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Insolvenzrecht A bis Z
Haftung des Geschäftsführers

Themen der Entscheidung des BGH in 2017:
Ausgleich masseschmälernder Zahlungen; Anforderungen an die in die Masse fließende Gegenleistung; Bemessung der Gegenleistung nach Liquidationswerten

Leitsätze:

1. Die Ersatzpflicht des Organs für Zahlungen nach Insolvenzreife entfällt, soweit die durch die Zahlung verursachte Schmälerung der Masse in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der Zahlung durch eine Gegenleistung ausgeglichen wird.

2. Die in die Masse gelangende Gegenleistung muss für eine Verwertung durch die Gläubiger geeignet sein. Das sind Arbeits- oder Dienstleistungen in der Regel nicht.

3. Wenn die Gesellschaft insolvenzreif und eine Liquidation zugrunde zu legen ist, ist die in die Masse gelangende Gegenleistung grundsätzlich nach Liquidationswerten zu bemessen.


23.08.2022 Haftung trotz Verjährung bei deliktischen Ansprüchen? Wenn deliktische Schadensersatzansprüche bereits nach 3 Jahren verjährt sind, besteht ein Anspruch auf Restschadensersatz aus § 852 BGB, der erst in 10 Jahren verjährt.
Information

Haftung trotz Verjährung des Anspruchs aus unerlaubter Handlung (deliktischer Anspruch)

 

Leitsatz: 

Wer Berichtigte/e ist von deliktischen Schadensersatzansprüchen, die bereits verjährt sind, hat -trotz der Verjährung - einen Anspruch auf Restschadensersatz aus § 852 BGB, für den eine längere Verjährungsfrist gilt ( e.A. 10. Jahre- nach a.A. BGH vom 26.3.2019 X ZR 109/16 gilt bei § 852 BGB eine Verjährungsfrist von über 10 Jahren, also von 30 Jahren).

 

Die Haftung aus vorsätzlich unerlaubter Handlung oder nach § 826 BGB für eine vorsätzlich sittenwidrige Schädigung verjährt nach §§ 195, 199 BGB.  Wenn man den Schädiger und den Schaden kennt, beträgt die Frist 3 Jahre.

 

Der betroffene Geschädigte hat aber vielleicht einen Restschadensersatzanspruch aus § 852 BGB, also einen Anspruch aus unerlaubter Handlung, der in Höhe der Bereicherung nicht verjährt ist (vgl. zu § 852 Abs.3 BGB a.F. BGHZ 71, 86, 98 f. - Fahrradgepäckträger II; BGH Urteil vom 14.1.1999 IZR 203/96- Güllepumpen; BGH, Urteil vom 15.1.2015 I ZR 148/13. Mit Urteil vom 21.2.2022 AZ VIa ZR 8/21 und VI a ZR 57/21 hat der BGH den Anspruch aus § 852 S.1 BGB beim Erwerb vom Dieselskandal betroffenen Neuwagen bejaht.

Danach muss derjenige, der durch eine unerlaubte Handlung auf Kosten des Verletzten etwas erlangt hat, das Erlangte nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung herausgeben, auch wenn die deliktischen Schadensersatzansprüche bereits verjährt sind. Dieser Restschadensersatzanspruch verjährt in zehn bzw dreißig Jahren ab seiner Entstehung.

 

