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Insolvenzrecht A bis Z
Insolvenzanfechtung
I. Anfechtung nach der Insolvenzordnung
1.1. Anfechtungstatbestände
Nach den vier grundsätzlich unterschiedlichen Anfechtungstat-beständen geregelt in den §§ 129 ff. InsO (Insolvenzordnung) kann innerhalb eines Insolvenzverfahrens angefochten werden:
  • Rechtshandlungen im Zeitpunkt der Krise
  • vorsätzliche Benachteiligungen
  • unentgeltliche Rechtshandlungen
  • Minderung von Gesellschaftskapital
1.2. Ziel der Anfechtung
Massemehrung. Durch die Insolvenzanfechtung soll der Zustand wiederhergestellt werden ohne die anfechtbare Rechthandlung.
Durch die Anfechtung sollen mögliche Befriedigungsvorteile einzelner Gläubiger auf Grund ihrer Schnelligkeit oder Rücksichtslosigkeit rückgängig gemacht werden und dann eine gleichmäßige Befriedigung aller Gläubiger herbeigeführt werden ( par condicio creditorum)
Vor Verfahrenseröffnung eingetretene Masseschmälerungen bzw. Vermögensverschiebungen kann der Verwalter durch Insolvenzanfechtung rückgängig machen.
1.3. Entstehung und Inhalt
Der Anfechtungsanspruch entsteht mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens und wird durch den Insolvenzverwalter geltend gemacht. Durch die Anfechtung wird der Anspruch auf Rückgewähr des vom Schuldner weggegebenen Vermögensgegenstands geltend gemacht -durch Klage oder im Wege der außergerichtlichen Einigung / Mediation.
1.4. Anspruchsvoraussetzungen

Es gibt allgemeiine und besondere Anspruchsvoraussetzungen der Insolvenzanfechtung
1.4.1. Allgemeine Voraussetzung
Jede Insolvenzanfechtung setzt eine objektive Gläubigerbenach-teiligung voraus. Die Befriedigungsaussichten der Gläubiger hätten sich ohne die streitgegenständliche Rechtshandlung besser darstellen müssen. Anders stellt es sich beispielsweise dar, wenn der Schuldner aus dem unpfändbaren Vermögen etwas leistet.
Dies führt nciht zu einer objektiven Gläubigerbenachteiligung, weil die übrigen Gläubiger sich hieraus nicht hätten befriedigen können (BGH, Urteil v. 27.05.2003 – IX ZR 169/02).
Wenn auch der Insolvenzverwalter den Gläubiger befriedigt hätte, fehlt eine Gläubigerbenachteiligung, vgl. BGH, Urteil v. 19.07.2001 – IX ZR 36/99. 
1.4.2. Besondere Voraussetzungen
Die besonderen Voraussetzungen der Insolvenzanfechtung werden in  §§ 130 – 135 InsO geregelt
  • Anfechtung kongruenter Rechtshandlungen
  • Anfechtung inkongruenter Rechtshandlungen
  • unentgeltlicher Leistungen
  • Verträge mit nahestehenden Personen 
  • Vorsatzanfechtung

Die besonderen Anfechtungsvoraussetzungen unterscheiden sich je nach Art der Rechthandlung und der zeitlichen Distanz zum Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens.
Voraussetzung für die Anfechtung ist das Vorhandensein einer  Zahlungsfähigkeit oder drohenden Zahlungsunfähigkeit des Schuldners.
Zahlungsunfähig ist gemäß § 17 InsO, wer nicht in der Lage ist seine fälligen Verbindlichkeiten zu erfüllen. Dies ist in der Regel anzunehmen, wenn der Schuldner seine Zahlungen eingestellt hat.
Die Zahlungseinstellung ist das nach außen dokumentierte Verhalten des Schuldners, dass er wegen eines voraussichtlich dauernden Mangels an Zahlungsmitteln seine fälligen und ernsthaft eingeforderten Verbindlichkeiten nicht mehr erfüllen kann (BGH 17.02.2004 – IX ZR 318/01). Bei einer Liquiditätslücke von 10 % und mehr kann regelmäßig von einer Zahlungsunfähigkeit ausgegangen werden (vgl. BGH, Urteil v. 24.05.2005 – IX ZR 123/04). Weitere Beweisanzeichen für die Zahlungsunfähigkeit sind möglich. 

1.4.2.1. Kongruente und inkongruente Deckung, §§ 130 - 132 InsO
Zur Zeit der Rechtshandlungen gab es schon Vorboten der Insolvenz:
Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag.
Wenn der Gläubiger einen Anspruch gerade auf die vom Schuldner erfolgte Leistung hatte. liegt eine kongruente, bei Verneinung eine inkongruente Rechtshandlung vor.  Zahlungen infolge eines angedrohten oder gestellten Insolvenzantrages - sog. Druckzahlungen - sind inkongruent (vgl. BGH, Urteil v. 18.12.2003 – IX ZR 199/02).

1.4.2.2. Schenkungsanfechtung/ Unentgeltliche Leistung § 134 InsO
Die angefochtene Zunwendung wurde uentgeltlich erbracht.
Wenn der Leistung nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts keine Gegenleistung gegenübersteht, dem Verfügenden also keine dem von ihm aufgegebenen Vermögenswert entsprechende Gegenleistung zu fließen soll. liegt eine unentgeltliche Leistung vor.

1.4.2.3. Vorsatzanfechtung/ Vorsätzliche Benachteiligung § 133 InsO
Eine Vorsatzanfechtung liegt vor, wenn der Schuldner im dem Vorsatz handelte, seine übrigen Gläubiger zu benachteiligen. Dem Schuldner muss es auf die Bevorzugung des einen oder die Benachteiligung der anderen Gläubiger ankommen. Zudem muss der Anfechtungsgegner vom Vorsatz des Schuldners positive Kenntnis haben. Im Gegensatz zur Deckungsanfechtung setzt die Anfechtung einer mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz vorgenommenen Rechtshandlung des Schuldners nicht die Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung voraus. Das ernsthafte Risiko einer bevorstehender Zahlungssstörung ist ausreichend. Zahlt der Schuldner in der Kenntnis, nicht sämtliche Gläubiger befriedigen zu können, liegt eine Bevorzugung des jeweiligen Gläubigers und damit der Vorsatz des Schuldners vor.
Bei vorliegen einer inkongruenten Rechtshandlung des Schuldners liegt ein wesentliches Beweisanzeichen für den Vorsatz des Schuldners vor.

1.4.2.4. Kapitalerhaltende Anfechtung
§§ 135- 136 InsO

1.5. Anfechtung im Dreiecksverhältnis
Die Insolvenzanfechtung kommt auch bei Einschaltung Dritter also im Dreiecksverhältnis in Betracht.
Hier ist die Anfechtung gegenüber dem Leistungsempfänger als auch gegenüber der Mittelsperson möglich (vgl. BGH, Urteil v. 29.11.2007 - IX ZR 121/06).

1.6. Anfechtungszeiträume
Die Anfechtungszeiträume betragen von einem Monat über drei Monaten, 2 Jahren, 4 Jahren, bis zu 10 Jahre vor dem Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens.

1.7. Abtretbarkeit des Anfechtungsansprüchen
Der aus Insolvenzanfechtung folgende Rückgewährsanspruch kann abgetreten werden, vgl. BGH Urt. vom 17.02.2011 IX ZR 91/10 ZIP 23/2011 S. 1114 ff. 

Für Fragen zur Anfechtung stehe ich gerne zur Verfügung

17.03.2021 Anfechtung von Steuerzahlungen und Anfechtung von Zahlungen an den Steuerberater
Information

I. Zur Vorsatzanfechtung von Steuerzahlungen einer GmbH bei Begleichung der Verbindlichkeiten über das Privatkonto Ihres Geschäftsführers

BGH, Urt. vom 28.1.2021 IX ZR 64/20 ZIP 8/2021 S. 416
(ERGEBNIS: Land/ Finanzamt musste nach der Insolvenzanfechtung erhaltene Zahlungen vom Privatkonto des Gfü an den Insolvenzverwalter der GmbH zurückzahlen). 

1. Wirkung der Rechtshandlung: Es kommt nicht auf eine Gläubigerbenachteiligung der Gläubigergesamtheit an.

2. Bei mittelbarer Zuwendung ist die Wertstellung auf dem Konto des Leistungsempfängers der für die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung maßgebliche Zeitpunkt.

3. Kenntnis des Finanzamtes von einer Gläubigerbenachteiligung steht nicht entgegen, dass Gfü infolge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Pflichtverletzung für die Verbindlichkeiten haftet. 

II. Anfechtung von Zahlungen an den Steuerberater

Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) Urteil vom 15. 11. 2012 - IX ZR 205/11 zur Anfechtbarkeit von Zahlungen an einen Steuerberater gemäß  §§ 138 Abs. 2 Nr. 2, § 133 Abs. 2, § 130 Abs. 3 InsO:

1. Steuerberater und Beweislast
Werden vor dem gesetzlichen Dreimonatszeitraum Deckungshandlungen des Insolvenzschuldners gegenüber einer ihm nahestehenden Person angefochten, braucht der Steuerberater als Anfechtungsgegner nicht zu beweisen, dass ihm ein Vorsatz des Schuldners, die Gläubiger zu benachteiligen, unbekannt war.

2. Würdigung von Indizien
Bei Prüfung dieser Kenntnis hat der Tatrichter die Nähe zum Schuldner im Vornahmezeitpunkt der angefochtenen Rechtshandlung aber als Indiz zu würdigen.

3. Steuerberater als eine dem Schuldner nahestehende Person
Eine Person kann einer juristischen Person oder Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit auch nahestehen, wenn ihr als freiberuflicher oder gewerblicher Dienstleister alle über die wirtschaftliche Lage des Auftraggebers erheblichen Daten üblicherweise im normalen Geschäftsgang zufließen, so dass sie über den gleichen Wissensvorsprung verfügt, den sonst ein mit der Aufgabe befasster leitender Angestellter des Schuldnerunternehmens hätte (ausgelagerte Buchhaltung).

4. Stockung des Zuflusses von Buchhaltungsunterlagen
Ist der Anfechtungsgegner von dem Insolvenzschuldner als externer Helfer mit der Führung seiner Bücher und internen Konten beauftragt, kann er nicht als nahestehende Person angesehen werden, wenn zum Vornahmezeitpunkt der angefochtenen Rechtshandlung der Zufluss von Buchungsunterlagen aus dem betreuten Unternehmen länger als ein Vierteljahr stockte.

