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Insolvenzrecht A bis Z
Gründungstheorie
Die Rechts-und Parteifähigkeit einer Gesellschaft bestimmt sich im Bereich der EU nach dem Recht ihres Gründungsstaates.
Die Limited nach englischem Recht ist eine recht-und parteifähige juristische Person. Sie muss daher als solche in Deutschland anerkannt werden. Dies gilt auch für eine in England gegründete Limited mit Verwaltungssitz in Deutschland, die nicht in England tätig war.

Die Anerkennung der Rechts-und Parteifähigkeit der Limited mit Verwaltungssitz in Deutschland existiert erst seit der sogenannten Überseering Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 05.11.2002, auf dessen Linie dann der deutsche Bundesgerichtshof eingeschwenkt ist.

20.08.2006 Niederlassungsfreiheit, EG-Vertrag, Sitztheorie, Daily Mail, Überseering
Information

Es gab einmal eine Zeit vor den EuGH-Entscheidungen "Überseering" und "Inspire Art". In dieser Zeit wurde in Deutschland die Sitztheorie favorisiert. Danach unterlagen alle gesellschaftsrechtlichen Vorgänge dem Recht desjenigen Staates, in welchem die Gesellschaft ihren tatsächlichen Verwaltungssitz hat.
Im Gegensatz dazu beurteilte sich bei der Gründungstheorie die Rechtsfähigkeit nach dem Recht des Staates, in dem die Gesellschaft gegründet worden ist.
In der Rechtsanwendung führte die Sitztheorie dazu, dass ein wirksames Bestehen von Kapitalgesellschaften nur dann angenommen wurde, wenn sich der Sitz der Hauptverwaltung in dem Staat befand, in welchem das Unternehmen gegründet worden war ( BGH BB 2000, 1106).
Bei Verlegung der tatsächlichen Verwaltung nach Deutschland wurde ihre Rechtspersönlichkeit nicht anerkannt- mit der Folge, dass die Gesellschaft nicht als rechtlich existent galt und vor Gericht auch nicht als Klägerin auftreten konnte.

I. EuGH- Urteil "Daily Mail" von 1988
Der Einfluss der Rechtsprechung des EuGH auf die Frage des auf die Gesellschaft anwendbaren Rechts begann im Jahre 1988 mit der nachfolgenden Entscheidung.
In seinem Urteil vom 27. September 1988 in der Rechtssache 81/87 (Daily Mail and General Trust, Slg. 1988, 5483) hat der Europäische Gerichtshof ausgeführt, dass Gesellschaften von ihrer Niederlassungsfreiheit durch Gründung von Agenturen, Zweigniederlassungen und Tochtergesellschaften sowie dadurch Gebrauch machen können, dass sie ihr Kapital vollständig auf eine in einem anderen Mitgliedstaat neu gegründete Gesellschaft übertragen. 

II. EuGH-Urteil "Centros" von 1999
Im Jahre 1999 zeigte sich der EuGH nicht mehr so zurückhaltend. Streitpunkt war eine englische Limited ohne Geschäftstätigkeit in England, der in Dänemark die Errichtung einer Zweigniederlassung verweigert wurde, vgl EuGH ZIP 1999, 438.

Im Urteil vom 9. März 1999 in der Rechtssache C-212/97 (Centros, Slg. 1999, I-1459) hat der Gerichtshof diese Weigerung der dänischen Behörde beanstandet, die Zweigniederlassung einer im Vereinigten Königreich wirksam gegründeten Gesellschaft in das Handelsregister einzutragen. Der Gerichtshof wies jedoch darauf hin, dass diese Gesellschaft nicht ihren Sitz verlegt habe, da sich von der Gründung an der satzungsmäßige Sitz im Vereinigten Königreich und der tatsächliche Verwaltungssitz in Dänemark befunden hätten.

