 248). Im Überschuldungsstatus müsste der eigenkapitalersetzende Charakter der Bürgschaft wie folgt berücksichtigt werden:

 

(a) Situation vor Darlehensgewährung
Zum Zeitpunkt vor den Darlehensgewährungen an die Vertrauenspersonen würden sich die Kontokorrentdarlehen in einem Überschuldungsstatus nicht zu Lasten des Stammkapitals auswirken. Denn in entsprechender Höhe stünde dem ein Freistellungsanspruch der GmbH gegen den Angeklagten gegenüber (vgl. dazu BGH NJW 1987, 1697, 1698; 1997, 3171, 3172).

Dieser Freistellungsanspruch wäre nach dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe auch nicht wertlos. Der Angeklagte war Eigentümer mehrerer Gründstücke und wollte – nach den bisherigen, vom Landgericht nicht ausreichend gewürdigten Feststellungen (vgl. unten [c]) – die Kontokorrentkredite eigentlich mit Privatmitteln tilgen.'

(b) Situation vor Kaufpreiszahlung durch die GmbH
Zum Zeitpunkt der Darlehensgewährungen vor den Kaufpreiszahlungen an die beiden Banken würde sich ebenfalls unter Berücksichtigung der neu hinzutretenden Geschäftsvorfälle keine Auswirkung auf das Ergebnis eines Überschuldungsstatus ergeben. Die Darlehensgewährungen wären für sich genommen ein bloßer Aktivtausch: Zwar wären die Geldmittel um 650.000 DM gemindert. Dem stünden jedoch die zu aktivierenden Darlehensforderungen in Höhe von 500.000 DM und 150.000 DM gegenüber. Auf der Passivseite würden die Kontokorrentkredite unverändert bleiben.

 

(c) Situation vor Aufrechnungserklärung
Zum Zeitpunkt der Kaufpreiszahlungen vor den Aufrechnungserklärungen würde sich weiterhin keine Auswirkung auf das Ergebnis eines Überschuldungsstatus ergeben. Die Aktivseite bliebe unverändert. 
Auf der Passivseite würden die Banken lediglich durch M. bzw. D. K. ersetzt, vgl. § 398 Sätze 1 und 2 BGB. Der Freistellungsanspruch gegen den Angeklagten bliebe von diesem Gläubigerwechsel noch unberührt.

 

Entgegen der Ansicht der Angeklagten wären die Schulden aus den Kontokorrentdarlehen gegenüber dem Mitangeklagten zu passivieren.

Denn die Urteilsfeststellungen belegen, dass die Angeklagten einen sofortigen Erlass der nunmehr ihnen gegenüber bestehenden Schulden aus den Kontokorrentdarlehen nicht ernsthaft beabsichtigten: 
Statt einen Erlassvertrag im Sinne des § 397 Abs.1  BGB  abzuschließen, erteilte der Angeklagte den Zessionaren jeweils eine Saldenbestätigung. 
Die Angeklagten und M. ließen die neben den Bürgschaften übergegangenen Geschäftsforderungen als Sicherheiten bestehen, obwohl die Zessionare, wie vom Landgericht gewertet, „nur zum Schein als Käufer der Kreditforderungen auftraten” (UA S. 26) und mangels eigener Aufwendungen kein Sicherungsbedürfnis hatten. Darüber hinaus ließ der Angeklagte (anstelle der „formalberechtigten” Zessionare) später zu seinen eigenen Gunsten die auf die Geschäftsforderungen gezahlten Erlöse auf das Anderkonto einziehen und deren Herausgabe gegenüber der Insolvenzverwalterin verweigern. Die übergegangenen Forderungen sollen sogar im Insolvenzverfahren angemeldet worden sein (UA S. 25).

 

(d) Verbot der Befreiung von Bürgschaftsschulden 
Der 
Angeklagte hätte jedoch von seinen Bürgschaftsschulden in Höhe von insgesamt 650.000 DM nicht befreit werden dürfen, wenn der Freistellungsanspruch in entsprechender Höhe verlorenes Stammkapital oder eine über diesen Verlust hinaus bestehende Überschuldung abdeckte. Der Angeklagte hätte also in diesem Fall die Kreditschulden aus seinem Vermögen tilgen oder zumindest der GmbH gleichzeitig mit der Aufrechnung neue werthaltige Mittel zuführen müssen (etwa durch eine rechtsverbindliche Erklärung, dass er ihr die verauslagten Mittel erstatten werde, vgl. dazu Muhler aaO S. 287 f.).