5. Begründung des BGHNahestehende Person
Die Steuerberatersozietät der Beklagten ist als eine der Schuldnerin nahestehende Person zu beurteilen, wenn sie aufgrund einer den Organen oder qualifizierten Gesellschaftern der Schuldnerin vergleichbaren gesellschaftsrechtlichen oder dienstvertraglichen Verbindung die Möglichkeit hatte, sich über die wirtschaftlichen Verhältnisse der Schuldnerin zu unterrichten. Dienstnehmer stehen in einer solchen Verbindung zum Insolvenzschuldner in der Regel nur dann, wenn sie durch ihre Tätigkeit innerhalb des Schuldnerunternehmens eine besondere Informationsmöglichkeit über dessen wirtschaftliche Verhältnisse besitzen.
 Im Anschluss an Kirchhof (ZInsO 2001, 825, 829) vertreten allerdings manche Stimmen des Schrifttums die Ansicht, externe Beziehungen zu einem Steuerberater seien dann wie Fälle leitender Angestellter zu behandeln, wenn auf den Berater die Buchhaltung der Schuldnerin im Wesentlichen ausgelagert sei. Für den beauftragten Steuerberater gelte dann nichts anderes als für den angestellten Leiter der Buchhaltung (etwa FK-InsO/Dauernheim, 6. Aufl., § 138 Rn. 17; Rogge/Leptien in Hmb- Komm-InsO, 4. Aufl., § 138 Rn. 25; Ehricke in Kübler/Prütting/Bork, InsO, 2008, § 138 Rn. 24; Uhlenbruck/Hirte, InsO, 13. Aufl., § 138 Rn. 48). Solche, den Bereich nahestehender Dritter nicht unbeträchtlich erweiternde Ausnahmen sind nur dann zu rechtfertigen, wenn an die Voraussetzungen, hier die organisatorische Auslagerung der Buchhaltung, strenge Anforderungen gestellt werden.
Nicht jeder freiberufliche oder gewerbliche Dienstleister, schon gar nicht jeder andere Vertragspartner kann als nahestehender Dritter aufgefasst werden, nur weil er aufgrund seiner Rechtsbeziehungen zum Schuldner größeren Einblick in dessen wirtschaftliche Verhältnisse hat als sonstige unternehmensfremde Personen. So gehören Großlieferanten oder kreditgewährende Banken üblicherweise nicht zu den nahestehenden Dritten ihrer Kunden (BT-Drucks. 12/2443 Seite 163 zu § 155 des Regierungsentwurfs).
Das kann wiederum anders sein, wenn sie auch über eine Kapitalbeteiligung unterhalb der Schwelle des § 138 Abs. 2 Nr. 1 InsO verfügen (vgl. BGH, Urteil vom 5. Juli 2007 - IX ZR 256/06 Rn. 4 und 56).
Insoweit bedürfen die Umstände einer zweckentsprechenden Würdigung.
Dem Freiberufler im Dienste des Schuldners müssen, wenn er als nahestehende Person gemäß § 138 Abs. 2 Nr. 2 InsO gelten soll, nach der ihm vertraglich eingeräumten Rechtsstellung wie einem in gleicher Zuständigkeit tätigen Angestellten alle über die wirtschaftliche Lage des Auftraggebers erheblichen Daten üblicherweise im normalen Geschäftsgang zufließen.

Werden einem freiberuflichen Dienstleister vom Schuldner planmäßig bestimmte (klassifizierte) Tatsachen vorenthalten, kann ein Näheverhältnis nach § 138 Abs. 2 Nr. 2 InsO nicht entstehen. Das Buchhaltungsmandat eines Steuerberaters mit einem Unternehmen kann deshalb nur dann die Beweislast des Insolvenzverwalters im Anfechtungsprozess nach § 130 Abs. 3 InsO umkehren, wenn es nach seiner rechtlichen und tatsächlichen Prägung dem Anfechtungsgegner den typischen Wissensvorsprung über die wirtschaftliche Lage des Mandanten vermittelt, den sonst nur damit befasste leitende Angestellte des Unternehmens haben.

Denn hierin liegt der innere Grund, der die Anfechtung gegenüber Personen, die dem Schuldner gemäß § 138 InsO nahe stehen, durch Beweislastumkehr nach Maßgabe von § 130 Abs. 3 InsO erleichtert.
Diesen Vermutungstatbestand muss der Anfechtungskläger darlegen und nötigenfalls beweisen, der sich hierauf beruft.
Hat der Steuerberater eine Sonderstellung im Sinne des § 138 Abs. 2 Nr. 2 InsO erlangt, kann er sie durch Kündigung oder Änderung des Dienstvertrages, der sie begründet hat, wieder verlieren. Diese Einwendung gehört zur Darlegungs- und Beweislast des mandatierten Dienstleisters, wenn unstreitig oder vom klagenden Insolvenzverwalter bewiesen worden ist, dass der Anfechtungsgegner jedenfalls zunächst zu einer dem Schuldner nahestehenden Person geworden war.
Hat der Steuerberater die Vermutung des § 130 Abs. 3 InsO auf diese Weise entkräftet, kann der Insolvenzverwalter den ihm sonst obliegenden Beweis des Anfechtungstatbestandes wie gegenüber jedem Anfechtungsgegner gleichwohl noch erbringen. Der dem Schuldner nahestehende Anfechtungsgegner kann die Vermutung auch dadurch entkräften, dass er zwar keine rechtliche Vertragsänderung behauptet, wohl aber nötigenfalls beweist, der Informationsfluss, der seinen typischen Wissensvorsprung begründete, sei ohne rechtliche Vertragsänderung tatsächlich versiegt oder auf längere Zeit unterbrochen worden.
Sobald der nachgewiesene Aktualitätsverlust der einmal gewonnenen Kenntnisse über die wirtschaftlichen Verhältnisse des Schuldners bezogen auf den nach § 140 InsO maßgebenden Anfechtungszeitpunkt ernsthafte Zweifel rechtfertigt, ob der entscheidende allgemeine Wissensvorsprung aus der früheren Rechtsstellung über die wirtschaftliche Lage des Schuldners noch fortdauert, ist die Grundlage der Beweislastumkehr entfallen.
Diesen Rechtsgedanken bringt für den Sonderfall der aufgelösten Ehe oder häuslichen Gemeinschaft das Gesetz in § 138 Abs. 1 Nr. 1 und 3 InsO zum Ausdruck. Er ist hierauf aber nicht beschränkt und entsprechend auf Personen zu übertragen, die unter  § 138 Abs. 2 Nr. 1 und 2 InsO fallen.
Drei Monate nach Abreißen des Informationsflusses ist die Vermutung des § 130 Abs. 3 InsO entkräftet, selbst wenn sich eine rechtliche Vertragsänderung nicht feststellen lässt.

Ihre Tätigkeit für die Schuldnerin habe seit Januar 2008 über fünf Monate hinweg gestockt, so dass sie die Kenntnisvermutung des § 130 Abs. 3 InsO jedenfalls entkräftet hätten, wenn die weitere Sachaufklärung die Richtigkeit ihrer Behauptung bestätigen sollte.

Dem Kläger können deshalb nach derzeitigem Sachstand die Beweisvorteile des § 138 InsO gegenüber den Beklagten nicht zugutekommen.

Das hierauf gestützte Berufungsurteil kann mit dieser Begründung nicht aufrechterhalten bleiben.

Kenntnis von der Krise
Die angespannte wirtschaftliche Lage der Schuldnerin und der Stand ihres Geschäftskontos nahe der Grenze des Überziehungskredits gestattet dem Revisionsgericht noch nicht, stattdessen nach § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO die Kenntnis der Beklagten zu vermuten, dass die angefochtenen Honorarzahlungen der Schuldnerin mit dem Vorsatz der Gläubigerbenachteiligung geleistet worden sind.
Entscheidend ist hierfür nach den Umständen des Streitfalles, ab wann die Beklagten konkret mit dem Ausfall der Forderungen rechnen mussten, deren Uneinbringlichkeit die Schuldnerin schließlich veranlasste, den Insolvenzantrag zu stellen.

Ansonsten kommt es darauf an, welche Verbindlichkeiten der Schuldnerin von ihr zu welchem Zeitpunkt nach Kenntnis der Beklagten ernsthaft eingefordert und nicht beglichen waren.

Die Zurückverweisung der Sache gibt den Parteien Gelegenheit, zu dem bisher nicht festgestellten Näheverhältnis, zur möglichen Kenntnis der Beklagten von der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin (§ 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO) am 12. Juni 2008 und von der zumindest drohenden Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin (§ 133 Abs. 1 Satz 2 InsO) am 18. Februar 2008 sowie einer etwaigen Gläubigerbenachteiligung zu diesem Zeitpunkt weiter vorzutragen und Beweis anzutreten.

insoinfo
Verfasser: Hermann Kulzer, MBA, Fachanwalt für Insolvenzrecht
28.12.2018 Insolvenzanfechtung
Information

1. Insolvenzanfechtungstatbestände / An­fech­tungs­grün­de
Es gibt vier grundsätzlich unterschiedliche Anfechtungstatbestände, die innerhalb eines Insolvenzverfahrens geltend gemacht werden können:

  • Rechtshandlungen im Zeitpunkt der Krise, §§ 130, 131 In­sO
  • vor­sätz­li­che Benachteiligungen, § 133 In­sO
  • unentgeltliche Rechtshandlungen, § 134 In­sO
  • Minderung von Gesellschaftskapital, § 135 In­sO

Als allgemeine Insolvenzanfechtungsgründe gelten §§ 130, 134 InsO, da diese gleichlautend auch nach dem Anfechtungsgesetz - also außerhalb eines Insolvenzverfahrens - angefochten werden können. Die anderen Insolvenzanfechtungsgründe sind insolvenzspezifisch, können also nur innerhalb eines Insolvenzverfahrens geltend ge­macht werden.

2. Ziele der In­sol­ven­zan­fech­tung

  • Massemehrung
  • alten Zustand wieder herstellen, vor der Handlung
  • Masseschmälerung rückgängig machen
  • Befriedigungsvorteile einzelner Gläubiger rückgängig machen
  • gleichmäßige Befriedigung aller Gläubiger (par condicio creditorum)

3. Entstehung und Inhalt des An­fech­tungs­an­spruches

  • Entstehung mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens
  • Insolvenzverwalter ficht an "oder" klagt
  • Anspruch auf Rückgewähr des vom Schuldner weggegebenen Vermögensgegenstandes

4. In­sol­ven­zan­fech­tungs­vo­raus­set­zun­gen
4.1. Allgemeine Vo­raus­set­zun­gen

  • Rechts­hand­lun­gen
  • Wil­lens­er­klä­run­gen
  • Rechtsgeschäftliche Hand­lun­gen
  • Realakte (Verbindung, Vermischung, Verarbeitung)
  • Pro­zess­hand­lun­gen
  • Unterlassung einer Irrtumsanfechtung gemäß § 142 BGB
  • Nicht­un­ter­bre­chung der Ver­jäh­rung
  • Unterlassen des Widerspruchs gegen Mahnbescheid oder VB
  • Unterlassene Einwendungen oder Einreden
  • Objektive Gläu­bi­ger­be­nach­tei­li­gung
    (Befriedigung der Gläubiger wird beeinträchtigt, d.h. vermindert, vereitelt, erschwert oder verzögert. Die Befriedigungsaussichten wären ohne die Rechtshandlung besser ge­we­sen - Ab­gren­zung: z.B. Leistung aus dem unpfändbaren Vermögen)

4.2. Besondere Voraussetzungen in §§ 130-135 In­sO

  • Anfechtung kongruenter Rechtshandlungen, § 130
  • Anfechtung inkongruenter Rechtshandlungen, § 131
  • unmittelbar nachteilige Rechtshandlungen, § 132
  • unentgeltliche Leis­tun­gen, § 134
  • Verträge mit nahestehenden Per­so­nen
  • Vorsatzanfechtung, § 133

Die besonderen Anfechtungsvoraussetzungen unterscheiden sich je nach Art der Rechtshandlung und der zeitlichen Distanz zum Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Voraussetzung für die Anfechtung ist das Vorhandensein einer Zahlungsfähigkeit oder drohenden Zahlungsunfähigkeit des Schuld­ners bzw. Ri­si­ko ei­ner Zah­lungss­tö­rung (bei § 133 In­sO).
Zah­lungs­un­fä­hig ist gemäß § 17 InsO, wer nicht in der Lage ist seine fälligen Verbindlichkeiten zu erfüllen. Dies ist in der Regel anzunehmen, wenn der Schuldner seine Zahlungen eingestellt hat.
Die Zahlungseinstellung ist das nach außen dokumentierte Verhalten des Schuldners, dass er wegen eines voraussichtlich dauernden Mangels an Zahlungsmitteln seine fälligen und ernsthaft eingeforderten  Verbindlichkeiten nicht mehr erfüllen kann (BGH, Ur­teil vom 17.02.2004 - IX ZR 318/01).