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Verfasser: Hermann Kulzer, MBA, Rechtsanwalt, Fachanwalt
27.10.2019 Geschäftsführerhaftung gegenüber dem Finanzamt Oder: Wann droht die persönliche Haftung der Geschäftsleitung für Steuern der Gesellschaft?
Information Persönliche Haftung des Geschäftsführers für Steuern der GmbH:
Der/die Geschäftsführer/in einer Kapitalgesellschaft (UG, GmbH, AG) ist deren handelndes Organ und gesetzliche/r Vertreter/in. Er/Sie ist als Organ dafür verantwortlich, dass die Gesellschaft ihre steuerlichen Verpflichtungen ordnungsgemäß erfüllt. Geregelt ist dies in §§ 69, 34 Abgabenordnung (AO). Wenn der/die Geschäftsführer/in diese Verpflichtungen unterlässt und das Finanzamt dadurch einen Ausfall erleidet, droht dem/der Geschäftsführer/in die persönliche Haftung.
10 Tipps vom Fachanwalt:
1. Die Pflicht des/der Geschäftsführers/in
Die wichtigste Pflicht des/ der Geschäftsführers/in ist es, sich gemäß § 34 AO darum zu kümmern, dass die Steuern ordnungsgemäß und rechtzeitig angemeldet und entrichtet werden.
2. Zeitpunkt der Verantwortlichkeit
Verantwortlich ist der/die Geschäftsführer/in ab dem Zeitpunkt, wo er/sie als Organ für die Kapitalgesellschaft tätig wird- das tritt ein nach seiner/ihrer Bestellung durch die Gesellschafterversammlung und Annahme des Amtes durch ihn/sie- nicht erst mit der Eintragung im Handelsregister.
3. Persönliche Haftung
Die Gesellschaft haftet gegenüber dem Finanzamt für die abzuführenden Steuern. Der/die Geschäftsführer/in der/die gegen seine/ihre steuerlichen Pflichten verstößt, haftet also neben der Gesellschaft als Haftungsschuldner/in.
4. Voraussetzungen der persönlichen Haftung
Der/die Geschäftsführer/in haftet persönlich unter folgenden Voraussetzungen:
  • GmbH zahlt die Steuerforderungen nicht oder nicht rechtzeitig
  • vorsätzliches oder grob fahrlässiges Handeln und Unterlassen
  • durch die Pflichtverletzung des/der Geschäftsführer/in konnten Steuerforderungen gegen die GmbH nicht oder nicht termingerecht festgesetzt oder erfüllt werden
5. Erweiterung der Haftung auf den/die faktische/n Geschäftsführer/iin
Es gibt Fölle, in denen die Gesellschaft keine/n handlungsfähige/n Geschäftsführer/in (mehr) hat, und ein/e andere/r tatsächlich die Geschäfte leitet. Man nennt dies faktische Geschäftsführung. Haftet auch der/die faktische Geschäftsführer/in für die Nichtabführung von Steuern persönlich?
Der siebte Senat vom Bundesfinanzhof hat eine Haftung des/der faktischen Geschäftsführers/in für die Zeit seiner Zuständigkeit gemäß § 69 AO bereits mit Urteil vom 21.2.1989 bejaht. Der /die Geschäftsführer/in haftet jedoch nicht für Steuern, die nach seiner/ihrer Abberufung oder Niederlegung entstanden sind, vgl. BGH, Urteil des siebten Senats vom 22.1.1985.
6. Vorsätzliche oder fahrlässige Pflichtverletzung
Die Haftung des/der Geschäftsführers/in gemäß § 69 AO setzt eine vorsätzliche oder grob fahrlässige Pflichtverletzung voraus.
Vorsatz liegt vor, wenn man trotz Kenntnis der obliegenden Pflichten diese nicht erfüllt oder deren Verletzung zumindest billigend in Kauf nimmt.
Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn die Sorgfalt, zu deren Erfüllung der/die Geschäftsführer/in nach den Umständen und persönlichen Kenntnissen in der Lage war, in ungewöhnlich hohem Maße außer Acht gelassen wird.
Keiner/keine kann sich auf Unvermögen oder fehlende Sachkenntnis berufen.
Wer sich nicht auskennt, muss sich fachkundig informieren und Rat und Hilfe organisieren, damit eine ordnungsgemäß Geschäftsführung ermöglicht werden kann.
Der/die kaufmännische Leiter/(Leiterin muss nach herrschender Auffassung des BFH alle maßgeblichen gesetzlichen Vorschriften kennen und beachten.
7. Delegation von steuerlichen Aufgaben?
Der/die Geschäftsführer/in kann steuerliche Aufgaben der GmbH delegieren. Er/sie kann einen Steuerberater oder Rechtsanwalt mit der Erfüllung der steuerlichen Pflichten betrauen.
8. Sonderfall: Haftung für Lohnsteuer
Der Arbeitgeber/Arbeitgeberin haftet für die nicht abgeführte Lohnsteuer (§ 42 d EStG) Der /die Geschäftsführer/in muss die Steuerbeträge und die Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung vom Bruttolohn einbehalten und verwalten - wie ein Treuhänder fremdes Geld. In Zeiten einer Zahlungsstockung oder Krise dürfen das Finanzamt oder die Sozialkassen nicht schlechter gestellt werden als andere Gläubiger und die Arbeitnehmer hinsichtlich der ausbezahlten Nettolöhne. Es ist auf die gleichmäßige Befriedigung der Gläubiger zu achten. Erhalten die Arbeitnehmer keine Lohnzahlung, ist wegen dem Zuflussprinzip keine Lohnsteuer abzuführen- bei den Arbeitnehmerbeiträgen zur Sozialversicherung ist dies anders- diese müssen auch bei Nichtzahlung des Lohnes aufgeführt werden.
Nach Auffassung der Rechtsprechung ist die Lohnsteuer vorrangig vor allen anderen Gläubigern zu tilgen (BFH, Urteil vom 27.7.2007, Az. VII R 60/05).
Reicht das Geld nicht für die Lohnsteuer, darf sich der/die Geschäftsführer/in solange kein Gehalt auszahlen und muss auch notfalls die Nettolöhne der Mitarbeiter kürzen.
Der Geschäftsführer haftet für den Lohnsteueranteil, den er mit den vorhandenen liquiden Mitteln der GmbH hätte zahlen können (BFH, Beschluss vom 9.1.1990, Az. VII B 56/89). Das schlimmste ist es, die Nettolöhne vollständig auszubezahlen und dann keine Mittel mehr für die Lohnsteuerzahlung zu haben.
Werden in vollem Umfang die Nettolöhne ausgezahlt, obwohl der/die Geschäftsführer/in weiß, dass die dann fällige Lohnsteuer nicht mehr abgeführt werden kann, haftet er/sie für den nicht abgeführten Lohnsteueranteil persönlich.
Der/die Geschäftsführer/in muss sich kümmern, dass Lastschriften eingelöst werden bzw. die Steuerschuld mit Nichteinlösung der Lastschrift anders getilgt wird- das gilt auch im Insolvenzeröffnungsverfahren.
9. Haftung für Zinsen?
Auch Säumniszuschlöge müssen vom Geschäftsführer ersetzt werden, vgl. § 69 Satz 2 AO.
10. Zusammenfassung:
Eine persönliche Haftung der Geschäftsleitung erfolgt nur bei Pflichtverletzung und nur anteilig, inwieweit die Zahlung möglich gewesen wäre. Eine persönliche Haftung wegen faktischer Geschäftsführung setzt voraus, dass der/die Handelnde auch wirklich faktischer Geschöftsführer/in war.
Das muss nach der Rechtsprechung zum Gesellschaftsrecht beurteilt werden.
Ein Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht kann qualifizierte Hilfestellung bei Haftungsfragen leisten, um unbegründete Ansprüche zu klären und abzuwehren.