 

(e) Kein Schuldenerlass vereinbart

Ein Erlass gemäß § 397 BGB  der nach Aufrechnung noch bestehenden Darlehensschulden könnte in einem Überschuldungsstatus deswegen nicht berücksichtigt werden, weil die Angeklagten den Abschluss eines solchen Vertrags nicht ernsthaft beabsichtigten (siehe oben [c]). 
Aus dem gleichen Grund könnte die Verringerung der Aktiva entgegen der Auffassung der Angeklagten nicht durch die Aktivierung eines Erstattungsanspruchs der GmbH analog §31 Abs.1 GmbHG gegen den Angeklagten B. K. ausgeglichen werden. Denn derartige Ausgleichsansprüche (wie gegebenenfalls auch solche aus § 32 b  GmbHG) sind bei der Schadensbetrachtung – ähnlich den aus der Straftat entstandenen Schadensersatzansprüchen nach §§ 823 ff BGB  (vgl. dazu Fischer, StGB 55. Aufl. § 263 Rdn. 93 m.w.N.) – 
jedenfalls dann nicht zu berücksichtigen, wenn der Gesellschafter leistungsunwillig ist. Dies stünde der Werthaltigkeit eines Erstattungsanspruchs entgegen (Hartung NJW 1996, 229, 234). Eine solche Leistungsunwilligkeit wird in derartigen Fällen der Rückführung von gesicherten Bankdarlehen in der Krise der GmbH auch regelmäßig nahe liegen: Mit der Rückführung des gesicherten Darlehens aus Gesellschaftsmitteln hat der Gesellschafter gerade gezeigt, dass er für das verlorene Stammkapital oder eine darüber hinaus bestehende Überschuldung nicht mit Privatmitteln einstehen will.

 

(3) Finanzierungsentscheidung des Gesellschafters
Nach der Rechtsprechung der Zivilsenate des Bundesgerichtshofs ist zur Umqualifizierung einer bei Eintritt der Krise „stehengelassenen” Kredithilfe erforderlich, dass der Gesellschafter objektiv in der Lage ist, auf den Eintritt der Krise durch Abzug der Mittel oder Liquidation der Gesellschaft zu reagieren (BGHZ 121, 31, 35 ff.; 127, 1, 6; 133, 298, 302; Hueck/Fastrich in Baumbach/Hueck, GmbHG 18. Aufl. § 32a Rdn. 45 m.w.N.) und darüber hinaus „wenigstens die Möglichkeit gehabt haben muss, die Krise der Gesellschaft bei Wahrnehmung seiner Verantwortung für eine ordnungsgemäße Finanzierung der Gesellschaft zu erkennen” (BGHZ 127, 336, 344). Demnach kann es den Gesellschafter – wie es regelmäßig bei gegenüber Banken eingegangenen Bürgschaftsverpflichtungen der Fall sein wird – nicht bereits entlasten, dass er seine Sicherheitsleistung nach dem zivilrechtlichen Vertrag und schuldrechtlichen Regeln nicht abziehen kann. 
Führt der Gesellschafter die ohne Eigenkapitalzuführung liquidationsreife Gesellschaft fort, statt diese unter Entzug der ihr gestellten Mittel zu liquidieren, wird er an dieser „Finanzierungsentscheidung” festgehalten. Dabei hat er diese Entscheidung binnen angemessener Frist zu treffen, wobei die in § 64 Abs. 1 GmbHG niedergelegten Maßstäbe zu beachten sind (vgl. BGHR GmbHG § 30 und § 31  Finanzierungsentscheidung 1 = NJW 1998, 3200, 3201; Hueck/Fastrich aaO Rdn. 41).

 

Eine derartige, auch in strafrechtlicher Hinsicht relevante Finanzierungsentscheidung könnte hier in dem im Juni 2000 gefassten Entschluss des Angeklagten liegen, mit den Banken Vergleichsverhandlungen zu führen, um diese vom Vorgehen aus den Bürgschaften abzuhalten und darüber hinaus sogar die Bürgschaften zum Erlöschen zu bringen. Er hätte statt dieser Verhandlungen auch sogleich Insolvenzantrag (freilich mit der Gefahr eines anschließenden Privatinsolvenzverfahrens) stellen können.

 

(4) Vorsätzlich pflichtwidriges Handeln
Dass der Angeklagte angesichts des Umstands, dass er fällige und durchsetzbare Kredite tilgte, ohne Tatvorsatz hinsichtlich des normativen Tatbestandsmerkmals der „Pflichtwidrigkeit” gehandelt hat, liegt nicht auf der Hand. Vielmehr ging es dem Angeklagten nach den bisherigen Feststellungen gerade auch um die Abwendung des Privatinsolvenzverfahrens und damit um das Freiwerden von den Bürgschaftsschulden mit Mitteln und auf Kosten der GmbH. Insbesondere das Einziehen der von der GmbH still abgetretenen Geschäftsforderungen zum eigenen Vorteil und die Weigerung, die Guthaben vom Anderkonto herauszugeben, lassen Rückschlüsse auf die subjektive Seite im Juni und Juli 2000 zu (vgl. auch Hartung aaO S. 234, 236).