  • Liquiditätslücke größer 10%:
    Grun­dsatz: Zahlungsunfähigkeit (BGH, Urteil vom 24.05.2005 - IX ZR 123/04).
    Ausnahme: Die Lücke lässt sich in absehbarer Zeit schließen und das Warten ist für die Gläubiger nicht unzumutbar.
  • Li­qui­di­täts­lü­cke unter 10
    Grund­satz: Keine Zah­lungs­un­fä­hig­keit.
    Ausnahme: Die Vergrößerung der Lücke ist ab­seh­bar.
    Liquiditätslücken bis zu 3 Wochen
    : kei­ne Zah­lungs­un­fä­hig­keit, son­dern Zah­lungs­sto­ckung

4.2.1. Kongruente und inkongruente Deckung, §§ 130-132 In­sO
Wenn der Gläubiger einen Anspruch gerade auf die vom Schuldner erfolgte Leistung (Sicherung oder Befriedigung) hatte, liegt eine kongruente, bei Verneinung eine inkongruente Rechtshandlung vor.
Kongruente Deckung § 130

  • Ver­trags­ge­mä­ße Leis­tung
  • Kennt­nis des Gläu­bigers von der Zah­lungs­un­fä­hig­keit, § 130 Abs. 1 oder
  • Kennt­nis von Umständen, die zwingend auf Zahlungsunfähigkeit schlie­ßen lassen, § 130 Abs. 2, Kenntnis auch bei grober Fahrlässigkeit
  • Be­weis­last: In­sol­venz­verwalter
  • Aus­nah­me von Beweislast: Leistung an nahe stehende Person (§ 130, Abs. 3 i.V.m. § 138);       Kenntnis wird vermutet. Die nahestehende Person muss ihre Unkenntnis be­wei­sen
  • re­le­van­ter Zeitraum: ab drei Monate vor Insolvenzantrag oder nach An­tragss­tel­lung
  • Aus­nah­me von der Anfechtbarkeit: Bar­ge­schäft gemäß § 142 InsO (un­mit­tel­ba­rer - also en­ger – zeitlicher Zusammenhang; Parteivereinbarung; Gleichwertigkeit; keine vorsätzliche Be­nach­tei­li­gung. Beispiel: Barkauf im Laden oder Barzahlung Vergütung an Steuerberater oder Rechtsanwalt).

Inkongruente Deckung, § 131 (Anfechtung weitreichender als bei § 130)

  • Rechts­hand­lung
  • Rechts­hand­lung gewährt oder ermöglich einem Insolvenzgläubiger Sicherung oder Be­frie­di­gung
  • Der Gläubiger konnte die Sicherung oder Befriedigung nicht beanspruchen
  • nicht der Art nach oder nicht zu der Zeit
  • re­le­van­ter Zeitraum: ab drei Monate vor Antrag und nach An­tragss­tel­lung

Vo­raus­set­zun­gen:

  • Nr. 1: wenn Handlung innerhalb des letzten Monats vor Insolvenzantrag: Kei­ne.
  • Nr. 2: wenn die Handlung innerhalb des 2. und 3. Monats vor dem Antrag vorgenommen wurde: objektive Zahlungsunfähgkeit oder
  • Nr. 3: wenn die Handlung innerhalb des 2.oder 3. Monats vor Antrag vorgenommen wurde und dem Gläubiger bekannt war, dass die Handlung die Gläubiger be­nach­tei­ligt.

·    Be­weis­er­leich­te­rung für den Insolvenzverwalter Abs. 2;
     Verwalter muss keine Kenntnis des Gläubigers von bestimmten
     Umständen be­wei­sen.
·    Aus­nah­me von Anfechtbarkeit: Bargeschäft, § 142 In­sO

Die angreifbaren Rechtshandlungen erfolgen zu ei­ner Zeit, als es schon Vorboten der Insolvenz gab: Zahlungsunfähigkeit oder ein Insolvenzantrag.

Beispiele für inkongruente Leistungen
:
Nachbesicherung, Rückführung Kontokorrent für Fälligkeit, Vollstreckungsmaßnahmen, Zahlung vor Fälligkeit, nicht vertragsgemäße Leistung: Erfüllung verjährter Forderungen; Zahlungen infolge eines angedrohten oder gestellten Insolvenzantrages - Druckzahlungen (vgl. BGH, Urteil vom 25.10.2012 - IX ZR 117/11; Urteil vom 18.12.2003 - IX ZR 199/02).

4.2.2. Schenkungsanfechtung oder unentgeltliche Leistung § 134 In­sO
·    Angefochtene Rechtshandlung: Vereinbarung einer unentgeltlichen Leistungen jeglicher Art 

·    Anfechtungszeitraum: 4 Jahre vor Insolvenzantrag

·    Ausnahmen von Anfechtbarkeit: Gelegenheitsgeschenke von geringen Wert

Die angefochtene Zuwendung wurde unentgeltlich erbracht, wenn der Leistung nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts keine Gegenleistung gegenüber steht, dem Verfügenden also keine dem von ihm aufgegebenen Vermögenswert entsprechende Gegenleistung zufließen soll.

4.2.3. Vor­sat­zan­fech­tung / Vorsätzliche Benachteiligung § 133 InsO / Auf­bau

·    Rechtshandlung: Handlung Schuldner § 129 InsO
·    Gläubigerbenachteiligung (mittelbar genügt)
·    relevanter An­fech­tungs­zei­traum:
     in­ner­­halb der letzten 10 Jahre vor Antrag, § 139
·    subjektiver Tatbestand Schuld­ner:
     Vor­satz der Gläubigerbenachteiligung, d.h. bedingter Vorsatz
     (billigend in Kauf nehmen oder für möglich halten),
     beim Schuldner aber keine Absicht erforderlich
·    subjektiver Tatbestand des Anfechtungsgegners:
     po­si­ti­ve Kenntnis vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz
·    Be­weis­last: trägt Insolvenzverwalter für objektive und subjektive
     Merkmale aber Beweiserleichterung nach § 133 Abs. 1 S. 2 InsO
     bei Inkongruenz oder Kenntnis der drohenden Zahlungsunfähigkeit.
     Es wird vermutet, dass der andere Teil den Gläubiger-
     benachteiligungsvorsatz kannte, wenn dieser eine drohende
     Zahlungsunfähigkeit des Schuldners kannte und wusste,
     dass die Gläubiger durch die Rechtshandlung benachteiligt wer­den.
·    Sonderregelung für nahestehende Personen:
     Beweiserleichterung in § 133 Abs. 2 In­sO

Eine Vorsatzanfechtung liegt vor, wenn der Schuldner mit dem Vorsatz handelte, seine übrigen Gläubiger zu benachteiligen. Dem Schuldner muss es auf die Bevorzugung des einen oder die Benachteiligung der anderen Gläubiger ankommen.
Zudem muss der Anfechtungsgegner vom Vorsatz des Schuldners positive Kenntnis haben. Im Gegensatz zur Deckungsanfechtung setzt die Anfechtung einer mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz vorgenommenen Rechtshandlung des Schuldners nicht die Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung voraus. Das ernsthafte Risiko einer bevorstehenden Zahlungsstörung ist ausreichend. Zahlt der Schuldner in der Kenntnis, nicht sämtliche Gläubiger befriedigen zu können, liegt eine Bevorzugung des jeweiligen Gläubigers und damit der Vorsatz des Schuldners vor. Bei Vorliegen einer inkongruenten Rechtshandlung des Schuldners liegt ein wesentliches Beweisanzeichen für den Vorsatz des Schuldners vor. Indizien für den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners lassen sich vom Schuldner nur dann entkräften, wenn der Schuldner auf Grund konkreter Umstände mit alsbaldiger Überwindung der Krise rechnen kann; BGH, Ur­teil vom 22.11.2012 - IX ZR 62/10, WM 2013, 88.
Im Banken-Prolongations-Fall des Bundesgerichtshofs vom 22.11.2012 (IX ZR 62/10) wusste die Bank bei der Prolongierung des Darlehns um (lediglich) drei Monate, dass der Schuldner aus eigenen Mitteln den Kredit nicht zurückführen kann. Der Schuldner war auf eine Umschuldung angewiesen. Die Bank hatte daher Kenntnis von der drohenden Zahlungsunfähigkeit und von der Gläubigerbenachteiligung.
Die Teilrückzahlung war daher anfechtbar gemäß § 133 InsO.
Die nach § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO begründete rechtliche Vermutung, kann nur durch vollen Gegenbeweis beseitigt wer­den; BGH, Ur­teil vom 22.11.2012 - IX ZR 62/10.
Dies glückt sehr selten.

4.2.4. Kapitalerhaltende Anfechtung, §§ 135-136 In­sO
Gemäß § 135 InsO kann eine Rechtshandlung, die für die Forderung eines Gesellschafters auf Rückgewähr eines Darlehens eine Sicherung oder Befriedigung gewährt hat, angefochten werden.