III. Vorlage durch BGH an EuGH wegen Sitztheorie mit EG-Vertrag
Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in einem am 30. März 2000 verkündeten Beschluß Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt, die die Vereinbarkeit der sogenannten Sitztheorie mit dem im Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EG-Vertrag) verankerten Recht auf Niederlassungsfreiheit betreffen.
In dem zugrunde liegenden Rechtsstreit hat eine in den Niederlanden gegründete "Überseering BV" Gewährleistungsansprüche aus einem Bauvertrag über die Errichtung eines Hauses in Düsseldorf geltend gemacht. Nach Vertragsschluß und vor Klageerhebung hatte die "BV" ihren tatsächlichen Verwaltungssitz in die Bundesrepublik Deutschland verlegt. Die Vorinstanzen haben die Klage unter Berufung auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs als unzulässig abgewiesen, weil die Klägerin in der Bundesrepublik Deutschland infolge der Sitzverlegung nicht rechtsfähig und damit auch nicht parteifähig sei. Die Rechtsfähigkeit einer Gesellschaft richte sich nach demjenigen Recht, das am Ort ihres tatsächlichen Verwaltungssitzes gilt (sog. Sitztheorie). Das gelte auch dann, wenn eine Gesellschaft in einem Staat wirksam gegründet worden sei und danach ihren Verwaltungssitz in die Bundesrepublik Deutschland verlege. Eine nicht im Handelsregister eingetragene "BV" mit Verwaltungssitz in der Bundesrepublik sei nach deutschem Recht nicht rechtsfähig.
Die in vielen Staaten vertretene Sitztheorie will im wesentlichen vermeiden, daß die in dem jeweiligen Staat zum Schutz der Gläubiger und der Gesellschafter erlassenen Vorschriften dadurch leer laufen, daß sich eine Gesellschaft in einem anderen Staat gründet und sodann ihren Verwaltungssitz in den betreffenden Staat verlegt. Wäre in diesem Fall das Recht des Gründungsstaates anwendbar, wäre zu befürchten, daß sich diejenige Rechtsordnung durchsetzt, die den schwächsten Schutz dritter Interessen vorsieht.
Der Bundesgerichtshof hat dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften die Frage vorgelegt, ob eine derartige Beurteilung der in Art. 43 und Art. 48 des EG-Vertrages garantierten Niederlassungsfreiheit für Gesellschaften entgegensteht. Er hat darauf hingewiesen, daß die bisherige Rechtsprechung des Gerichtshofs in seinen unter den Kürzeln "Daily Mail" und "Centros" bekannt gewordenen Entscheidungen diese Frage nicht deutlich entschieden habe. Der Bundesgerichtshof hat zugleich angefragt, ob es die Niederlassungsfreiheit gebietet, die in anderen Staaten vertretene sogenannte Gründungstheorie anzuwenden. Danach beurteilt sich die Rechtsfähigkeit auch dann nach der Rechtsordnung des Staates, in dem die Gesellschaft gegründet wurde, wenn sie ihren Sitz nachträglich in einen anderen Staat verlegt, vgl. BGH, Beschluß vom 30. März 2000 – VII ZR 370/98.