 

bb) Untreue durch Entzug von Forderungen

Eine Untreue zu Lasten der GmbH unter dem Gesichtspunkt des Eingriffs in das Stammkapital oder der Herbeiführung bzw. Vertiefung einer Überschuldung könnte sich über das Vorstehende hinaus auch daraus ergeben, dass der Angeklagte über seine Mittelsmänner dem Unternehmen Geschäftsforderungen in Höhe von 1.747.932,35 DM entzog.

 

(1) Berechtigter der Geschäftsforderungen

Diese Geschäftsforderungen standen der GmbH zu, nicht etwa den „Strohmännern”. Die GmbH war zur Einziehung dieser Geschäftsforderungen trotz der Abtretungen an die Banken befugt. Denn bei diesen Abtretungen handelte es sich um Sicherungsabtretungen (vgl. BGH NJW 2002, 1568, 1569 m.w.N.). Demgemäß hatte die GmbH als Sicherungsgeberin diese Ansprüche in ihrem Firmenvermögen zu bilanzieren, § 246 Abs.1 Satz 2 HGB und dazu Merkt in Baumbach/Hopt, HGB 32. Aufl. § 246 Rdn. 12; Budde/Karig in Beck'scher Bilanz-Kommentar 3. Aufl. § 246 Rdn. 15).

 

Nach Übergang dieser Forderungen hätte der Angeklagte die Sicherungsrechte an den Ansprüchen zugunsten der GmbH bereits deswegen freigeben und diese damit rückabtreten müssen, weil er die gesicherten Bankdarlehen mit Firmenmitteln beglichen und daher von vornherein keinerlei Sicherungsbedürfnis hatte. Im Falle der Krise der GmbH hätte er diese Geschäftsforderungen nicht einmal dann zu eigenen Gunsten geltend machen dürfen, wenn er die Bankdarlehen mit Privatmitteln zurückgeführt hätte. Stattdessen machte der Angeklagte B. K. die der GmbH zustehenden Ansprüche in eigenem Interesse und auf eigene Rechnung geltend. Durch dieses Entziehen der Geschäftsforderungen könnte er nach alledem ebenfalls in das Stammkapital der GmbH eingegriffen bzw. eine Überschuldung herbeigeführt oder vertieft haben (vgl. Hartung aaO S. 236).

(2) Zum gleichen Ergebnis würde man gelangen, wenn man – abweichend von der nach den bisherigen Feststellungen nahe liegenden Würdigung – von einer fortbestehenden Gläubigerstellung des Mitangeklagten ausgehen würde. Denn auch insoweit könnte wegen der Leistung an einen nahen Familienangehörigen die Sperre des § 30 Abs.1 GmbHG  bestehen (vgl. BGHZ 81, 365, 368 f.; Hueck/Fastrich aaO § 30 Rdn. 18 m.w.N.; Maurer aaO S. 1552).

 

(3) Der Übergang der Geschäftsforderungen war in beiden Anklagefällen Teil des Forderungskaufs und ist damit von der Anklage umfasst.

 

cc) Der Freispruch kann im Hinblick auf die überwiesenen Beträge auch deswegen keinen Bestand haben, weil die dem zugrunde liegende Beweiswürdigung durchgreifenden Bedenken begegnet. 

Denn das Landgericht hätte in seine Beweiswürdigung die nachfolgende Einziehung der Geschäftsforderungen zum Vorteil des Angeklagten und die Weigerung der Herausgabe der auf dem Anderkonto befindlichen Guthaben einbeziehen müssen. Dieser Sachverhalt war dem Landgericht mit der einleitenden Formulierung im Anklagesatz unterbreitet, dass die Angeklagten angesichts der Kreditkündigungen und der bereits vorher bestehenden Zahlungsschwierigkeiten im bewussten und gewollten Zusammenwirken der zahlungsunfähigen GmbH soviel wie möglich an noch vorhandenen Vermögenswerten entziehen und der Insolvenzmasse vorenthalten wollten. 

Im Zusammenhang mit den teilweise zeitgleich zur Stellung des Eigeninsolvenzantrags und sogar noch danach erfolgten Überweisungen ist nicht nur das Geschehen bis zum Eingang der Firmengelder auf dem Rechtsanwaltsanderkonto, sondern darüber hinaus bezogen auf das Verbleiben dieser Guthaben auf diesem Konto angeklagt.