5. Nachweis der Zahlungsunfähigkeit und Beseitigung der Zah­lungs­ein­stel­lung
5.1. Nachweis der Zahlungsunfähigkeit oder Zah­lungs­ein­stel­lung
Mit Urteil des BGH vom 29.03.2012 - IX ZR 40/10 bestätigte der BGH für den Bereich der Insolvenzanfechtung den einfachen Weg des Insolvenzverwalters, das Vorliegen von Zahlungsunfähigkeit bzw. einer Zahlungseinstellung anhand von zum fraglichen Zeitpunkt bereits fälligen, bis zur Insolvenzeröffnung nicht ausgeglichenen Forderungen nachzuweisen, wie sie sich üblicherweise leicht aus der Insolvenztabelle ersehen lassen.
Die Voraussetzungen der Zahlungseinstellung gelten nach den Grundsätzen der Beweisvereitelung als bewiesen, wenn der Geschäftsführer einer GmbH, der wegen Insolvenzverschleppung in Anspruch genommen wird, seine Pflicht zur Führung und Aufbewahrung von Büchern und Belegen verletzt hat und dem Gläubiger deshalt die Darlegung näherer Einzelheiten nicht möglich ist; BGH, Ur­teil vom 24.01.20112 - II ZR 119/10, ZIP 2012, 723.
Der BGH hatte am 12.10.2006 entschieden, dass zur Feststellung der Zahlungsunfähigkeit eine Liquiditätsbilanz nur dann notwendig sei, wenn eine Prognose erforderlich sei, wie etwa im Rahmen der Prüfung, ob ein Insolvenzantrag zu stellen sei. Ansonsten und somit insbesondere auch im Bereich der Insolvenzanfechtung könne die Zahlungsunfähigkeit auch einfacher festgestellt werden. Hätten zum fraglichen Zeitpunkt fällige Verbindlichkeiten bestanden, die bis zur Verfahrenseröffnung nicht beglichen worden seien, sei regelmäßig von Zahlungsunfähigkeit zu diesem Zeitpunkt auszugehen.
Die Entscheidung aus 2012 erhält Insolvenzverwaltern den relativ einfachen Weg, die Zahlungsunfähigkeit auch ohne Erstellung aufwendiger Liquiditätsbilanzen zu belegen. Ob die Folgerung von bis zur Insolvenzeröffnung nicht ausgeglichenen Forderungen auf Zahlungsunfähigkeit ab dem Zeitpunkt der Fälligkeit der jeweiligen Forderung auch dann zulässig ist, wenn es sich um ganz geringfügige Forderungen handelte, ist allerdings offen.

5.2. Beseitigung der Zah­lungs­ein­stel­lung
Um die Zahlungseinstellung zu widerlegen, müssen die Zahlungen im Allgemeinen wieder aufgenommen sein, d.h. es müssen Zahlungen an alle Gläubiger erfolgen. Die Beweislast trägt derjenige, der die Beseitigung behauptet. Es liegt keine Wiederherstellung der Zahlungsunfähigkeit vor, wenn dem Schuldner durch die Befriedigung der gegenwärtigen Gläubiger die Mittel zur Begleichung alsbald fälliger Verbindlichkeiten feh­len; BGH, Ur­teil vom 06.12.2012 - IX ZR 3/12, WM 2013, 180, Rn. 33.

6. Nahestehende Personen, § 138 In­sO

-    Ju­ris­ti­sche Per­so­nen
·    Mit­glie­der des Vertretungs- oder Auf­sichts­or­gans
·    Per­so­nen mit vergleichbarer Stellung (auch dienstvertraglich)
·    Ehe­gat­ten von Personen zu Mitgliedern des Vertretungs-
     oder Auf­sichts­or­gans
·    Schwes­ter­ge­sell­schaf­ten (streitig)

-    na­tür­li­che Per­so­nen
·    Ehe­gat­ten
·    Ver­wand­te
Für nahestehende Personen werden die Anfechtungsvorschriften verschärft - d.h. es gibt Ver­mu­tun­gen, z.B. Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit oder eine Umkehr der Be­weis­last, z.B. betreffend die Kenntnis vom Benachteiligungsvorsatz. Der freiberufliche Buchhalter einer juristischen Person gilt dann als nahestehend, wenn er durch die Tätigkeit innerhalb des Schuldnerunternehmens besondere Informationsmöglichkeiten über dessen wirtschaftliche Verhältnisse be­sitzt; BGH, Ur­teil vom 15.11.2012 - IX ZR 205/11, WM 2012, 2343.

Sonderregelungen bei Anfechtungen mit nahestehenden Personen

·    § 130 Abs. 3 In­sO:
    Vermutung der Kenntnis von Zahlungsunfähgkeit oder Er­öff­nungs­an­trag
·    § 131 Abs. 2 S. 2 In­sO:
    Vermutung der Kenntnis der Gläubigerbenachteiligung
·    § 133 Abs. 2 In­sO:
    Bei Verträgen, die die Gläubiger unmittelbar benachteiligt haben:
    Um­kehr der Beweislast betreffende Kenntnis vom
    Benachteiligungsvorsatz des Schuld­ners.

7. Anfechtung im Drei­ecks­ver­hält­nis
Die Insolvenzanfechtung kommt auch bei Einschaltung Dritter - also im Dreiecksverhältnis - in Betracht. Hier ist die Anfechtung gegenüber dem Leis­tungs­emp­fän­ger, als auch gegenüber der Mittelsperson mög­lich, vgl. BGH, Urteil vom 29.11.2007 - IX ZR 121/06.

8. Anfechtungszeiträume und Verjährung der An­fech­tungs­an­sprü­che
Die Anfechtungszeiträume betragen von einem Monat über drei Monaten, 2 Jahren, 4 Jahren, bis zu 10 Jahre vor dem Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens. Der Anspruch verjährt gemäß § 146 Abs. 1 InsO, § 195 BGB in drei Jahren. Die Frist beginnt gemäß § 199 Abs. 1 BGB zum Ende des Jah­res, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von dem den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt hat. Der Anspruch entsteht frühestens mit Verfahrenseröffnung.

9. Abtretbarkeit von An­fech­tungs­an­sprü­chen
Der aus Insolvenzanfechtung folgende Rückgewährsanspruch kann abgetreten werden, vgl. BGH, Urteil vom 17.02.2011 - IX ZR 91/10, ZIP 23/2011, S. 1114 ff. Eine Abtretung, die dem Insolvenzzweck offensichtlich zuwider läuft, ist nichtig: Streiten sich zwei Insolvenzverwalter, zu welcher Masse ein Insolvenzanfechtungsanspruch gehört, ist eine Abtretung gegen Erlösbeteiligung wirk­sam; BGH, Ur­teil vom 10.01.2013 - IX ZR 172/11, WM 2013, 471.

10. Auszug der Recht­spre­chung
10.1. Gläu­bi­ger­be­nach­tei­li­gung

·    Zahlung einer Ge­sell­schaf­ter­schuld / Anweisung auf Kre­dit:
     Keine Gläu­bi­ger­be­nach­tei­li­gung; BGH, Ur­teil vom 21.06.2012 - IX ZR 59/11
·    Echter und unechter Kon­to­kor­rent:
     Insolvenzanfechtung ist beschränkt auf Rückzahlung des höchsten
     im Anfechtungszeitraum gewährten Kre­dits;
     BGH, Ur­teil vom 07.03.2013 - IX ZR 7/12.

10.2. Kongruente und inkongruente De­ckung
Anfechtung einer Glo­bal­zes­si­on; BGH, Ur­teil vom 29.11.2007 - IX ZR 30/07

Glo­bal­zes­sions­ver­trä­ge sind auch hinsichtlich der zukünftig entstehenden Forderungen grundsätzlich nur als kongruente Deckung anfechtbar. Das Werthaltigmachen zukünftiger Forderungen aus Globalzessionen ist als selbständige Rechtshandlung anfechtbar, wenn es dem Vertragschluss zeitlich nachfolgt; insoweit handelt es sich ebenfalls um eine kongruente Deckung, wenn dies für das Entstehen der Forderung zu­trifft.

Werhaltigmachen einer For­de­rung; BGH, Urteil vom 26.06.2008 - IX ZR 144/05
Macht die künftige Insolvenzschuldnerin die global an ihre Bank abgetretenen (künftigen) Forderungen gegen ihre Auftraggeber dadurch werthaltig, dass sie die geschuldeten Arbeitsleistungen durch ihre Arbeitnehmer erbringen lässt, ist die Werthaltigmachung der abgetretenen Forderungen als kongruente Deckung an­fecht­bar.

Verrechnung im Kon­to­kor­rent; BGH, Urteil vom 11.10.2007 - IX ZR 195/04
Verrechnungen im Kontokorrent zur Erfüllung eigener Ansprüche der Bank sind nicht als Bardeckung unanfechtbar. Ein Kredit zur Ablösung von Verbindlichkeiten des Schuldners, für welche die Bank sich verbürgt hat, stellt keine gleichwertige Gegenleistung für die Verrechnung von Zahlungseingängen dar, wenn und soweit die Bank endgültig von ihrer Bürgschaftsverbindlichkeit frei geworden ist.

Verrechnung der Bank mit Zah­lungs­ein­gän­gen; BGH, Urteil vom 11.2.2010 - IX ZR 42/08
Verrechnet eine Bank für den Kunden eingehende Zahlungen mit ihrem noch nicht fälligen Anspruch auf Darlehensrückzahlung, ist die dadurch erlangte Befriedigung nicht inkongruent, wenn die Verrechnung mit dem Kunden vereinbart war.

Zahlung von SV- Beiträgen durch Drit­ten; BGH, Urteil vom 09.01.2003 - IX ZR 85/02
Vereinbart der Schuldner mit einem Dritten dieser solle die geschuldete Zahlung an den Sozialversicherungsträger des Schuldners zur Tilgung einer fälligen Beitragsforderung vornehmen, bewirkt die Zahlung in der Regel eine inkongruente Deckung.

Zahlung wegen Zwangs­voll­stre­ckiung; BGH, Urteil vom 11.04.2002 - IX ZR 211/01
Eine Leistung, die der Schuldner dem Gläubiger auf eine fällige Forderung zur Vermeidung einer unmittelbar bevorstehenden Zwangsvollstreckung gewährt hat, stellt eine inkongruente Deckung dar.

Leistung zur Abwendung der Zwangs­voll­stre­ckung; BGH, Urteil vom 13.05.2003 - IX ZR 194/02
Die Leistung zur Abwendung der Zwangsvollstreckung ist eine inkongruente Deckung, wenn der Schuldner zur Zeit seiner Leistung damit rechnen muß, dass oh­ne sie der Gläubiger nach dem kurz bevorstehenden Ablauf einer letzten Zahlungsfrist mit der ohne weiteres zulässigen Zwangsvollstreckung beginnt.

Leistung zur Abwendung der Zwangs­voll­stre­ckung; BGH, Urteil vom 20.01.2011 - IX ZR 8/10
Die Leistung zur Abwendung der Zwangsvollstreckung kann auch dann als inkongruente Deckung anfechtbar sein, wenn der Gläubiger unter Ankündigung der Zwangsvollstreckung zur umgehenden Leistung auffordert, ohne eine letzte konkrete Frist zu setzen.

Leistung wegen In­sol­venz­an­trag; BGH, Urteil vom 18.12.2003 - IX ZR 199/02
Leistet der Schuldner zur Abwendung eines angekündigten Insolvenzantrags, den der Gläubiger zur Durchsetzung seiner Forderung angedroht hat, bewirkt dies eine inkongruente Deckung.