Für Rückfragen und Hilfe stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung.

Hermann Kulzer MBA
Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht
Fachanwalt für Insolvenzrecht
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Verfasser: Hermann Kulzer MBA, Rechtsanwalt, Fachanwalt, Wirtschaftsmediator
01.11.2018 Haftung des Geschäftsführers für Zahlungen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit
Information Wenn der Geschäftsführer nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit Zahlungen leistet, besteht das Risiko, dass er für diese Zahlungen im Wege der Haftung persönlich aufkommen muss.

Der Gesetzestext in § 64 GmbHG lautet wie folgt:

„Die Geschäftsführer sind der Gesellschaft zum Ersatz von Zahlungen verpflichtet, die nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft oder nach Feststellung ihrer Überschuldung geleistet werden. Dies gilt nicht für Zahlungen, die auch nach diesem Zeitpunkt mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes vereinbar sind.“


Es stellen sich daher wichtige Fragen:
  • Darf er überhaupt noch Zahlungen leisten?
  • Welche Zahlungen kann er noch tätigen?
  • Für welche muss er haften und warum?
  • Für welche Zahlungen entfällt die Haftung?
Grund des Haftungsrisikos ist, dass der Geschäftsführer nach Eintritt der Insolvenzreife nicht nur Insolvenzantrag zu stellen hat (§ 15a InsO), sondern im Interesse der Gesamtheit der Gläubiger die noch verbliebene Masse zu erhalten hat. Wenn er dennoch die Masse durch Zahlungen oder andere Leistungen schmälert, wird er nach § 64 Satz 1 GmbHG ersatzpflichtig.

Soweit und sobald eine solche Masseschmälerung mit oder ohne Zutun des Geschäftsführers ausgeglichen wird, ist der Zweck von § 64 Satz 1 GmbHG, im Interesse der Gläubiger die Masse zu erhalten, erreicht.

Warum streiten sich hier Wissenschaft und die Rechtsprechung über diese Fragen?