 

b) Insolvenzverschleppung
Der Freispruch vom Vorwurf der Insolvenzverschleppung (§ 64 Abs. 1, § 84 Abs 1 Nr. 2 GmbHG) hat ebenfalls keinen Bestand.

 

aa) Liquiditätsstatus

aaa) Berücksichtigung aller fälligen Verbindlichkeiten

Bereits die Darstellung der Liquiditätslage der GmbH zu drei ausgewählten Stichtagen begegnet durchgreifenden Bedenken. Denn das Landgericht beschränkt sich auf die Mitteilung der Summen aus dem Liquiditätsstatus. Damit ist dem Senat die Überprüfung verwehrt, ob der vom Landgericht jeweils zugrunde gelegte Liquiditätsstatus alle relevanten kurzfristig fälligen Verbindlichkeiten und die zu ihrer Tilgung vorhandenen oder herbeizuschaffenden Mittel (also die flüssigen Mittel und kurzfristig einziehbaren Forderungen sowie gegebenenfalls die kurzfristig liquidierbaren Vermögensgegenstände) enthält (vgl. § 17 Abs.2 InsO und BGH wistra 2007, 312; 2001, 306, 307; Müller-Gugenberger/Bieneck aaO § 76 Rdn. 57 ff.). 

bbb) Berücksichtigung der Kontokorrentdarlehen
Die lückenhaften Feststellungen zum Inhalt der „Stillhalteabkommen” lassen auch nicht die Nachprüfung zu, ob das Landgericht die 
Kontokorrentdarlehen im Liquiditätsstatus unberücksichtigt lassen durfte. Den Urteilsgründen ist bereits nicht zu entnehmen, ob die Banken gegenüber dem Angeklagten in rechtsverbindlicher Weise erklärten, von der Geltendmachung der Kreditforderungen vorübergehend abzusehen. Erst recht belegen die Feststellungen weder genaue Zeitpunkte etwaiger Fristen noch gar die Stundung der Kreditforderungen (vgl. Müller-Gugenberger/Bieneck aaO § 76 Rdn. 57, 62; vgl. auch BGH wistra 2007, 312).

 

Ob ein Anspruch der GmbH gegen Rechtsanwalt S. aus einem Treuhandverhältnis auf Rückzahlung der auf dem Anderkonto befindlichen Guthaben zu aktivieren war, bedurfte ebenfalls angesichts des Einzugs der Geschäftsforderungen zugunsten des Angeklagten und des Verhaltens gegenüber der Insolvenzverwaltung der eingehenden Würdigung. Insoweit fehlt eine Auseinandersetzung damit, ob der Rechtsanwalt die Guthaben treuhänderisch für den Angeklagten und nicht etwa für die GmbH verwahrte.

 

bb) Auseinandersetzung mit der Überschuldung 
Rechtsfehlerhaft ist der Freispruch zudem deswegen, weil sich das Urteil nicht zum 
Insolvenzgrund der Überschuldung verhält, § 19 Abs.1 und 2 InsO. 

c) Lückenhafte Feststellungen zum Bankrott

Die lückenhaften Feststellungen zu den mit den Banken in zeitlicher Nähe zu den Kreditkündigungen geführten Vergleichsverhandlungen bedingen auch die Aufhebung der Verurteilung wegen vorsätzlichen Bankrotts, § 283 Abs.1 Nr.7b, Abs.6 StGB  im Fall 3 der Anklage.

 

aa) Fälligkeit der Zahlungspflichten gegenüber der Bank


Die lückenhafte Feststellung gilt zunächst zugunsten des Angeklagten B. K. .
Sollten die Banken die Kreditforderungen tatsächlich gestundet oder zumindest in rechtsverbindlicher Weise von der Geltendmachung abgesehen haben, hätte dies auch Auswirkungen auf die drohende Zahlungsunfähigkeit, die das Landgericht vor allem mit Blick auf die Kreditkündigungen angenommen hat. Diese Begründung der drohenden Zahlungsunfähigkeit widerspricht dem vom Landgericht zum 30. Juni 2000 aufgestellten Liquiditätsstatus, in dem es, wie ausgeführt, die drei Kreditverbindlichkeiten nicht passiviert hat (vgl. UA S. 27). 