IV. EuGH-Urteil vom 5.11.2002-C-208/00
Nach dem Urteil des EuGH vom 5.11.2002 verstößt es gegen die Artikel 43 und 48 EG, wenn einer Gesellschaft, die nach dem Recht des Mitgliedstaats, in dessen Hoheitsgebiet sie ihren satzungsmäßigen Sitz hat, gegründet worden ist und von der nach dem Recht eines anderen Mitgliedstaats angenommen wird, dass sie ihren tatsächlichen Verwaltungssitz dorthin verlegt hat, in diesem Mitgliedstaat die Rechtsfähigkeit und damit die Parteifähigkeit vor seinen nationalen Gerichten für das Geltendmachen von Ansprüchen aus einem Vertrag mit einer in diesem Mitgliedstaat ansässigen Gesellschaft abgesprochen wird.
Macht eine Gesellschaft, die nach dem Recht des Mitgliedstaats gegründet worden ist, in dessen Hoheitsgebiet sie ihren satzungsmäßigen Sitz hat, in einem anderen Mitgliedstaat von ihrer Niederlassungsfreiheit Gebrauch, so ist dieser andere Mitgliedstaat nach den Artikeln 43 und 48 EG verpflichtet, die Rechtsfähigkeit und damit die Parteifähigkeit zu achten, die diese Gesellschaft nach dem Recht ihres Gründungsstaats besitzt.
1. Nach der bisherigen Rechtsprechung zum deutschen internationalen Gesellschaftsrecht beurteilt sich die Rechtsfähigkeit einer Gesellschaft nach dem Recht am Ort ihres tatsächlichen Verwaltungssitzes. Das gilt auch dann, wenn eine Gesellschaft in einem anderen Staat wirksam gegründet worden ist und anschließend ihren Verwaltungssitz in die BRD verlegt. Daraus hat das Berufungsgericht konsequent abgeleitet, dass eine wirksam gegründete und nach niederländischem Recht fortbestehende BV nach Verlegung ihres Verwaltungssitzes in die BRD ihre vertraglichen Rechte vor deutschen Gerichten nicht durchsetzen kann, solange sie sich nicht nach den Regeln des deutschen Gesellschaftsrechts neu gegründet hat.
2. Dieses Ergebnis ist mit der in Artt. 43, 48 EG garantierten Niederlassungsfreiheit nicht vereinbar. Der EuGH hat entschieden, dass das Erfordernis, die Gesellschaft in der BRD neu zu gründen, der Negierung der Niederlassungsfreiheit gleich kommt. Es stellt eine mit den Artt. 43, 48 EG grundsätzlich nicht vereinbare Beschränkung der Niederlassungsfreiheit dar, wenn ein Mitgliedstaat sich u.a. deshalb weigert, die Rechtsfähigkeit einer Gesellschaft, die nach dem Recht eines anderen Mitgliedstaats gegründet worden ist und dort ihren satzungsmäßigen Sitz hat, anzuerkennen, weil die Gesellschaft im Anschluss an den Erwerb sämtlicher Geschäftsanteile durch in seinem Hoheitsgebiet wohnende eigene Staatsangehörige ihren tatsächlichen Verwaltungssitz in sein Hoheitsgebiet verlegt haben soll, mit der Folge, dass die Gesellschaft im Aufnahmemitgliedstaat nicht zu dem Zweck parteifähig ist, ihre Ansprüche aus einem Vertrag geltend zu machen, es sei denn, dass sie sich nach dem Recht dieses Aufnahmestaats neu gründet.
3. Diese Auslegung der Artt. 43, 38 EG ist für den Senat bindend. Sie verpflichtet zu einer Rechtsanwendung, die nicht zu der beanstandeten Beschränkung der Niederlassungsfreiheit führt.
a) Diese Rechtsanwendung lässt sich nicht damit erreichen, dass die Klägerin nach deutschem Recht nach Verlegung des Verwaltungssitzes jedenfalls eine rechtsfähige Personengesellschaft und damit als solche vor den deutschen Gerichten aktiv und passiv parteifähig ist. Denn die Klägerin hat nicht als Personengesellschaft ihre Rechte geltend gemacht und geklagt, sondern als niederländische BV. Sie kann nicht auf ihre Möglichkeiten als nach deutschem Recht anerkannte Personengesellschaft verwiesen werden, weil sie damit in eine andere Gesellschaftsform mit besonderen Risiken, z.B. Haftungsrisiken, gedrängt wird. Eine derartige Verweisung würde sich ebenfalls als Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit darstellen.
b) Die Klägerin muss in die Lage versetzt werden, nach einer Verlegung ihres Verwaltungssitzes in die BRD ihre vertraglichen Rechte als niederländische BV geltend machen zu können. Das erfordert es, die Klägerin nach deutschem internationalen Gesellschaftsrecht hinsichtlich ihrer Rechtsfähigkeit dem Recht des Staates zu unterstellen, in dem sie gegründet worden ist. Eine Gesellschaft, die unter dem Schutz der im EG-Vertrag garantierten Niederlassungsfreiheit steht, ist berechtigt, ihre vertraglichen Rechte in jedem Mitgliedstaat geltend zu machen, wenn sie nach der Rechtsordnung des Staates, in dem sie gegründet worden ist und in dem sie nach einer Verlegung ihres Verwaltungssitzes in einen anderen Mitgliedstaat weiterhin ihren satzungsmäßigen Sitz hat, hinsichtlich des geltend gemachten Rechts rechtsfähig ist.
c) Die Parteifähigkeit der Klägerin beurteilt sich nach der lex fori, also nach deutschem Prozessrecht. Gem. § 50 I ZPO ist eine Gesellschaft parteifähig, wenn sie rechtsfähig ist. Auch insoweit ist das dargestellte Personalstatut maßgebend.
Das Urteil war demnach aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

V. BGH vom 01.07.2002- II ZR 380/00
Verlegt eine ausländische Gesellschaft, die entsprechend ihrem Statut nach dem Recht des Gründungsstaates als rechtsfähige Gesellschaft ähnlich einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung deutschen Rechts zu behandeln wäre, ihren Verwaltungssitz nach Deutschland, so ist sie nach deutschem Recht jedenfalls eine rechtsfähige Personengesellschaft und damit vor den deutschen Gerichten aktiv und passiv parteifähig.

VI. BGH vom 14.03.2005 II ZR 5/03
Die Haftung des Geschäftsführers für rechtsgeschäftliche Verbindlichkeiten einer gemäß Companies Act 1985 in England gegründeten private limited company mit tatsächlichem Verwaltungssitz in der Bundesrepublik Deutschland richtet sich nach dem am Ort ihrer Gründung geltenden Recht.
Der Niederlassungsfreiheit ( Art.43,48 EG )steht entgegen, den Geschäftsführer einer solchen englischen private limited company mit Verwaltungssitz in Deutschland wegen fehlender Eintragung in einem deutschen Handelsregister der persönlichen Handelndenhaftung analog § 11 Abs.2 GmbHG für deren rechtsgeschäftliche Verbindlichkeiten zu unterwerfen.

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Verfasser: Kulzer, Fachanwalt, TS Handels- und Gesellschaftsrecht

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