10.3. Vorsatzanfechtung / Gläu­bi­ger­be­nach­tei­li­gungs­vor­satz

Angst vor Insolvenzantrag; BGH, Urteil vom 27.05.2003 - IX ZR 169/02
Ei­nem Schuldner, der weiß, dass er nicht alle seine Gläubiger befriedigen kann, und der Forderungen eines einzelnen Gläubigers vorwiegend deshalb erfüllt, um diesen von der Stellung eines Insolvenzantrages abzuhalten, kommt es nicht in erster Linie auf die Erfüllung seiner gesetzlichen oder vertraglichen Pflichten, sondern auf die Bevorzugung dieses einzelnen Gläubigers an; damit nimmt er die Benachteiligung der Gläubiger im allgemeinen in Kauf. Gewährt der Schuldner dem Gläubiger auf eine fällige Forderung eine Leistung früher als drei Monate vor dem Eröffnungsantrag, so stellt sie sich nicht bereits deshalb als inkongruente Deckung dar, weil sie zur Vermeidung einer unmittelbar bevorstehenden Zwangsvollstreckung erfolgt.

Befriedigung einzelner Gläubiger; BGH, Urteil vom 17.07.2003 - IX ZR 272/02
Der Gläubigerbenachteiligungsvorsatz nach § 133 Abs. 1 InsO setzt kein unlauteres Zusammenwirken von Schuldner und Gläubiger voraus. Ein Schuldner, der in Kenntnis seiner Zahlungsunfähigkeit im Allgemeinen noch einzelne Gläubiger befriedigt, rechnet zwangsläufig mit der dadurch eintretenden Benachteiligung der anderen Gläubiger, für die damit weniger übrig bleibt.

Widerlegung der Ver­mu­tung; BGH, Urteil vom 24.05.2007 - IX ZR 97/06
Zur Widerlegung der Vermutung des § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO muss der Anfechtungsgegner konkrete Umstände darlegen und beweisen, die es naheliegend erscheinen lassen, dass ihm der Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners nicht bekannt war.

Kenntnis der Bank von weiteren Gläu­bi­gern; BGH, Urteil vom 20.12.2007 - IX ZR 93/06
Nimmt eine Bank Ratenzahlungen des Schuldners entgegen, die sie mit diesem in einem Stillhalteabkommen vereinbart hat, so ist zu vermuten, dass sie die Absicht des Schuldners kennt, die Gläubiger zu benachteiligen, wenn sie weiß, dass der Schuldner noch weitere Gläubiger hat, die erfolglos zu vollstrecken versucht haben, und die Raten auch nur unregelmäßig gezahlt werden.

Zeitpunkt des Be­nach­tei­li­gungs­vor­sat­zes; BGH, Urteil vom 10.1.2008 - IX ZR 33/07
Han­delt der Schuldner im Zeitpunkt der Eingehung einer Verpflichtung mit Benachteiligungsvorsatz, so stellt dies regelmäßig ein wesentliches Beweisanzeichen dafür dar, dass der Vorsatz auch im Zeitpunkt der Erfüllung noch besteht. Der Benachteiligungsvorsatz des Schuldners muss sich nicht auf den Umstand beziehen, aus dem die Gläubigerbenachteiligung folgt.

Einstellung eines Strafverfahrens gegen Auf­la­ge; BGH, Urteil vom 06.06.2008 - IX ZR 17/07
Die Einstellung eines Strafverfahrens darf nicht von der Zahlung einer Geldauflage an die Staatskasse abhängig gemacht werden, wenn der Angeschuldigte durch die Erfüllung der Auflage seine Gläubiger benachteiligt.

Die vom Schuldner an die Staatskasse geleisteten Zahlungen können vom Insolvenzverwalter zurückverlangt werden, wenn der Schuldner die hierdurch bewirkte Benachteiligung seiner Gläubiger billigend in Kauf genommen hat, um durch Erfüllung einer entsprechenden Auflage die Einstellung eines gegen ihn laufenden Strafverfahrens zu erreichen, während die Staatsanwaltschaft wusste, dass die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners zumindest drohte und die geleisteten Zahlungen seine Gläubiger be­nach­tei­lig­ten.

Kenntnis des Gläu­bi­gers; BGH, Urteil vom 20.11.2008 - IX ZR 188/07
Weiß der Gläubiger, dass der Schuldner nicht in der Lage ist oder voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, die bestehenden Zahlungspflichten im Zeitpunkt der Fälligkeit im wesentlichen zu erfüllen, so weiß er in der Regel auch, dass dessen Rechtshandlung die Gläubiger benachteiligt.

Indiz für Kennt­nis bei Be­las­tung Haus; BGH, Urteil vom 18.12.2008 - IX ZR 79/07
Hat der Käufer für ein mit einer Zwangshypothek belastetes Betriebsgrundstück auch unter Berücksichtigung der Übernahme dieser dinglichen Belastung eine nicht annähernd dem Verkehrswert entsprechende Zahlung zu erbringen und räumt er hinsichtlich der Differenz zwischen seiner Zahlungspflicht und dem Verkehrswert dem Verkäufer ein entgeltliches, auf den dem Verkehrswert entsprechenden Kaufpreis angerechnetes Nutzungsrecht höchstpersönlicher, unübertragbarer Art ein, kann die einen dringenden Liquiditätsbedarf des Verkäufers nahe liegende, zu Lasten seiner Gläubiger wirkende Vertragsgestaltung ein Indiz für eine Kenntnis des Käufers sowohl von der drohenden Zahlungsunfähigkeit des Verkäufers und als auch der Gläubigerbenachteiligung bilden.

Unerlaubte Hand­lung; BGH, Urteil vom 18.03.2010 - IX ZR 57/09
Das Beweisanzeichen der Inkongruenz ist gegeben, wenn der Schuldner nach Vornahme einer unerlaubten Handlung dem Gläubiger für die dadurch begründete Schadensersatzforderung eine Sicherung gewährt.

11. Zwei Spe­zi­al­fäl­le
11.1. Die Haftung des Steuerberaters bei der gescheiterten Sa­nie­rung

Der Gesellschafter und der Geschäftsführer können in den Schutzbereich eines zwischen der GmbH und einem Steuerberater geschlossenen Vertrages einbezogen sein, welcher die Prüfung einer möglchen Insolvenzreife der GmbH zum Gegenstand hat, vgl. BGH, Ur­teil vom 14.06.2012 - IX ZR 145/11, ZIP 2012, 1353.
Das steuerberatende Dau­er­man­dat von einer GmbH begründet bei üblichem Zuschnitt keine Pflicht, die Mandantin bei einer Unterdeckung in der Handelsbilanz auf die Pflicht ihres Geschäftsführers hinzuweisen, eine Über­prü­fung in Auftrag zu geben, ob eine Insolvenzreife be­steht, vgl. BGH, Ur­teil vom 07.03.2013 - IX ZR 64/12, ZIP 2013, 829.
Erklärt der lediglich mit der Erstellung der Steuerbilanz betraute Steuerberater, dass eine insolvenzrechtliche Überschuldung nicht vorliege, haftet der Gesellschaft wegen der Folgen der dadurch bedingten verspäteten In­sol­ven­zan­trags­tel­lung, vgl. BGH, Ur­teil vom 06.06.2013 - IX ZR 204/12, ZIP 2013, 1332.

11.2. Gesellschafter stellt private Sicherheit und haf­tet
Die Gesellschaftersicherheit muss - entgegen der internen Vereinbarung - vor der Gesellschaftssicherheit verwertet werden.

Der Verzicht auf die persönliche Sicherheit kommt wirtschaftlich einer Rückzahlung des Darlehens gleich und ist nach § 135 Abs. 1 Nr. 2 an­fech­tbar; OLG Schles­wig vom 13.02.2012 GmbHR 2012, 1130.

Ausblick
Verbände ( z.B. Bundesverband der Deutschen Industrie, Zentralverband des Deutschen Handwerks), Parteien und Rechtsexperten fordern ausufernde Anfechungsmöglikchkeiten einzudämmen, um gerade mittelständische Unternehmen besser zu schützen, vgl z,B. Beitrag in Frankfurter Allgemeine Zeitung vo,m 02.11.2013 S. 12.
Sie haben im schlimmsten Fall das Risiko 10 Jahre nach Erhalt der Zahlung, diese zurückzahlen zu müssen. Die CDU/CSU und die SPD prüfen gesetzliche Möglichkeiten Rückzahlungsrisiken einzuschränken. Dies bleibt abzuwarten. Aktuell ist das Anfechtungsrisiko nur durch eine Vorsorge - wie oben beschrieben -  beschränkbar.

Für Rückfragen zur  Optimierung des Forderungsmanagements stehe ich gerne zur Verfügung.
Wir vertreten mehrere große Firmen im Rahmen des Forderungmanagements. 


Hermann Kulzer MBA
Fachanwalt für In­sol­venz­recht
Fachanwalt für Handels- und Ge­sell­schafts­recht
Wirt­schafts­me­dia­tor (DIU Dresden International University)

Kontakt: kulzer@pkl.com

insoinfo
Verfasser: Hermann Kulzer MBA, Fachanwalt für Insolvenzrecht, Fachanwalt für Handels- und Gesellschafftsrecht
12.01.2018 Insolvenzanfechtung: keine Anfechtung der Auszahlung von garantierten Zinsen/Sind die Fubus/Prosavus- Fälle vergleichbar?
Information Der Bundesgerichtshofs hat am 20.07.2017 durch den vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kayser die
Klage eines Insolvenzverwalters abgewiesen

Sachverhalt
 
1. Kläger
Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der Z. GmbH & Co. KG (nachfolgend: Schuldnerin), einer Publikums-KG, an der sich der Beklagte als Kommanditist mit einer in das Handelsregister eingetragenen Hafteinlage mit beteiligte.

2.  Anfechtbare Rechtshandlung
Für bestimmte Geschäftsjahre erhielten die Kommanditisten eine garantierte Verzinsung auf die von ihnen geleistete Kommanditeinlage i.H.v. 6 % p.a. für den Zeitraum vom Tage der Wertstellung der Einlage bis zum jeweiligen Ende des Geschäftsjahres. Die Verzinsung wurde auf das Ergebnis angerechnet.

3. Anlegerschutz durch Ausschüttungsgarantievertrag
Zugleich schloss die Schuldnerin mit der J. AG einen Ausschüttungsgarantievertrag, in dem diese sich verpflichtete, der Schuldnerin liquide Mittel zur Erfüllung der gegenüber den Kommanditisten bestehenden Verpflichtung zur Verfügung zu stellen.

4. Verlauf des Gerichtsverfahrens
Das Amtsgericht hat die auf anfechtungsrechtliche Rückgewähr dieses Betrages nebst Zinsen gerichtete Klage des Insolvenzverwalters abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landgericht den Beklagten antragsgemäß verurteilt. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgte der Beklagte sein Klageabweisungsbegehren weiter.

5. Entscheidung des BGH:
Die Revision hat Erfolg.
Die Klage des Insolvenzverwalters wird abgewiesen.

6,. Entscheidungsgründe
 
Die Leistung an den Beklagten erfolgte nicht unentgeltlich im Sinne von § 134 Abs. 1 InsO.

