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25.11.2024 |
Verbotene Zahlungen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit und Pflicht zur Krisenfrüherkennung und Insolvenzeinleitung als Kardinalspflichten |
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Der Geschäftsführer, der nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit der GmbH oder AG noch Zahlungen leistet, nimmt unter Umständen verbotene Zahlungen vor und läuft Gefahr, dass diese Zahlungen der späteren Insolvenzmasse ersetzen zu müssen- er haftet also möglicherweise für diese Zahlungen persönlich, wenn diese Zahlungen nicht mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsführers geleistet wurden. Als Ausgangspunkt des subjektiven Tatbestands des § 64(2) GmbHG a.F. reicht die Erkennbarkeit der Insolvenzreife aus, wobei die Erkennbarkeit als Teil des Verschuldens vermutet wird. Von dem Geschäftsführer einer Gesellschaft einer GmbH wird erwartet, dass er sich über die wirtschaftliche Lage der Gesellschaft stets vergewissert- hierzu gehört die Prüfung der Insolvenzreife. Der Geschäftsführer handelt fahrlässig, wenn er sich nicht rechtzeitig die erforderlichen Informationen und Kenntnisse verschafft, die er für die Prüfung benötigt, ob er pflichtgemäß Insolvenzantrag stellen muss (BGH Urteil vom 19.6.2012 II ZR 243/11).
1. Wer kommt für eine Haftung in Betracht?
- Geschäftsführer
- Faktischer Geschäftsführer
- Liquidator
- Aufsichtsrat u.U.
2. Welche Pflichten hat ein Geschäftsführer in diesem Zusammenhang (Auszug):
- Pflicht zur Krisenfrüherkennung und zum Krisenmanagement
(gesetzliche Regelung jetzt durch § 1 StARUG - früher in § 91 (2) AktG)
(1) Die Mitglieder des zur Geschäftsführung berufenen Organs einer juristischen Person (Geschäftsleiter) wachen fortlaufend über Entwicklungen, welche den Fortbestand der juristischen Person gefährden können. Erkennen sie solche Entwicklungen, ergreifen sie geeignete Gegenmaßnahmen und erstatten den zur Überwachung der Geschäftsleitung berufenen Organen (Überwachungsorganen) unverzüglich Bericht. Berühren die zu ergreifenden Maßnahmen die Zuständigkeiten anderer Organe, wirken die Geschäftsleiter unverzüglich auf deren Befassung hin. (2) Bei rechtsfähigen Personengesellschaften im Sinne von § 15a Absatz 1 Satz 3 und Absatz 2 der Insolvenzordnung gilt Absatz 1 entsprechend für die Geschäftsleiter der zur Geschäftsführung berufenen Gesellschafter. (3) Weitergehende Pflichten, die sich aus anderen Gesetzen ergeben, bleiben unberührt.
- Überwachung der finanziellen Situation und Kontrolle der Liquidität als Kardinalspflicht.
Bei Verstoß liegt Pflichtverletzung nach § 43 (1) GmbHG vor mit mgl. Schadenersatz bei kausalem Schaden
- Im Falle einer Insolvenzreife besteht nach § 15a InsO die Pflicht des Geschäftsführers zur rechtzeitigen Insolvenzantragstellung- nach Ansicht des OLG Köln, Urteil von 2021 ist die Insolvenzanmeldepflicht eine der Kardinalspflichten des Geschäftsführers (als Kardinalpflichten bezeichnet man die Hauptpflichten, also die wesentlichen Pflichten, die geschuldet werden)
1) Wird eine juristische Person zahlungsunfähig oder überschuldet, haben die Mitglieder des Vertretungsorgans oder die Abwickler ohne schuldhaftes Zögern einen Eröffnungsantrag zu stellen. Der Antrag ist spätestens drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit und sechs Wochen nach Eintritt der Überschuldung zu stellen.
3. Für den Geschäftsführer bestehen Haftungsrisiken im Rahmen
- der Außenhaftung und
- im Rahmen der Innenhaftung;
Ansprüche der Gesellschaft gegen den Geschäftsführer macht in der Regel der Insolvenzverwalter geltend.
4. Haftungsgrundlagen und Maßstab
a) Haftung nach § 64 GmbHG alte Fassung: Haftung für Zahlungen nach Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung.
Die Haftung des Geschäftsführers setzt nach § 64 Abs.2 Sa. 1 GmbHG a.F. Verschulden voraus. Einfache Fahrlässigkeit genügt. Maßstab ist die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns. Auf die individuelle Fähigkeiten des in Anspruch genommenen Geschäftsführers kommt es nicht an; mangelnde Sachkenntnis entschuldigt ihn nicht.