Nach Eintritt der Insolvenzreife trägt der Geschäftsführer das wirtschaftliche Risiko:
  • Soll er sofort Insolvenz anmelden oder soll er versuchen die Gesellschaft zu retten.
  • Soll er noch Zahlungen leisten an Lieferanten oder Arbeitnehmer, damit eine Fortführung ermöglicht wird? 
Die Ersatzpflicht des Geschäftsführers nach § 64 GmbHG soll ihn motivieren, rechtzeitig einen Insolvenzantrag zu stellen- also keine Insolvenzverschleppung vorzunehmen.
Damit soll er die Gläubiger vor weiterem Schaden durch eine verlustbringende Unternehmensfortführung bewahren.
Andererseits soll der Geschäftsführer aber auch nicht voreilig und ohne angemessene Prüfung erfolgversprechende Sanierungschancen aus der Hand geben.

Die Rechtsprechung und die Wissenschaft suchen hier einen angemessenen Ausgleich der Interessen und damit auch der Haftung und des Haftungsausschlusses.

Die Ausgangsfrage lautet:
  • Welche Zahlungen sind mit Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns vereinbar? (sogenannte  „privilegierte“ Zahlungen)
Gehören darunter
  • Wasser-, Strom-und Heizrechnungen, wie es früher war (vgl. BGH ZIP 2008, 72).
  • angemessene Kosten für Sanierungsberater (so BGH ZIP 2007, 1501)
  • Löhne und Gehälter
  • Miete (so z.B. OLG Celle ZIP 2004, 1210).
Argumentiert wurde oft damit, dass die Nichtzahlung zur sofortigen Stilllegung des Betriebes führen und damit jegliche Sanierungschance  für den Insolvenzverwalter vereiteln würde.Also Haftung oder keine Haftung?

Eine Auseinandersetzung mit der aktuellen höchstrichterlichen Rechtsprechung ist daher erforderlich.

1. Wann muss der Geschäftsführer nicht haften?


Beginnen wir mit der positiven Seite: wann entfällt also die Haftung nach BGH?

Die Ersatzpflicht des Organs für Zahlungen nach Insolvenzreife entfällt, soweit die durch die Zahlung verursachte Schmälerung der Masse in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der Zahlung durch eine Gegenleistung ausgeglichen wird.

Der Bundesgerichtshof (BGH, Urteil vom 4. 7. 2017 – II ZR 319/15; OLG Düsseldorf (lexetius.com/2017,2205)führt dazu aus:

Eine masseschmälernde Zahlung im Sinn von § 64 Satz 1 GmbHG liege dann nicht vor, wenn und sobald im unmittelbaren Zusammenhang mit dieser Zahlung ein Gegenwert in das Gesellschaftsvermögen endgültig gelangt sei, der die mit der Zahlung bewirkte Masseschmälerung ausgleiche.

Wenn ein Ausgleich erfolgt, kann die Haftung also entfallen. Die Masse muss etwas gleichwertiges erhalten haben.
Die Regeln des Bargeschäfts nach § 142 InsO aF sind aber nicht entsprechend anwendbar.

Die in die Masse gelangende Gegenleistung muss für eine Verwertung durch die Gläubiger geeignet sein.

2. Haftet der Geschäftsführer auch für Zahlungen an Energieversorger, Servicetechniker, Arbeitnehmer und sonstige Dienstleister?

Bei lebensnaher Betrachtung erhält die Gesellschaft dadurch doch eine unmittelbare Gegenleistung- sollte also nicht haften müssen?

Die Rechtsprechung war hier nicht einheitlicher Meinung.

Nach einer Ansicht sind Zahlungen an die Mitarbeiter ua (wie oben aufgeführt) keine "unmittelbare Gegenleistung". Das sind Arbeits- oder Dienstleistungen in der Regel nicht.  
Sie führen daher nicht zu einer Enthaftung.

Der BGH führt dazu aus:
Da der die Erstattungspflicht auslösende Vorgang in der Schmälerung der Masse durch die einzelne Zahlung besteht, ist nicht jeder beliebige weitere Massezufluss als Ausgleich dieser Masseschmälerung zu berücksichtigen. Vielmehr ist ein unmittelbarer wirtschaftlicher, nicht notwendig zeitlicher Zusammenhang mit der Zahlung erforderlich, damit der Massezufluss der an und für sich erstattungspflichtigen Masseschmälerung zugeordnet werden kann. Auf eine Zuordnung nach wirtschaftlicher Betrachtung zur einzelnen masseschmälernden Zahlung kann nicht verzichtet werden, da der Ersatzanspruch nicht auf Erstattung eines Quotenschadens gerichtet ist (BGH, Urteil vom 18. November 2014 – II ZR 231/13, BGHZ 203, 218 Rn. 10 mwN). Unter der Voraussetzung, dass ein unmittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang besteht, kommt als Massezufluss, der die Masseschmälerung ausgleicht, auch in Betracht, dass für die Zahlung ein Gegenwert in das Gesellschaftsvermögen gelangt ist (BGH, Urteil vom 18. November 2014 – II ZR 231/13, BGHZ 203, 218 Rn. 9). Die Regeln des Bargeschäfts nach § 142 InsO aF sind insoweit aber nicht entsprechend anwendbar (Altmeppen, ZIP 2015; Gehrlein, ZHR 181 [2017).