6.1. Unentgeltlich ist eine Leistung im hier gegebenen Zwei-Personen-Verhältnis, wenn ein Vermögenswert des Verfügenden zugunsten einer anderen Person aufgegeben wird, ohne dass dem Verfügenden ein entsprechender Vermögenswert vereinbarungsgemäß zufließen soll
(vgl. BGH, Urteil vom 5. März 2015 - IX ZR 133/14, BGHZ 204, 231; vom 15. September 2016 - IX ZR 250/15, WM 2016, 2312 Rn. 20 f; vom 20. April 2017 - IX ZR 252/16, WM 2017, 1215 Rn. 10 ff, zVb in BGHZ).
Zahlungen, mit denen eine Kommanditgesellschaft den Anspruch auf Rückgewähr einer Einlage oder auf Zahlung eines Auseinandersetzungsguthabens erfüllt, sind keine unentgeltlichen Leistungen (vgl. BGH, Urteil vom 22. April 2010 - IX ZR 225/09, ZIP 2010, 1455 Rn. 11; vom 18. Juli 2013 - IX ZR 198/10, NJW 2014, 305 Rn. 9).

Auszahlungen von in "Schneeballsystemen" erzielten Scheingewinnen können demgegenüber unbeschadet eines ordnungsgemäßen Zustandekommens des Gewinnverwendungsbeschlusses als objektiv unentgeltliche Leistung nach § 134 Abs. 1 InsO angefochten werden (BGH, Urteil vom 22. April 2010, aaO; vom 18. Juli 2013, aaO).

Erhält ein Anleger in derartigen Fällen Auszahlungen, die sowohl auf Scheingewinne als auch auf die Einlage erfolgen, so sind diese nur gemäß § 134 Abs. 1 InsO anfechtbar, soweit es um die Auszahlung auf Scheingewinne geht.

Die Rückzahlung der Einlage stellt in diesen Fällen regelmäßig den Gegenwert für die vom Anleger erbrachte Einlage dar (BGH, Urteil vom 22. April 2010, aaO).

6.2. Gemessen hieran ist die Zahlung an den Beklagten nicht unentgeltlich im Sinne von § 134 Abs. 1 InsO. Wie der Senat mit Urteil vom 20. April 2017 (IX ZR 189/16, ZIP 2017, 1284) in einem dieselbe Gesellschaft betreffenden Fall bereits entschieden hat, gewährt der Gesellschaftsvertrag den Kommanditisten einen Anspruch auf die erhaltene Zahlung, dessen Geltendmachung auch die Treuepflicht eines Kommanditisten nicht entgegensteht.

a) Über die Regelung des § 169 Abs. 1 HGB hinaus sind Ausschüttungen an die Kommanditisten zulässig, wenn der Gesellschaftsvertrag dies vorsieht oder die Ausschüttung durch das Einverständnis aller Gesellschafter gedeckt ist (BGH, Urteil vom 12. März 2013 - II ZR 73/11, NJW 2013, 2278 Rn. 9 mwN).

Solche Ausschüttungen können in der Weise vereinbart werden, dass sie auch insoweit zu gewähren und zu belassen sind, als sie nicht durch Gewinne gedeckt sind, also letztlich in Form einer festen Kapitalverzinsung oder garantierter Mindesttantieme zu Lasten des Kapitals gehen (BGH, Urteil vom 12. März 2013, aaO).

Sie sind entgeltlich, wenn sie Gegenleistung für die Pflichteinlage sind. So verhält es sich hier.

aa) Der Gesellschaftsvertrag gewährt hier den Kommanditisten für ihre tatsächlich geleistete Einlage einen Anspruch auf eine gewinnunabhängige Ausschüttung.
Zwar ist § 18 des Gesellschaftsvertrags mit "Ergebnisverteilung" überschrieben.
Aber nach dem insoweit klaren Wortlaut der Regelung in § 18.6 wird den Kommanditisten auf die erbrachte Einlage eine Verzinsung mit einem festen, gewinnunabhängigen Zinssatz garantiert.

Dass diese Zinszahlungen auf etwaige Gewinne angerechnet werden, lässt die Verpflichtung zu deren Zahlung nicht für den Fall entfallen, dass Gewinne nicht erwirtschaftet werden (BGH, Urteil vom 20. April 2017 - IX ZR 189/16, aaO).

bb) Kein Vorbehlt der Rückforderung
Anhaltspunkte dafür, dass die Kommanditisten die Auszahlungen gemäß § 18.6 des Gesellschaftsvertrags unter dem Vorbehalt einer Rückforderung erhalten haben, sind nicht ersichtlich.
Dass der Gesellschaftsvertrag keine dahingehende Regelung enthält, steht zwar der Annahme einer gewinnabhängigen Vorabausschüttung nicht entgegen (vgl. BGH, Urteil vom 18. Juli 2013 - IX ZR 198/10, NJW 2014, 305 Rn. 40).
Aus deren Fehlen kann aber nicht geschlossen werden, es müsse sich (deswegen) um gewinnabhängige Vorabausschüttungen handeln. Vielmehr ist ein Kommanditist, wenn an ihn auf der Grundlage einer Ermächtigung im Gesellschaftsvertrag eine Auszahlung geleistet wurde, obwohl sein Kapitalanteil durch Verlust unter den auf die bedungene Einlage geleisteten Betrag herabgemindert ist oder durch die Auszahlung unter diesen Betrag herabgemindert wird oder eine bereits bestehende Belastung vertieft wird, nur dann zur Rückzahlung an die Gesellschaft verpflichtet, wenn der Gesellschaftsvertrag dies hinreichend klar vorsieht (vgl. BGH, Urteil vom 20. April 2017 - IX ZR 189/16, aaO, Rn. 11 mwN).

Eine solche Regelung wurde hier nicht getroffen.

cc) Keine Unentgeltlichkeit
 Die Vorschriften des Handelsgesetzbuches stehen einer derartigen Vertragsgestaltung nicht entgegen. Sie kennen für die Kommanditgesellschaft keinen im Innenverhältnis wirkenden Kapitalerhaltungsgrundsatz. Die Gesellschafter können ihre Rechtsbeziehungen im Innenverhältnis insoweit untereinander und zur Gesellschaft weitgehend frei gestalten. Deswegen kann auch der Umstand, dass es sich bei der Zahlung an den Beklagten mangels erwirtschafteter Gewinne um die Rückgewähr von Einlagen handelt, keine Unentgeltlichkeit der Leistung im Sinne von § 134 InsO begründen.
Solche Zahlungen können zwar zu einer Haftung nach § 172 Abs. 4, § 171 Abs. 1 HGB führen. Diese Vorschriften betreffen aber ausschließlich die Haftung des Kommanditisten gegenüber den Gesellschaftsgläubigern im Außenverhältnis und nicht dessen Verhältnis zur Gesellschaft (BGH, Urteil vom 20. April 2017 - IX ZR 189/16, aaO, Rn. 12).

b) Auszahlungsanspruch verstößt nicht gegen Treuepflicht
Die Ausübung des Anspruchs auf Auszahlung der garantierten Zinsen war zum Zeitpunkt der Zahlung auch nicht durch die Treuepflicht des Gesellschafters eingeschränkt.

Allein das Ausbleiben von Gewinnen bei der Schuldnerin begründet keine solche Treuepflicht, zumal für die Schuldnerin die Zahlung der gewinnunabhängigen Ausschüttungen durch den Vertrag mit der J. AG abgesichert war. Der Hinweis auf die Senatsentscheidung vom 18. Juli 2013 (IX ZR 193/10, NJW 2014, 305 Rn. 44) kann insoweit nicht verfangen, als diese Entscheidung Vorauszahlungen auf künftig aller Voraussicht nach nicht anfallende Gewinne betrifft, die nur aus Einlagen neu beitretender Gesellschafter finanziert werden können.


Die Berufung des Klägers ist zurückzuweisen, weil das Amtsgericht die Klage mit Recht abgewiesen hat.

Zahlreiche Fälle der Fubus-Gruppe sind mit diesem Fall vergleichbar.
Die Chancen der Anleger dürften sich mit dieser Entscheidung weiter verbessern.
 

Für Rückfragen stehen wir gerne zur Verfügung

Hermann Kulzer MBA
Fachanwalt für Insolvenzrecht
Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht
Writschaftsmediator (uni DIU)

Dresden, Berlin, Leiipzig

0351 8110233
Fax 0351 8110244
kulzer@pkl.com
insoinfo
Verfasser: Hermann Kulzer MBA Fachanwalt für Insolvenzrecht
01.03.2017 Insolvenzanfechtung von Zahlungen von dritter Seite
Information

Begleicht der hierzu nicht verpflichtete Geschäftsführer der späteren Insolvenzschuldnerin deren Verbindlichkeit aus eigenen Mitteln, benachteiligt er hierdurch nicht die späteren Insolvenzgläubiger , BGH Urt. v. 21.6.2012 IX RZ 59/11.

Wenn ein Darlehen zur Begleichung einer bestimmten Schuld aufgenommen und gewähr wird, schließt die hierin liegende treuhänderische Bindung des Darlehensnehmers eine Gläubigerbenachteiligung nicht aus.

Wird die Forderung eines Gläubigers beglichen, der nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nur Insolvenzgläubiger wäre, benachteiligt dies die Gesamtheit der Insolvenzgläubiger, weil die hierfür aufgewandten Mittel zu deren Befriedigung nicht mehr zur Verfügung stehen.

Dies trifft auch dann zu, wenn der Schuldner sich diese Mittel durch Aufnahme eines Darlehens verschafft hat.

Der Anspruch auf Auszahlung eines Darlehens ist auch der (späteren) Insolvenzmasse zuzurechnen.

Ob das Darlehen nach der Vereinbarung der Parteien des Darlehensvertrags einem bestimmten Zweck, z.B. der Rückführung einer bestimmten Schuld dienen soll, ist unerheblich (BGH NZI 01, 539; ZIP 02, 489).

 Keine Gläubigerbenachteiligung liegt vor, wenn ein Dritter eine Verbindlichkeit des späteren Insolvenzschuldners mit Mitteln begleicht, die nicht in dessen haftendes Vermögen gelangt sind.

Begleicht ein Dritter die Schuld des Schuldners sind zwei Fälle zu unterscheiden:

1. Anweisung auf Schuld,
in der der Angewiesene mit der Zahlung an den Empfänger eine eigene, gegenüber dem Anweisenden bestehende Verbindlichkeit befriedigt (Bamberger/Roth/Gehrlein, BGB, 3. Aufl., § 787 Rn. 1). Die Zahlung durch den Angewiesenen führt zu einer Gläubigerbenachteiligung, weil der Schuldner mit der Zahlung an den Dritten seine Forderung gegen den Angewiesenen verliert (MüKo/Kirchhof, InsO, 2. Aufl., § 129 Rn. 144).

2. Anweisung auf Kredit,
bei der der Angewiesene die Zahlung an den Empfänger ohne eine Verpflichtung gegenüber dem Anweisenden vornimmt, sodass er infolge der Zahlung zum Gläubiger des Anweisenden wird (Bamberger/Roth/Gehrlein, a.a.O.). In diesem Fall scheidet eine Gläubigerbenachteiligung grundsätzlich aus, weil es durch die Zahlung lediglich zu einem Gläubigerwechsel in der Person des Angewiesenen kommt.