Es ist zugunsten des Angeklagten nicht auszuschließen, dass er gegebenenfalls mit den Banken noch vor dem 30. Juni 2000 Stundungen oder zumindest ernsthafte Stillhalteabkommen vereinbaren konnte. Jedenfalls der Forderungskaufvertrag mit der HypoVereinsbank AG wurde noch im Juni 2000 abgeschlossen. Damit könnten vor Strafbewehrung des Verstoßes gegen die Aufstellungspflicht aus § 264 Abs.1, 267 Abs.1 HGB mit Ablauf des 30. Juni 2000 die für die Annahme drohender Zahlungsunfähigkeit nach Ansicht des Landgerichts ausschlaggebenden Zahlungspflichten infolge einer Stundung nicht fällig gewesen sein (vgl § 18 Abs.2 InsO und dazu Müller-Gugenberger/Bieneck aaO § 76 Rdn. 75). 

Diese Verbindlichkeiten könnten dann eine drohende Zahlungsunfähigkeit zum Zeitpunkt des Ablaufs des 30. Juni 2000 nicht begründen. 
Auch die vom Landgericht für die Monate April und Mai 2000 ebenfalls nur kursorisch mitgeteilten Zahlungsrückstände vermögen für sich genommen eine drohende Zahlungsunfähigkeit zum Ablauf des 30. Juni 2000 nicht zu belegen, zumal der Angeklagte B. K. am 1. Juli 2000 die Löhne zahlen konnte. Im Übrigen hat das Landgericht die von Firmenlieferanten zur Beitreibung von Forderungen ergriffenen Maßnahmen als nicht ernsthaft gewertet (UA S. 20). Dass 
gleichwohl auf der Grundlage der bisher getroffenen Feststellungen jedenfalls ein Schuldspruch nach § 283b Abs.1 Nr.1 und 3bStGB erfolgen müsste (vgl. dazu BGH wistra 1998, 105 mit Anmerkung Doster wistra 1998, 326, 327), ändert nichts an der Notwendigkeit einer umfassenden neuen Prüfung.

 

bb) Neuer Tatrichter erforderlich

Mit der Aufhebung der Verurteilung nebst Feststellungen wird dem neuen Tatrichter zudem eine umfassende und widerspruchsfreie Aufklärung und Bewertung des Gesamtgeschehens ermöglicht. Insoweit hat das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft auch zu Lasten des Angeklagten B. K. Erfolg, weil sich der Schuldumfang des Bankrotts bei Annahme eines Eingriffs in das Stammkapital und Herbeiführung eines Insolvenzgrundes erhöhen könnte.

 

 

2. Strafbarkeit des Gehilfen

Mit der Strafbarkeit eines vom Mitangeklagten D. K. geleisteten Gehilfenbeitrags, der hier in dem Erwerb der Kreditforderung nebst Bürgschaften und Geschäftsforderungen für den Angeklagten und dem Zurverfügungstellen seines Namens bei Geltendmachung der Geschäftsforderungen bestehen könnte, hat sich das Landgericht bereits deswegen nicht auseinandergesetzt, weil es keine Haupttat angenommen hat. Auch insoweit bedarf die Sache neuer Aufklärung und Bewertung. Auch wenn der Anklage schwerlich zu entnehmen ist, warum der Angeklagte D. K. Gehilfe einer Untreue im Fall des Forderungserwerbs durch M. … sein soll, kommt angesichts der engen tatsächlichen Verzahnung des Gesamtgeschehens um die Forderungsverkäufe der Banken eine Teilverwerfung der D. K. betreffenden Revision nicht in Betracht.

 

IV. Zur Zurückverweisung

Der Senat hat von der Vorschrift des § 354 Abs. 2 Satz 1 zweite Variante StPO Gebrauch gemacht und die Sache an das Landgericht Dresden zurückverwiesen. Für die neue Hauptverhandlung weist er auf Folgendes hin:

 

V. Rechtsstaatliche Verfahrensverzögerung 

Im angefochtenen Urteil ist eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung festgestellt worden, deren Ausmaß allerdings – trotz Angabe maßgeblicher Anknüpfungstatsachen, freilich bis auf die erstmalige Kenntnis der Angeklagten vom Beginn der Ermittlungen – nicht ausgewertet und bestimmt ist. Für den Fall einer Verurteilung wird der neue Tatrichter nochmals die Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 1 MRK zu prüfen und gegebenenfalls eine Kompensation zu erwägen haben (BGH, Großer Senat, Beschluss vom 17.1.2008 GSST 1)07 NJW 2008, 860). Insbesondere hinsichtlich des Angeklagten D. K. wird gegebenenfalls eine Verfahrenserledigung nach 153, 153 a StPO (vgl. dazu BGH aaO S. 866) auch mit Rücksicht auf den nach Erlass des angefochtenen Urteils verstrichenen Zeitraum zu erwägen sein.

