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19.10.2006 Räumungsvollstreckung, Suizidgefahr und Vollstreckungsschutz
Information ZPO §§ 765 a; GG Art. 2 II S. 1; ZPO 855, 811; BGB 562, 562 b, 97, 98 BGB 

I. Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts

1. Von einem Schuldner kann jedes zumutbare Bemühen um eine Verringerung des Gesundheitsrisikos verlangt werden.
2. Die Feststellung, welche Handlung zumutbar sind, ist Aufgabe des Vollstreckungsgerichts.
3. Zu den rechtlichen Möglichkeiten des Vollstreckungsgerichts zählt die Erteilung von Auflagen zur Wohnungssuche und zur ärztlichen Behandlung.
4. Eine Einstellung der Zwangsvollstreckung auf unbestimmt Zeit ist nur in absoluten Ausnahmefällen möglich.

BVerfG, Beschl. v. 27.06.2005 - 1 BvR 224/05 , InVo 12/2005 S. 494 ff.

II. Entscheidung des Bundesgerichtshofs
1. Besteht im Falle der Zwangsräumung bei einem nahen Angehörigen des Schuldners eine Suizidgefahr, ist diese bei der Anwendung des § 765 a ZPO in gleicher Weise wie eine beim Schuldner selbst bestehende Gefahr zu berücksichtigen.
2. Selbst dann, wenn mit einer Zwangsvollstreckung eine konkrete Gefahr für Leben und Gesundheit des Schuldners oder eines nahen Angehörigen verbunden ist, kann eine Maßnahme der Zwangsvollstreckung nicht ohne weiteres einstweilen eingestellt werden.
3. Erforderlich ist stets die Abwägung der Interessen der Betroffenen mit den Vollstreckungsinteressen des Gläubigers.
4. Es ist auch bei konkreter Suizidgefahr sorgfältig zu prüfen, ob dieser Gefahr nicht auch auf andere Weise als durch Einstellung der Zwangsvollstreckung wirksam begegnet werden kann.
5. Auch der Gefährdete selbst ist gehalten, das ihm Zumutbare zu tun, um die Risken, die für ihn im Fall der Vollstreckung bestehen, zu verringern.

BGH, Beschl. v. 4.5.2005 - I ZB 10/05 ( LG Dortmund ) InVo 12/2005 S. 496 ff.

III. Räumungsvollstreckung nach dem "Berliner Modell" (BGH, Beschl. v. 10.08.2006 - I ZB 135/05 , Vorinstanz: LG Berlin) = NJW 2006, 3273 ff. 
Räumungsvollstreckungen waren oft mit erheblichen Vorschüssen an die Gerichtsvollzieher verbunden, da diese die Kosten für die vollständige Räumung geltend gemacht haben. Mehrere tausend Euro mussten so von den Eigentümern aufgewendet werden gegen zahlungs- und räumungsunwillige
Mieter. Über das alternative Berliner Modell musste der Bundesgerichtshof  entscheiden:
1. Eine Beschränkung der Zwangsvollstreckung auf die Herausgabe der Wohnung ist möglich bei Geltendmachung des Vermieterpfandrechts an sämtlichen in den Räumen befindlichen Gegenständen ( Bestätigung von BGH, NJW 2006, 848).
Der BGH begründet dies damit, dass das Vermieterpfandrecht Vorrang habe gegenüber der in § 885 II, III S.1 ZPO bestimmten Entfernung der beweglichen Sachen, die nicht Gegenstand der Zwangsvollstreckung sind. Der Gerichtsvollzieher habe nicht zu prüfen, ob die in Rede stehenden Gegenstände wegen Unpfändbarkeit nach § 562 I 2 BGB dem Vermieterpfandrecht nicht unterliegen.
2. Das Vermieterpfandrecht hat Vorrang vor der Entfernung der Habe des Mieters aus der Wohnung, was nicht Gegenstand der Räumungsvollstreckung ist. Deshalb hat der Gerichtsvollzieher den unter Benennung eines Kostenvorschusses von 400 Euro erteilten Räumungsauftrag ohne Prüfung der Berechtigung des Vermieters, sich auf sein Vermieterpfandrecht zu berufen, auszuführen.
Der Schuldner ist hinreichend geschützt, dass er die unpfändbaren, nicht dem Vermieterpfandrecht unterfallenen Gegenstände vor Durchführung der Zwangsvollstreckung aus der Wohnung entfernen kann.
Kritik zum Berliner Modell besteht, vgl. RAfaz 7/2007 S.12.

IV. Zulässigkeit des Vollstreckungsschutzantrags
Vollstreckungsschutzanträge können in der Revision regelmäßig nur dann gestellt werden, wenn dies auch in den Tatsacheninstanzen geschehen ist.
Der BGH entschied einem Ausnahmefall.
In einem Räumungsrechtsstreit stellen die Beklagten keinen Vollstreckungsschutzantrag, weil der Kläger zugesichert hat, erst aus einem rechtskräftigen Urteil zu vollstrecken. Als der Kläger dann doch vorher vollstreckt, begehren die Beklagten die einstweilige Einstellung der Vollstreckung.
Der BGH gab dem Antrag statt, vgl. BGH, Beschluss vom 23.5.2006 - VIII ZR 28/06 NZM 2006, Heft 23 und NJW-Spezial Heft 11, 2006 S. 483



HK/KÖ/Vollstreckung Effektiv/12/2006/214
HK/PAPP/RAFAZ//2007
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Verfasser: Hermann Kulzer, Rechtsanwalt
 
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