Die Belastung der Masse mit dem Rückgriffsanspruch des Angewiesenen wird hier durch die Befreiung von der Schuld des Zahlungsempfängers ausgeglichen (BGH NZI 09, 56 Rn. 9; MüKo/Kirchhof, a.a.O.).

Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Kredit für den Schuldner belastender ist als die mit seiner Hilfe getilgte Schuld, etwa weil er nur gegen Sicherheiten gewährt wurde.

 

Die später ergangenen Entscheidungen (BGHZ 182, 317 Rn. 15; BGH NZI 11, 400 Rn. 17) bedeuten keine Abkehr von den Grundsätzen des Beschlusses vom 16.10.08 (vgl. Ganter, NZI 11, 475 ff.).

 

BGHZ 174, 228
Für die Anfechtbarkeit einer mittelbaren Zuwendung reicht aus, dass der Gegenwert für das, was über die Mittelsperson an den Gläubiger gelangt ist, aus demVermögen des Schuldners stammt.

Entscheidungen:

Gläubigerbenachteiligung bei Anweisung auf Schuld- BGHZ 182, 317 = ZIP 2009, 2009• Anfechtung der Anweisung nach §133 InsO- BGHZ 174, 314 = ZIP 2008, 190

insoinfo
Verfasser: Kulzer
14.03.2015 Insolvenzanfechtung und Feststellung des Benachteiligungsvorsatzes bei § 133 InsO
Information

Der Bundesgerichtshof hat sich im Urteil vom 8. Januar 2015 – IX ZR 203/12
mit der Feststellung der Zahlungseinstellung und der Kenntnis des Benachteiligungsvorsatzes auf der Grundlage von Indizien beschäftigt.
Nach § 133 Abs.1 S.1 InsO ist eine Rechtshandlung anfechtbar, welche der Schuldner in den letzten zehn Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mit dem Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen, vorgenommen hat, wenn der andere Teil zur Zeit der Handlung den Vorsatz des Schuldners kannte. Der Benachteiligungsvorsatz ist gegeben, wenn der Schuldner bei Vornahme der Rechtshandlung die Benachteiligung der Gläubiger im Allgemeinen als Erfolg seiner Rechtshandlung gewollt oder als mutmaßliche Folge – sei es auch als unvermeidliche Nebenfolge eines an sich erstrebten anderen Vorteils – erkannt und gebilligt hat.
Ein Schuldner, der seine Zahlungsunfähigkeit kennt, handelt in aller Regel mit Benachteiligungsvorsatz.
Dessen Vorliegen ist auch schon dann zu vermuten, wenn der Schuldner seine drohende Zahlungsunfähigkeit kennt.
Da für den anderen Teil die Kenntnis vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners vermutet wird, wenn er wusste, dass dessen Zahlungsunfähigkeit drohte, können für den Vorsatz des Schuldners selbst keine strengeren Anforderungen gelten.

Die Zahlungsunfähigkeit beurteilt sich im gesamten Insolvenzrecht und darum auch im Rahmen des Insolvenzanfechtungsrechts nach § 17 InsO.
Zur Feststellung der Zahlungsunfähigkeit kann eine Liquiditätsbilanz aufgestellt werden.
Dabei sind die im maßgeblichen Zeitpunkt verfügbaren und innerhalb von drei Wochen flüssig zu machenden Mittel in Beziehung zu setzen zu den am selben Stichtag fälligen und eingeforderten Verbindlichkeiten.
Im Insolvenzanfechtungsprozess ist die Aufstellung einer Liquiditätsbilanz oftmals nicht erforderlich, weil im eröffneten Verfahren auch auf andere Weise festgestellt werden kann, ob der Schuldner einen wesentlichen Teil seiner fälligen Verbindlichkeiten nicht bezahlen konnte.

Hat der Schuldner seine Zahlungen eingestellt, begründet auch dies die gesetzliche Vermutung der Zahlungsunfähigkeit.

Zahlungseinstellung ist dasjenige nach außen hervortretende Verhalten des Schuldners, in dem sich typischerweise ausdrückt, dass er nicht in der Lage ist, seine fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen..
Es muss sich mindestens für die beteiligten Verkehrskreise der berechtigte Eindruck aufdrängen, dass der Schuldner außerstande ist, seinen fälligen Zahlungsverpflichtungen zu genügen.
Die tatsächliche Nichtzahlung eines erheblichen Teils der fälligen Verbindlichkeiten reicht für eine Zahlungseinstellung aus. Haben im fraglichen Zeitpunkt fällige Verbindlichkeiten erheblichen Umfangs bestanden, die bis zur Verfahrenseröffnung nicht mehr beglichen worden sind, ist regelmäßig von einer Zahlungseinstellung auszugehen.

Eine Zahlungseinstellung kann aus einem einzelnen, aber auch aus einer Gesamtschau mehrerer darauf hindeutender, in der Rechtsprechung entwickelter Beweisanzeichen gefolgert werden. Sind derartige Indizien vorhanden, bedarf es einer darüber hinaus gehenden Darlegung und Feststellung der genauen Höhe der gegen den Schuldner bestehenden Verbindlichkeiten oder einer Unterdeckung von mindestens zehn vom Hundert nicht..

Nach diesen Maßstäben rechtfertigen im vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall die vom Insolvenzverwalter vorgetragenen Beweisanzeichen die Annahme einer Zahlungseinstellung des Schuldners. Insoweit hat in der Vorinstanz das Oberlandesgericht Celle den Prozessstoff nicht ausgeschöpft und eine rechtsfehlerfreie Gesamtwürdigung der einzelnen Indizien versäumt.

Das Oberlandesgericht Celle nimmt eine nur eingeschränkte Würdigung vor, indem es die maßgeblichen Indizien nicht in einen Gesamtzusammenhang stellt, sondern jeweils nur einzeln für sich betrachtet. So stellt es hinsichtlich der zu Beginn des für die Feststellung der Zahlungsunfähigkeit maßgeblichen Zeitraums offenen Verbindlichkeiten lediglich in Rechnung, dass die Weihnachtsgeldansprüche von drei Arbeitnehmern für das Jahr 2006 offengeblieben; und vom Schuldner bis zur Verfahrenseröffnung nicht ausgeglichen worden sind.
Dabei übergeht es den schon in der Klageschrift und in der Berufungserwiderung gehaltenen Vortrag des Insolvenzverwalters, dass der Schuldner sämtlichen Arbeitnehmern das Weihnachtsgeld für 2006 bis zur Insolvenzeröffnung schuldig geblieben ist.
Entgegen dem Grundsatz, dass regelmäßig von Zahlungseinstellung auszugehen ist, wenn im fraglichen Zeitpunkt fällige Verbindlichkeiten bestanden, die bis zur Verfahrenseröffnung nicht mehr beglichen worden sind, stellt es nicht fest, ob tatsächlich die Ansprüche aller Arbeitnehmer offengeblieben sind und welchen Umfang diese hatten, sondern begnügt sich mit dem Hinweis, dass drei – vom Insolvenzverwalter nur beispielhaft benannte – Arbeitnehmer ihr Weihnachtsgeld nicht erhalten hätten, was nicht ausreiche, um im Verhältnis zum sonstigen Zahlungsverkehr des Schuldners zu einer Zahlungseinstellung zu kommen.

Die gebotene Gesamtwürdigung lässt unberücksichtigt, dass es sich bei den Weihnachtsgeldzahlungen für das Jahr 2006 um Forderungen der Arbeitnehmer handelt, deren schleppende Zahlung auch im Fall der erzwungenen “Stundung” durch den Arbeitgeber Anzeichen für eine Zahlungseinstellung ist.

Nicht mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu vereinbaren ist die Auffassung des Oberlandesgerichts Celle, eine eigenständige Indizwirkung komme dem Schreiben des Schuldners an seine Belegschaft vom 04.07.2007 nicht zu.
Wenn der Schuldner in diesem Schreiben unter Hinweis auf das Schreiben des Steuerberaters vom 18.06.2007 mitteilt, die Zahlung des Weihnachgeldes 2006 sei – auch nur in Teilbeträgen – weiterhin unmöglich und auch sonst lasse die finanzielle Situation die Erbringung von irgendwelchen Zusatzleistungen nicht zu, räumt er damit seinen Angestellten gegenüber ein, seine Verbindlichkeiten – auch nach Ablauf von mehr als einem halben Jahr nach Fälligkeit – nicht vollständig erfüllen zu können. Die Auffassung des Oberlandesgerichts Celle, in dem Schreiben werde nur bestätigt, was der Beklagte ohnehin nicht bestritten habe, verkennt, dass nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eigene Erklärungen des Schuldners, fällige Verbindlichkeiten nicht begleichen zu können, auf eine Zahlungseinstellung hindeuten und damit ein wesentliches Indiz in der gebotenen Gesamtwürdigung darstellen.
Aus dem Schreiben ergibt sich in Verbindung mit dem beigefügten Schreiben des Steuerberaters zudem, dass sich die angespannte finanzielle Situation des Schuldners seit dem Jahresende 2006 weiter verschärft hat und die Verluste und damit auch das Unvermögen, längst fällige Verbindlichkeiten zu bedienen, noch größer geworden ist.

Unverständlich ist in diesem Zusammenhang die Auffassung des Oberlandesgerichts Celle, die den Arbeitnehmern überlassene vorformulierte Erklärung, trotz eingehender Information über die eventuell drohende Insolvenz und den damit drohenden Verlust aller Arbeitsplätze mit einer Minderung des monatlichen Gehalts nicht einverstanden zu sein, komme keine indizielle Bedeutung zu.
Wird mit einer derartigen Erklärung, die nach dem Vortrag des Insolvenzverwalters vom Beklagten stammen soll, Druck auf die Arbeitnehmer ausgeübt, um diese zu Lohnverzichten zu bewegen, muss hierin ein erhebliches Indiz für eine drohende Insolvenz, auf die im Übrigen in dem Schriftstück auch ausdrücklich hingewiesen wird, gesehen werden.

Keine Bedeutung im Blick auf die Indizien für eine Zahlungseinstellung misst das Oberlandesgericht Celle schließlich auch der Zahlung des Beklagten im Januar 2008 in Höhe von 4.080 € bei, mit welcher er dem Schuldner beigesprungen ist, um die zwangsweise Beitreibung titulierter Forderungen eines ausgeschiedenen Arbeitnehmers abzuwenden. Wenn das Oberlandesgericht Celle hierzu im Rahmen seiner Hilfsbegründung zur fehlenden Kenntnis des Beklagten vom Benachteiligungsvorsatz des Schuldners erneut ausführt, es handele sich um einen im Vergleich zu den sonstigen Verbindlichkeiten des Schuldners, unerheblichen Betrag, übersieht es, dass auch diese Finanzhilfe schon bei der Gesamtwürdigung zur Zahlungseinstellung hätte berücksichtigt werden müssen.
Gegen den Schuldner betriebene Vollstreckungsverfahren legen die Schlussfolgerung der Zahlungseinstellung nahe.
Auch diese Zahlung trägt deshalb zu dem Gesamtbild eines am Rande des finanzwirtschaftlichen Abgrunds operierenden Schuldners bei, dem es auf Dauer nicht gelingt, bestehende Liquiditätslücken zu schließen, sondern der nur noch darum bemüht ist, trotz fehlender Mittel den Anschein eines funktionstüchtigen Geschäftsbetriebs aufrechtzuerhalten.