 

 

Das Urteil wurde durch mich gekürzt. 
Die Unterstreichungen und Überschriften stammen von mir.

 

Fundstelle des Urteils: wistra 2008, 379
Haufe: Index 2011320 

 

Hermann Kulzer MBA
Fachanwalt für Insolvenzrecht
Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht
Wirtschaftsstrafverteidiger

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Verfasser: Hermann Kulzer MBA Rechtsanwalt Wirtscahftsstrafverteidiger
03.10.2021 Untreue des Geschäftsführers wegen schwarzer Kasse
Information

Der  Geschäftsführer einer GmbH (oder Vorstand einer AG) können sich wegen Untreue strafbar machen, wenn sie unter Verstoß gegen § 43 Abs. 1 GmbHG, § 93 Abs.1 AktG und unter Verletzung von Buchführungs-vorschriften eine schwarze Kasse im Ausland einrichten. Ein den Untreue-tatbestand ausschließendes Einverständnis der Mehrheit der Gesellschafter einer GmbH setzt voraus, dass auch die Minderheitsgesellschafter mit der Frage der Billigung der Pflichtwidrigkeit befasst  waren.

BGH, Urteil vom 27. August 2010 – 2 StR 111/09 (Fortführung von BGHSt 52, 323).

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Verfasser: Hermann Kulzer MBA, Fachanwalt, Wirtschaftsstrafverteidger
14.08.2010 Verfassungsbeschwerden gegen Verurteilung wegen Untreue (teilweise) erfolgreich
Information Das Bundesverfassungsgericht hat in drei miteinander verbundenen Verfahren über die Anwendung und Auslegung des Tatbestandes der Untreue (§ 266 Abs. 1 StGB) unter dem Gesichtspunkt des Bestimmtheitsgebotes des Art. 103 Abs. 2 GG entschieden; die im juristischen Schrifttum zum Teil bezweifelte Verfassungsmäßigkeit des gesetzlichen Tatbestandes hat das Bundesverfassungsgericht hierbei bejaht. § 266 Abs. 1 StGB in der heute gültigen Fassung lautet: Wer die ihm durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, missbraucht oder die ihm kraft Gesetzes, behördlichen Auftrags, Rechtsgeschäfts oder eines Treueverhältnisses obliegende Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen, verletzt und dadurch dem, dessen Vermögensinteressen er zu betreuen hat, Nachteil zufügt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Den Versuch der Untreue hat der Gesetzgeber nicht unter Strafe gestellt. Die Beschwerdeführer in den vom Zweiten Senat des Bundesverfassungsgerichts entschiedenen Verfahren sind wegen Untreue zu Bewährungsstrafen verurteilt worden; der Bundesgerichtshof hat ihre Verurteilungen zumindest im Schuldspruch bestätigt. Der Beschwerdeführer im ersten Verfahren verwaltete nach den strafgerichtlichen Feststellungen als Bereichsvorstand der Fa. Siemens AG Gelder auf „schwarzen Kassen“, entzog diese so dem Zugriff der zuständigen Unternehmensorgane und verwendete sie später zu Bestechungszwecken. Der Beschwerdeführer im zweiten Verfahren war Vorstand einer Betriebskrankenkasse und schädigte deren Vermögen dadurch, dass er Angestellten der Krankenkasse in Überschreitung des ihm zustehenden Entscheidungsspielraums über mehrere Jahre hinweg zusätzlich zu deren Gehalt und der Vergütung geleisteter Überstunden Prämien in erheblicher Höhe bewilligte. Die Beschwerdeführer im dritten Verfahren waren Vorstandsmitglieder der Berlin-Hannoverschen Hypothekenbank AG; ihnen lag zur Last, unter Verletzung ihrer der Bank gegenüber bestehenden Informations- und Prüfungspflichten einen unzureichend gesicherten Kredit für die Anschaffung und Modernisierung von Plattenbauwohnungen über knapp 20 Mio. DM bewilligt und ausgezahlt zu haben. Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts hat die gegen die Verurteilungen gerichteten Verfassungsbeschwerden in den beiden erstgenannten Verfahren zurückgewiesen, im dritten Fall jedoch den Beschluss des Bundesgerichtshofs und das Urteil des Landgerichts Berlin wegen Verletzung des Rechts der Beschwerdeführer aus Art. 103 Abs. 2 GG aufgehoben und die Sache an das Landgericht zurückverwiesen. Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zugrunde: Verfassungsrechtliche Bedenken, die die Weite eines Straftatbestandes bei isolierter Betrachtung auslösen müsste, können durch eine gefestigte höchstrichterliche Rechtsprechung entkräftet werden. Die Rechtsprechung ist daher gehalten, verbleibende Unklarheiten über den Anwendungsbereich einer Norm durch Präzisierung und Konkretisierung im Wege der Auslegung nach Möglichkeit auszuräumen (Präzisierungsgebot). Aufgrund des in Art. 103 Abs. 2 GG zum Ausdruck kommenden strengen Gesetzesvorbehalts ist die Kontrolldichte des Bundesverfassungsgerichts bezüglich der Rechtsanwendung durch die Fachgerichte im Bereich des materiellen Strafrechts erhöht. Der Untreuetatbestand ist mit dem Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG noch zu vereinbaren. Zwar hat das Regelungskonzept des Gesetzgebers - im Interesse eines wirksamen und umfassenden Vermögensschutzes - zu einer sehr weit gefassten und verhältnismäßig unscharfen Strafvorschrift geführt. § 266 Abs. 1 StGB lässt jedoch das zu schützende Rechtsgut ebenso klar erkennen wie die besonderen Gefahren, vor denen der Gesetzgeber dieses mit Hilfe des Tatbestandes bewahren will. Der Untreuetatbestand lässt eine konkretisierende Auslegung zu, die die Rechtsprechung in langjähriger Praxis umgesetzt und die sich in ihrer tatbestandsbegrenzenden Funktion grundsätzlich als tragfähig erwiesen hat. Den danach an die Auslegung des § 266 Abs. 1 StGB zu stellenden Anforderungen genügen die angegriffenen Verurteilungen in den ersten beiden Fällen, nicht jedoch die Verurteilung der Vorstände der Berlin-Hannoverschen Hypothekenbank AG (dritter Fall). Nicht zu beanstanden ist zwar die Bewertung, dass die Beschwerdeführer mit der Bewilligung des Kredits die ihnen als Vorstandsmitglieder obliegende Pflicht verletzt haben, die Vermögensinteressen der Hypothekenbank wahrzunehmen, namentlich eine umfassende und sorgfältige Bonitätsprüfung vorzunehmen. Es fehlt jedoch an der von Verfassungs wegen erforderlichen wirtschaftlich nachvollziehbaren Feststellung und Darlegung eines Vermögensnachteils (Schadens). Hier hat das Landgericht auf die Rechtsfigur des Gefährdungsschadens zurückgegriffen: Es ist vom Eintritt eines Schadens bereits zum Zeitpunkt der Bewilligung und Auszahlung des Kredits ausgegangen, weil der durch Auszahlung des Kreditbetrags eingetretenen Vermögensminderung ein gleichwertiger Vermögenszuwachs in Form des Rückzahlungsanspruchs nicht gegenübergestanden habe, soweit die Rückzahlung mangels ausreichend werthaltiger Sicherheiten nicht gewährleistet gewesen sei. Dies ist im Ausgangspunkt verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Zwar ist mit der Rechtsfigur des Gefährdungsschadens in erhöhtem Maße die Gefahr einer Überdehnung des Untreuetatbestandes durch Gleichsetzung von gegenwärtigem Schaden und zukünftiger Verlustgefahr verbunden; dies würde die Entscheidung des Gesetzgebers gegen eine Strafbarkeit des Untreueversuchs unterlaufen und die Eigenständigkeit des Nachteilsmerkmals in Frage stellen. Dieser Gefahr kann jedoch begegnet werden, indem (auch) Gefährdungsschäden von den Gerichten in wirtschaftlich nachvollziehbarer Weise nach anerkannten Bewertungsverfahren und –maßstäben festgestellt werden; soweit komplexe wirtschaftliche Analysen vorzunehmen sind, wird die Hinzuziehung eines Sachverständigen erforderlich sein. Daran fehlt es in dem Berliner Fall. Die Entscheidungen des Landgerichts und des Bundesgerichtshofs verletzen das Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG, weil sie einen Vermögensschaden angenommen haben, obwohl keine den verfassungsrechtlichen Anforderungen entsprechende, wirtschaftlich nachvollziehbare Feststellungen zu dem Nachteil getroffen wurden, der durch die pflichtwidrige Kreditvergabe der Beschwerdeführer verursacht worden sein könnte. Dass nach der Bewertung des Bundesgerichtshofs die als Vorstandsmitglieder verantwortlichen Beschwerdeführer ein allzu weites Risiko eingegangen sind, indem sie die Kreditgewährung für das Gesamtkonzept pflichtwidrig unter Vernachlässigung anerkannter deutlicher Risiken und Negierung vielfältiger Warnungen fortsetzten, ersetzt nicht die Feststellung eines konkreten Schadens. Dieses Verfahren ist an das Landgericht zurückverwiesen worden. Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 23. Juni 2010 – 2 BvR 2559/08, 2 BvR 105/09, 2 BvR 491/09 – insoinfo