Text der alten Fassung des § 64 GmbHG
1 Die Geschäftsführer sind der Gesellschaft zum Ersatz von Zahlungen verpflichtet, die nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft oder nach Feststellung ihrer Überschuldung geleistet werden. 2 Dies gilt nicht von Zahlungen, die auch nach diesem Zeitpunkt mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns vereinbar sind. 3 Die gleiche Verpflichtung trifft die Geschäftsführer für Zahlungen an Gesellschafter, soweit diese zur Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft führen mussten, es sei denn, dies war auch bei Beachtung der in Satz 2 bezeichneten Sorgfalt nicht erkennbar. 4 Auf den Ersatzanspruch finden die Bestimmungen in § 43 Abs. 3 und 4 entsprechende Anwendung.
b) Haftung nach § 15 b InsO: Auszug des Gesetzes (aktuelle Fassung 2024)
(1) Die nach § 15a Absatz 1 Satz 1 antragspflichtigen Mitglieder des Vertretungsorgans und Abwickler einer juristischen Person dürfen nach dem Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder der Überschuldung der juristischen Person keine Zahlungen mehr für diese vornehmen. Dies gilt nicht für Zahlungen, die mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters vereinbar sind. (2) Zahlungen, die im ordnungsgemäßen Geschäftsgang erfolgen, insbesondere solche Zahlungen, die der Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs dienen, gelten vorbehaltlich des Absatzes 3 als mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters vereinbar. Im Rahmen des für eine rechtzeitige Antragstellung maßgeblichen Zeitraums nach § 15a Absatz 1 Satz 1 und 2 gilt dies nur, solange die Antragspflichtigen Maßnahmen zur nachhaltigen Beseitigung der Insolvenzreife oder zur Vorbereitung eines Insolvenzantrags mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters betreiben. Zahlungen, die im Zeitraum zwischen der Stellung des Antrags und der Eröffnung des Verfahrens geleistet werden, gelten auch dann als mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters vereinbar, wenn diese mit Zustimmung eines vorläufigen Insolvenzverwalters vorgenommen wurden. (3) Ist der nach § 15a Absatz 1 Satz 1 und 2 für eine rechtzeitige Antragstellung maßgebliche Zeitpunkt verstrichen und hat der Antragspflichtige keinen Antrag gestellt, sind Zahlungen in der Regel nicht mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters vereinbar. (4) Werden entgegen Absatz 1 Zahlungen geleistet, sind die Antragspflichtigen der juristischen Person zur Erstattung verpflichtet.
5. Ansprüche der Gläubiger der GmbH oder AG bei Verschleppungen
Gläubiger haben mehrere Ansprüche gegen die Geschäftsleitung einer GmbH im Zusammenhang mit einer Insolvenzverschleppung
- a) War die Forderung gegen die GmbH bereits vor der Verschleppung begründet, muss der Geschäftsführer den Quotenschaden ersetzen
- b) Wurde die Forderung gegen die GmbH begründet nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit, hat der Gläubiger einen Anspruch auf vollen Ersatz des Schadens vom Geschäftsführer, weil dieser eigentlich keine Geschäfte mehr hätte tätigen dürfen.
- c) Im Falle der Abweisung eines Insolvenzverfahrens mangels Masse, kann jeder Gläubiger mittelbar sich den Anspruch nach § 64 GmbHG alte Fassung nach Pfändung und Überweisung zur Einziehung geltend machen (BGH, Urteil vom 11.98.2000 II ZR 370/99)
6. Definition der Zahlungsunfähigkeit ZU) in § 17(2) InsO
a) Fällige Zahlungsverpflichtungen können nicht erfüllt werden b) ZU liegt in der Regel vor bei Zahlungseinstellung c) Abgrenzung der Zahlungsunfähigkeit von der Zahlungsstockung/ BGH vom 24.5.2005 IX ZR 123/04
- Eine bloße Zahlungsstockung ist anzunehmen, wenn der Zeitraum nicht überschritten wird, den eine kreditwürdige Person benötigt, um sich die benötigten Mittel zu leihen.
Dafür erscheinen drei Wochen erforderlich, aber auch ausreichend. Beträgt eine innerhalb von drei Wochen nicht zu beseitigende Liquidätitslücke des Schuldners 10 Prozent und mehr seiner fälligen Gesamtverbindlichkeiten, ist regelmäßig von Zahlungsunfähigkeit auszugehen
Hermann Kulzer MBAFachanwalt für Insolvenzrecht Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht |
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Verfasser: Hermann Kulzer |
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