Soweit das Oberlandesgericht Celle ausführt, es fehle auch daran, dass der Beklagte von einem Benachteiligungsvorsatz des Schuldners Kenntnis gehabt habe, kann dies die Abweisung der Klage nicht rechtfertigen. Die Ausführungen beruhen auf einem gehörswidrigen Übergehen von Vortrag des Insolvenzverwalters und der unterlassenen Durchführung einer Beweisaufnahme zu der Behauptung, der Beklagte habe das Schreibens vom 04.07.2007 und die vorformulierte Erklärung der Arbeitnehmer verfasst.
Die subjektiven Tatbestandsmerkmale der Vorsatzanfechtung können – weil es sich um innere, dem Beweis nur eingeschränkt zugängliche Tatsachen handelt – meist nur mittelbar aus objektiven Tatsachen hergeleitet werden. Soweit dabei Rechtsbegriffe wie die Zahlungsunfähigkeit betroffen sind, muss deren Kenntnis außerdem oft aus der Kenntnis von Anknüpfungstatsachen erschlossen werden. Der Kenntnis von der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit steht auch im Rahmen des § 133 Abs.1 InsO die Kenntnis von Umständen gleich, die zwingend auf eine drohende oder bereits eingetretene Zahlungsunfähigkeit hinweisen. Es genügt daher, dass der Anfechtungsgegner die tatsächlichen Umstände kennt, aus denen bei zutreffender rechtlicher Bewertung die (drohende) Zahlungsunfähigkeit zweifelsfrei folgt. Bewertet der Gläubiger das ihm vollständig bekannte Tatsachenbild falsch, kann er sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass er diesen Schluss nicht gezogen hat.
Die Feststellung der subjektiven Voraussetzungen der Anfechtung obliegt dabei in erster Linie dem Tatrichter. Erforderlich ist auch im Blick auf die Kenntnis der aufgrund der Zahlungseinstellung vermuteten Zahlungsunfähigkeit eine Gesamtwürdigung sämtlicher Umstände, sofern aus ihnen ein zwingender Schluss auf die Kenntnis folgt.

Diesen Grundsätzen genügt die Entscheidung des Oberlandesgerichts Celle, das nur einzelne Umstände herausgreift und keine Gesamtwürdigung vornimmt, ebenfalls nicht.
Das Oberlandesgericht Celle hätte sämtliche für den Beklagten erkennbaren Umstände in einem Gesamtzusammenhang stellen und würdigen müssen.

Der ausgewiesene Bilanzgewinn zum Jahresende 2005 wird in der Entscheidung für ausschlaggebend im Hinblick auf die fehlende Kenntnis der Zahlungseinstellung gehalten. Dies sagt aber nichts über die vorhandene Liquidität aus. Um diese aufrechtzuerhalten, mussten die Sozien im Jahre 2004 schon Einlagen in Höhe von insgesamt 71.905, 09 € und im Jahre 2005 in Höhe von insgesamt 41.500 € leisten. Zudem war die angespannte finanzielle Situation des Schuldners dem Beklagten schon aufgrund der fehlenden Erfüllbarkeit seines Anspruchs auf Ausgleich seines Kapitalkontos zum Jahresende 2005, der zum Abschluss des Darlehensvertrags vom 09.03.2006 führte, bekannt. Auszahlen konnte der Schuldner den dem Beklagten bei seinem Ausscheiden aus der Sozietät zustehenden Kapitalanteil nicht.

Das Oberlandesgericht Celle erkennt zwar, dass bei Durchsetzung des dem Beklagten zustehenden Ausgleichsanspruchs schon zum Jahresende 2005 eine Unterdeckung in Höhe von 4.775, 74 € entstanden wäre, hält dies aber wegen der Erfüllung der – allerdings durch Teilverzicht und Reduzierung für 2007 – herabgesetzten Ansprüche des Insolvenzverwalters für unerheblich. Die sonstige finanzielle Situation, zu der es im Zusammenhang mit der Prüfung einer drohenden Zahlungsunfähigkeit anhand einer Finanzplanung festgestellt hat, dass eine (drohende) Zahlungsunfähigkeit schon 2004 und 2005 nur durch Einlagen der Gesellschafter und den Verzicht auf Entnahmen aus dem Kapitalkonto abgewendet werden konnte, lässt es unberücksichtigt. Die weiteren Beweisanzeichen für einen finanziellen Zusammenbruch werden ebenfalls nicht in einen Gesamtzusammenhang gestellt.

Das Oberlandesgericht Celle blendet aus, dass der Schuldner nach dem Vorbringen des Insolvenzverwalters letztlich zu keinem Zeitpunkt in der Lage gewesen ist, das Weihnachtsgeld für das Jahr 2006 trotz der Liquiditätshilfen des Beklagten, dem diese Schwierigkeiten spätestens seit Oktober 2006 bekannt waren, auszugleichen.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs muss der Gläubiger, der es mit einem unternehmerisch tätigen Schuldner zu tun hat und der weiß, dass der Schuldner nicht in der Lage ist, seine fälligen Verbindlichkeiten zu befriedigen, damit rechnen, dass auch gegenüber anderen Gläubigern Verbindlichkeiten (wobei künftige Verbindlichkeiten ebenfalls in Betracht kommen) entstehen, die er nicht bedienen kann.

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Verfasser: Hermann Kulzer MBA Fachanwalt für Insolvenzrecht, Wirtschaftsmediator (DIU)
13.03.2015 Inkongruente Deckung bei Zahlung über das Konto einer dritten Person
Information

Das Bundesarbeitsgericht hat mit Urteil vom 13.11.2014, 6 AZR 869/13, eine weitere Entscheidung zur Insolvenzanfechtung gefällt. Leitsatz des Gerichts:

Erfolgt die Entgeltzahlung nicht über das Konto des späteren Insolvenzschuldners, über das üblicherweise die Gehaltszahlungen erfolgen, sondern über das Konto einer dritten Person, der die dafür erforderlichen Mittel zuvor vom Schuldner zur Verfügung gestellt worden sind, liegt in der Regel eine inkongruente Deckung vor.
Eine derartige Befriedigung erfolgt nicht “in der Art”, in der sie geschuldet ist.


Fragen zur oder Problem mit der Insolvenzanfechtung?
Wir stehen mit Rat und Hilfe gerne zur Verfügung.

Hermann Kulzer MBA
Fachanwalt für Insolvenzrecht
kulzer@pkl.ocm
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Verfasser: BAG
06.03.2014 Insolvenz eines ARGE-Gesellschafters
Information Die ARGE ist eine typische Gestaltungsform bei größeren Bauaufträgen, da oftmals ein einzelner Bauunternehmer nicht die notwendigen Kapazitäten vorzuweisen hat, um einen solchen Auftrag allein zu bewältigen. Die ARGE und nicht die einzelnen Gesellschafter sind in diesem Fall Vertragspartner des Bauherrn.

Es gibt verschiedene Gestaltungsformen der Arge. Welcher Inhalt für den jeweiligen Zusammenschluss notwendig ist, ergibt sich aus den speziellen Bedürfnissen und Umständen des Einzelfalles.

Besondere Probleme können auftreten, wenn ein Gesellschafter der ARGE in Insolvenz gerät. Ohne gewisse Vorkehrungen im Vertrag erhielte der Insolvenzverwalter erhebliche Einflussmöglichkeiten, die den Hauptauftrag oder auch die Solvenz der anderen Gesellschafter gefährden könnten.

Der ARGE-Vertrag sollte daher insbesondere festgelegen, dass beim Ausscheiden des insolventen Gesellschafters die Anteile den übrigen Gesellschaftern anwachsen und die ARGE unter diesen Gesellschafter fortgesetzt wird. Verbleibt nur ein Gesellschafter, übernimmt dieser alle Anteile und führt die Verträge mit dem Dritten allein fort. Ist die Fortführung im Vertrag bereits geregelt, bedarf es dafür nicht mehr der Zustimmung des Insolvenzverwalters.

Der ausgeschiedene insolvente Gesellschafter hat einen Auseinandersetzungsanspruch. Sein Geschäftsanteil gehört zur Insolvenzmasse. Der Insolvenzverwalter hat jedoch grundsätzlich keinen direkten Zugriff auf offene Forderungen der ARGE gegen den Bauherrn. Er kann daher nicht z.B. offene Forderungen zur Masse ziehen und dann abzüglich der Feststellungs- und Verwertungspauschale den Betrag auf die Geschäftsanteile der anderen verteilen.

Zur Vermeidung von Problemen bei der Auseinandersetzung, sollte die Höhe der Anteile und die Leistungen der einzelnen Gesellschafter sowie deren Wert im Vertrag genauestens bestimmt werden.

Gleiches ist auch sinnvoll im Hinblick auf eine mögliche Insolvenzanfechtung des gesamten ARGE-Vertrages durch den Insolvenzverwalter. Meint der Insolvenzverwalter nämlich, der ARGE-Vertrag benachteilige die insolvente Gesellschaft und damit deren Gläubiger, weil die Forderung aus dem Bauvertrag dem Insolvenzschuldner allein oder zu einem höheren Anteil zustehen würde, wäre er veranlasst, den ARGE-Vertrag anzufechten und ausstehende Forderungen für die Masse zu vereinnahmen. Dem fortführenden Gesellschafter stünde dann lediglich eine einfache Insolvenzforderung zu.

Schon das Bestehen von Zweifeln an der Person des Berechtigten wird den Bauherrn dazu veranlassen, den Zahlbetrag solange zurückhalten, bis sich die Parteien geeinigt haben, oder er wird ihn bei einem Gericht oder einer sonstigen Hinterlegungsstelle kostenpflichtig hinterlegen.

Für eine Anfechtung bedarf es immer der Darstellung und des Nachweises einer Gläubigerbenachteiligung. Ist für den Insolvenzverwalter nachweisbar, dass die Gesellschaft bereits bei Abschluss des Vertrages insolvenzreif war oder Zahlungsunfähigkeit drohte, kann sich die Beweislast zulasten des anderen Gesellschafters umkehren. In zeitlicher Hinsicht ist die Anfechtung bei einer vorsätzlichen Gläubigerbenachteiligung bis zu 10 Jahre rückwirkend ab Insolvenzantragstellung möglich.

Wir helfen Ihnen gern durch eine umfassende Beratung und Mithilfe bei der Vertragsgestaltung, vorhersehbare Risiken zu vermeiden bzw. einzuschätzen. Anfechtungsrisiken können allerdings selten vollständig ausgeschlossen werden. Sollte der Insolvenzfall bereits eingetreten sein, stehen wir Ihnen zur Seite, um Anfechtungs- und unberechtigte Auseinandersetzungsansprüche bestmöglich abzuwehren.
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Verfasser: Susanne Hase ,Rechtsanwältin,Tätigkeitsschwerpunkt Insolvenzrecht

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