Zwar legt der Wortlaut von § 142 InsO aF, nach dem eine Leistung des Schuldners, für die unmittelbar eine gleichwertige Gegenleistung in sein Vermögen gelangt, nur anfechtbar ist, wenn die Voraussetzungen des § 133 Abs. 1 InsO vorliegen, wegen der Verknüpfung von Leistung und Gegenleistung eine entsprechende Anwendung nahe.

Für eine Analogie fehlt es aber an einer vergleichbaren Interessenlage.

Die Ersatzpflicht des Geschäftsführers nach § 64 Satz 1 GmbHG und die Insolvenzanfechtung haben unterschiedliche Voraussetzungen. Damit, dass bei Vorliegen eines Bargeschäfts nach § 142 InsO aF eine Anfechtung ausscheidet, wird ein anderer Zweck verfolgt als durch das Entfallen der Ersatzpflicht des Geschäftsführers bei einem Ausgleich der Masseschmälerung. [15] aa) Das Anfechtungsrecht schützt vor einer Gläubigerbenachteiligung durch die Verminderung der Aktivmasse und durch die Vermehrung der Schuldenmasse (BGH, Urteil vom 15. September 2016 – IX ZR 250/15, ZIP 2016, 2329 Rn. 13 mwN; Urteil vom 28. Januar 2016 – IX ZR 185/13, ZIP 2016, 426 Rn. 24).

Der Zahlung von Gehältern steht kein Massezufluss gegenüber.

Mit einer Zahlung entgegen § 64 Satz 1 GmbHG wird die ab Insolvenzreife den Gläubigern zur Verwertung zur Verfügung stehende Masse verkürzt.
Um diese Masseverkürzung ausgleichen zu können, muss auch die in die Masse gelangende Gegenleistung für eine Verwertung durch die Gläubiger geeignet sein.

Zwar ist für die Bewertung der Zeitpunkt maßgeblich, in dem die Masseverkürzung durch einen Massezufluss ausgeglichen wird, und nicht der Zeitpunkt der tatsächlichen Insolvenzeröffnung (BGH, Urteil vom 18. November 2014 – II ZR 231/13, BGHZ 203, 218 Rn. 11).

Die Bewertung selbst hat aber schon aufgrund der Insolvenzreife der Gesellschaft danach zu erfolgen, ob die Insolvenzgläubiger die Gegenleistung verwerten könnten, wenn zum maßgeblichen Zeitpunkt das Verfahren eröffnet wäre.

Das ist bei Arbeits- oder Dienstleistungen regelmäßig, so auch hier, nicht der Fall. Dienstleistungen führen nicht zu einer Erhöhung der Aktivmasse und sind damit kein Ausgleich des Masseabflusses (Fölsing, KSI 2015, 70, 73). [22]

Den Zahlungen der Schuldnerin an die S. AG, die V. GmbH, T. GmbH, Q. AG, T. AG und U. GmbH steht ebenfalls kein Massezufluss gegenüber.

Soweit es sich um Energieversorgungs- und Telekommunikationsdienstleistungen, Entgelt für Internet und Kabelfernsehen, gehandelt hat, gilt wie für Arbeits- und andere Dienstleistungen, dass sie die für die Gläubiger verwertbare Aktivmasse nicht erhöhen und damit kein Ausgleich der Masseschmälerung durch die Zahlung sind.

  
3. Führen Käufe nach Eintritt der Insolvenzreife zu einer Enthaftung des Geschäftsführers?

Wenn die Gesellschaft nach Eintritt der Insolvenzreife etwas anschafft, kann für diesen Wert nicht der Anschaffungspreis oder der Fortführungswert angesetzt werden, sondern es muss der Liquidationswert angesetzt werden.Die in die Masse gelangende Gegenleistung muss also grundsätzlich nach Liquidationswerten bemessen werden- so sieht es der Bundesgerichtshof in BGH, Urteil vom 4. 7. 2017 – II ZR 319/15.