Verfasser: Hermann Kulzer, Rechtsanwalt
20.03.2010 Untreue des Geschäftsführers durch Zahlungen an die Gesellschafter in der Insolvenzreife
Information Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs begeht der Geschäftsführer eine Untreue zu Lasten der GmbH, wenn er das zur Erhaltung des Stammkapitals, das der Verfügungsmacht der Gesellschafter im Interesse der Gläubiger entzogen ist, erforderliche Vermögen an die Gesellschafter auszahlt (BGHSt 35, 333, 337 f). Dies gilt auch dann, wenn das Stammkapital bereits verloren und die GmbH überschuldet ist. Hat der Gesellschafter der GmbH anstelle von Eigenkapital ein Darlehen gewährt – oder dieses stehengelassen, das als eigenkapitalersetzend zu qualifizieren ist, weil es verlorenes Stammkapital ersetzt oder eine darüber hinausgehende Überschuldung abdeckt, besteht auch ein Rückzahlungsverbot im Sinne des § 30 Abs. 1 GmbHG: Der Geschäftsführer darf das Darlehen nicht an den Gesellschafter zurückzahlen, soweit er damit in das (wiederhergestellte) Stammkapital eingreifen oder sogar die (erneute) Überschuldung der GmbH herbeiführen würde (vgl. BGHZ 90, 370, 376 ff; BGH NJW 2006, 225). Auszahlungen dürfen an den Gesellschafter nur geleistet werden, wenn die Aktivwerte die Passivwerte übersteigen und zudem nur in der Höhe, in welcher der sich daraus ergebende Unterschiedsbetrag den Nennwert des Stammkapitals übersteigt. Ein vorsätzlicher Verstoß gegen dieses Rückzahlungsverbot begründet die Strafbarkeit wegen Untreue (vgl. MünchKomm-StGB, § 266 Rdn. 139, 170). Nichts anderes gilt für Rückzahlungen auf ein von einem Gesellschaftsfremden gewährtes Darlehen, das durch eine Leistung des Gesellschafters (etwa Bürgschaften oder Bestellung von Grundpfandrechten) abgesichert ist, soweit diese Leistung verlorenes Stammkapital ersetzt oder eine darüber hinausgehende Überschuldung abdeckt. Nach ständiger Rechtsprechung der Zivilsenate des Bundesgerichtshofs sind Rückzahlungen auf einen Kredit, die eine notleidende Gesellschaft an einen Fremdgläubiger geleistet hat, als Einlagenrückgewähr an den Gesellschafter zu betrachten, wenn dieser sich für den Kredit in einer Lage verbürgt hat, in der ein unmit-telbar von ihm gewährtes Darlehen als Kapitalersatz zu behandeln gewesen wäre. Eine Kreditrückführung aus Mitteln des zur Erhaltung des Stammkapitals erforderlichen Vermögens stellt in Höhe der Befreiung von der Bürgschaftsschuld eine Auszahlung an den bürgenden Gesellschafter im Sinne des § 30 Abs. 1 GmbHG dar (BGHZ 81, 252, 260; Hueck/Fastrich in Baumbach/Hueck, GmbHG 18. Aufl. § 32a Rdn. 95). Sofern der Gesellschafter in einem solchen Falle das Darlehen an den Fremdgläubiger nicht aus seinem privaten Vermögen zurückführt oder er der GmbH in Höhe seiner Befreiung weder eine gleichwertige Sicherheit stellt noch in sonstiger Weise einen Aus-gleich schafft, kann die Rückzahlung seine Strafbarkeit wegen Untreue begründen. Ob der Geschäftsführer durch die Darlehensrückzahlung in das Stammkapital eingegriffen oder sogar eine darüber hinaus bestehende Überschuldung vertieft hat, lässt sich hier – anders als in den Fällen einer „Aushöhlung“ der Gesellschaft (vgl. dazu BGHSt 35, 333, 338; BGH wistra 2006, 265) – nur anhand eines Überschuldungsstatus feststellen (vgl. zu dessen Inhalt BGHSt 15, 306, 309; BGH wistra 2003, 301, 302; 1987, 28; O; Müller-Gugenberger/Bieneck, Wirtschaftsstrafrecht 4. Aufl. § 76 Rdn. 7 ff.). Bei Fragen stehen Ihnen RA Kulzer, Fachanwalt für Insolvenzrecht und RA Westen, Fachanwalt für Strafrecht in Berlin und Dresden zur Verfügung insoinfo
Verfasser: Hermann Kulzer, Fachanwalt für Insolvenzrecht

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