Wenn man also der Geschäftsführer einem Computer gekauft hat ( nach Eintritt der Insolvenzreife), ist dieser nach Erhalt nicht mehr soviel wert, als man bezahlt hat.

Aber auch soweit mit diesen Gegenleistungen – was allenfalls beim "Coffee Service" denkbar ist – Materiallieferungen verbunden waren, führt dies nicht zu einem Wegfall der Erstattungspflicht. Wenn die Gesellschaft insolvenzreif und eine Liquidation zugrunde zu legen ist, ist die in die Masse gelangende Gegenleistung grundsätzlich nach Liquidationswerten zu bemessen (Casper, ZIP 2016, 793, 797). Fortführungswerte können nur in Ansatz gebracht werden, wenn eine Fortführung gesichert erscheint.Die Bewertung hat aufgrund der Insolvenzreife der Gesellschaft danach zu erfolgen, ob die Insolvenzgläubiger die Gegenleistung verwerten könnten, wenn zum Bewertungszeitpunkt das Verfahren eröffnet wäre. Auch eine Bewertung einer Gegenleistung nach Liquidationswerten setzt aber voraus, dass die als Gegenleistung zur Masse gelangten Gegenstände für die Insolvenzgläubiger verwertbar wären. Bei im Rahmen eines "Coffee Service" etwa geliefertem Kaffee als geringwertigem, typischerweise zum alsbaldigen Verbrauch bestimmten Gut liegt das auch fern. Aus diesem Grund sind geringwertige Verbrauchsgüter regelmäßig nicht für einen Ausgleich geeignet (aA Casper ZIP 2016, 793, 796).
Jedenfalls bei fehlender Verwertbarkeit ist für eine Vermutung, dass der gezahlte Preis dem Wert der Gegenleistung entspricht, um die Bewertung handhabbar zu machen, von vorneherein kein Raum (aA Altmeppen, ZIP 2015, 949, 951 f.; H.-F. Müller DB 2015, 723, 725). [24]

Dass die Bezahlung der Energieversorgungs- und Telekommunikationsdienstleistungen durch die Schuldnerin erforderlich war, um einen sofortigen Zusammenbruch eines auch in der Insolvenz sanierungsfähigen Unternehmens zu verhindern, und die Zahlung daher nach § 64 Satz 2 GmbHG zur Abwendung eines größeren Schadens für die Gläubiger entschuldigt wäre (vgl. BGH, Urteil vom 23. Juni 2015 – II ZR 366/13, BGHZ 206, 52 Rn. 24; Beschluss vom 5. November 2007 – II ZR 262/06, ZIP 2008, 72 Rn. 6; Urteil vom 8. Januar 2001 – II ZR 88/99, BGHZ 146, 264, 274 f.), müsste substantiiert dargestellt und glaubhaft gemacht werden.


4. Keine Haftung bei Doppelleistung

Wenn die Gesellschaft für die Zahlung unmittelbar eine gleichwertige Gegenleistung erhält oder ein sonstiger Ausgleich erfolgt, muss der Geschäftsführer nicht haften.

Die Insolvenzmasse darf nicht besser gestellt werden durch eine Doppelzahlung.

Der BGH führt dazu aus:

Eine nochmalige Erstattung durch den Geschäftsführer würde die Masse über ihre bloße Erhaltung hinaus anreichern und über den mit dem sogenannten Zahlungsverbot des § 64 Satz 1 GmbHG verbundenen Zweck hinausgehen. (BGH, Urteil vom 26. Januar 2016 – II ZR 394/13, ZIP 2016, 1119 Rn. 38; Urteil vom 8. Dezember 2015 – II ZR 68/14, ZIP 2016, 364 Rn. 26; Urteil vom 23. Juni 2015 – II ZR 366/13, BGHZ 206, 52 Rn. 32; Urteil vom 3. Juni 2014 – II ZR 100/13, ZIP 2014, 1523 Rn. 15; Urteil vom 25. Januar 2011 – II ZR 196/09, ZIP 2011, 422 Rn. 26), während anfechtungsrechtlich darin eine Gläubigerbenachteiligung zu sehen sein kann (vgl. BGH, Urteil vom 10. Januar 2007 – IX ZR 31/05, BGHZ 170, 276 Rn. 12).

Für Fragen stehe ich gerne zur Verfügung.
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Verfasser: Hermann Kulzer MBA Fachanwalt für Insolvenzrecht Tel 0351 8110233

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